Darum gehts
- Unzufriedenheit im Nati-Team wegen harter Vorbereitung von Trainerin Pia Sundhage
- Kritik an Sundhages Methoden: Druck auf angeschlagene Spielerinnen, stures Festhalten am Spielsystem
- 23 Spielerinnen für EM-Kader nominiert, 10 Spielerinnen aus 33er-Kader gestrichen
Am Freitagnachmittag ist für zehn Spielerinnen der Traum von der Heim-EM geplatzt. Zum Abschluss der zweiten Trainingswoche hat Trainerin Pia Sundhage (65) ihrem Team mitgeteilt, mit welchen 23 Namen sie das Turnier ab dem 2. Juli in Angriff nehmen wird. Doch nicht nur bei den zehn Spielerinnen, die dem letzten Kader-Cut zum Opfer gefallen sind, herrscht nach intensiven Trainingstagen Unzufriedenheit. Nach Blick-Infos rumort es im ganzen Nati-Team.
Dafür verantwortlich ist Sundhage, die in den letzten zwei Wochen die Schraube angezogen hat. Vor allem in der ersten Camp-Woche in Magglingen legte die Nati-Trainerin den Fokus auf den konditionellen Bereich und liess sogar Ausdauer-Testläufe (Yo-Yo-Tests) absolvieren. Viele Spielerinnen kamen dabei an ihr Limit, manche mussten sogar darüber hinausgehen. Sicher nicht ohne Grund. Nach dem Achtelfinal-Out an der WM 2023 hatten mehrere Spielerinnen die fehlende Fitness im Team angeprangert.
In der Vorbereitung aufs Heim-Turnier soll es Sundhage nun aber übertrieben haben, indem sie keine Rücksicht auf angeschlagene Spielerinnen genommen habe. Offenbar wurden einige von der Schwedin darauf hingewiesen, sich gut zu überlegen, ob sie eine Trainingseinheit wirklich auslassen wollen. Selbst wenn das medizinische Personal zuvor explizit davon abgeraten hatte, am Training teilzunehmen. Blick hat von einem konkreten Fall Kenntnis. Der Schweizerische Fussballverband teilt auf Anfrage mit, dass man die Vorwürfe nicht kommentieren könne.
Teamintern gibt es Kritik am System
Sundhage lässt in der EM-Vorbereitung keine Zweifel aufkommen, dass sie, bis auf wenige Ausnahmen wie zum Beispiel die noch leicht angeschlagene Lia Wälti (32), nur fitte Spielerinnen fürs EM-Kader nominieren wird. Mit ein Grund, warum auch die unter Sundhage eigentlich immer gesetzte Luana Bühler (29) zwischenzeitlich um ihr Ticket zittern musste.
Die Verteidigerin gehörte zu jenen Spielerinnen, die am Donnerstagnachmittag im Testspiel gegen die U15-Junioren des FC Luzern nur einen Kurzeinsatz absolvierten und auch am Freitag noch nicht das gesamte Training mit dem Team mitmachen konnten. Auch für den Testkick unter Ausschluss der Öffentlichkeit soll Sundhage ihren angeschlagenen Spielerinnen gegenüber klar kommuniziert haben: Wer nicht spielt, minimiert seine eigenen Chancen auf einen EM-Platz.
Diese knallharte Schiene ist aber nicht der einzige Kritikpunkt an Sundhage, der aus dem Nati-Camp zu vernehmen ist. Unter anderem sorgt das sture Festhalten am Spielsystem mit einer Fünferkette für Unverständnis. In den vergangenen Partien musste dabei Offensivspielerin Iman Beney als Aussenverteidigerin auflaufen. Sundhage und ihr Staff hätten keinen klaren Plan, so der Vorwurf. Viele wüssten nicht, was genau ihre Rolle ist.
Nati gibt als eines der letzten Teams EM-Kader bekannt
Bei der Kadernomination hat die Nati-Trainerin einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. 13 der 16 EM-Teams haben ihr Kader bereits bekannt gegeben, darunter auch die drei Schweizer Gruppengegner Norwegen, Island und Finnland. Sundhage dagegen hat für die EM-Vorbereitung ganze 36 Spielerinnen aufgeboten – ähnlich wie dies Murat Yakin, der dem Team am Donnerstag einen Besuch abstattete, vor einem Jahr vor dem Turnier in Deutschland getan hat.
Die zweite Woche trainierte die Nati noch immer mit 30 Spielerinnen. Erst am Freitagmittag hat Sundhage teamintern kommuniziert, welche 23 Namen es ins EM-Kader schaffen. Bis am Montagmorgen, wenn auch Sydney Schertenleib (18) und Smilla Vallotto (21) zum Team stossen, will der Verband mit seiner Schnitzeljagd «The Chase» sämtliche Namen veröffentlichen – als eines der letzten EM-Teams. Zu spät, sagen einige Spielerinnen hinter vorgehaltener Hand. Obwohl alle die Stimmung im Team während der vergangenen Trainingswochen loben, bleibe nun kaum noch Zeit, um mit dem endgültigen Kader die letzten Abläufe einzustudieren und als Team noch einmal näher zusammenzuwachsen.
«Ich denke, es war in den letzten Wochen schon viel Druck da, wenn man nicht weiss, ob man dabei ist oder nicht», sagt Viola Calligaris (29) an der Pressekonferenz am Freitag. «Wenn es dann nur noch 23 Spielerinnen sind, kann man mit dem Staff besser diese Bubble kreieren.» Dann könne der Fokus auf andere Dinge gelegt werden. Calligaris: «In den letzten zwei Wochen ging es vor allem darum, fit zu werden. Jetzt wird es dann auch mehr um Taktik gehen.»
Zumindest für den Montag, wenn die Nati in die dritte Vorbereitungswoche startet, gilt das nur teilweise. Statt wie ursprünglich angekündigt bis 12.30 Uhr müssen die 23 EM-Spielerinnen bereits um 11 Uhr in Abtwil erscheinen. Kurzfristig ist eine Gym-Einheit angesetzt worden.