«Wir müssen von Anfang an bereit sein»
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YB-Gigovic vor Ludogorez-Spiel:«Wir müssen von Anfang an bereit sein»

YB-Gegner steckt in der Krise
Ludogorez steht für Retorte und einen Klub ohne Fans

Der bulgarische Fussball ist an einem historischen Tiefpunkt angelangt. Einzig Retortenklub Ludogorez Rasgrad hält ihn noch am Leben.
Publiziert: 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 15:32 Uhr
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Eindrücklich: Der Adler ist das Wappentier von Ludogorez Rasgrad. Hier ein lebendes Exemplar vor einem Europacup-Spiel.
Foto: Icon Sport via Getty Images

Darum gehts

  • Bulgarien belegt Rang 91 im Fifa-Ranking, hinter Bahrain und Angola
  • Ludogorez Rasgrad hält als einziger Klub das bulgarische Fussball-Fähnlein hoch
  • Der Retortenklub aus Rasgrad wurde in 24 Jahren 14-mal Meister und viermal Cupsieger
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Alain KunzReporter Fussball

Bulgarien belegt Rang 91 im Fifa-Ranking. Hinter Bahrain und Angola. In dieser Region war Bulgarien erst einmal, im Jahr 2012. 

Ein Absturz sondergleichen für das einst derart stolze Fussballland, das während der Weltmeisterschaft 1994, als man bis in den Halbfinal vorstiess, auf Rang 8 lag.

Eine weitere WM in den USA wird es für die Erben von Christo Stoitschkow und Co. nicht geben. Sie haben alle vier Spiele in der WM-Qualifikation verloren und sind bereits jetzt ausgeschieden.

Bulgarien ist in der WM-Qualifikation bereits ausgeschieden

«Sie werden diese Quali punktlos beenden», sagt Petar Aleksandrov (62), Assistenztrainer bei Challenge-League-Leader-FC Aarau. Der WM-Halbfinalist von 1994, einst Torschützenkönig mit Xamax und Luzern, mit dem weissen Stirnband als unverkennbarem Markenzeichen, ist ein akribischer Beobachter des Fussballs in seiner Heimat.

«Es ist eine Tragödie. Letztmals an einer Endrunde dabei waren wir an der EM 2004. Aber das ist kein Wunder, wenn die bulgarischen Spieler nur noch in zweitklassigen Klubs spielen, und das fast ausnahmslos. Egal, ob in der heimischen Liga oder im Ausland.»

Die einzige Ausnahme sei Ilia Gruev von Premier-League-Aufsteiger Leeds United, der bei Werder Bremen gross geworden war. Doch in den letzten fünf Spielen hatte der genau eine Einsatzminute. «Dazu gesellt sich Kiril Despodov, auf den YB in einer Woche treffen wird, weil er für PAOK Thessaloniki spielt, den nächsten YB-Gegner in der Europa League», so der ehemalige Vollblutstürmer. «Allerdings ist auch er in Griechenland bloss Reservist.»

Keine 100 Fans aus Bulgarien, Duah out

17'000 Tickets waren am Mittwoch für das Spiel gegen Ludogorez Rasgrad am Mittwoch abgesetzt. Erfahrungsgemäss wird kaum eine höhere Zahl an Fans kommen. Aus Bulgarien schon gar nicht. Ursprünglich gingen die Ludogorez-Verantwortlichen von rund 100 Anhängern aus. Weil es nun weit weniger sein sollen, dürfte der Gästesektor geschlossen bleiben …

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Bei YB fehlen die üblichen Verdächtigen: Alvyn Sanches, Gregory Wüthrich, Facinet Conte und Rodri Smith sind verletzt. Ebrima Colley hingegen, der gegen St. Gallen noch gefehlt hatte, ist wieder an Bord.

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Bei Ludogorez steht seit 2023 ein Schweizer im Kader: Kwadwo Duah (28), der im ersten EM-Spiel 2024 gegen Ungarn das 1:0 zum 3:1-Sieg beisteuerte, ist aber seit Saisonbeginn verletzt und seit einem Jahr kein Thema mehr für die Nati. Der in London geborene und in Bern aufgewachsene Ex-YBler steuerte letzte Saison sechs Tore zum Titelgewinn bei, eines zum Cupsieg und vier in Europa. Er hatte sich letzten Winter einen Ermüdungsbruch im Schienbein zugezogen, den er zu wenig lange auskuriert hatte, weshalb die Verletzung im Sommer wieder aufbrach. Jetzt hat er sich genügend Zeit gelassen, mit der Knochendichte ist nun alles gut und er ist mittlerweile wieder im Training. In wenigen Wochen soll er wieder operabel sein.

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Schiedsrichter ist der in Saudi-Arabien geborene junge Finne Mohammed Al-Emara (33). Der Einsatz in Bern wird sein erster auf dieser Stufe sein. Bislang leitete er nur vier Spiele der Conference League und eines in der Europa-League-Qualifikation. Ein Schweizer Team hat er auf Erwachsenenstufe noch nie arbitriert.

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YB-Mittelfeld-Puncher Armin Gigovic zum Gegner Ludogorez Rasgrad: «Die spielen eigentlich immer europäisch und sind sehr erfahren. Wir müssen von der ersten Sekunde an hellwach sein, denn solch einen Start wie gegen Panathinaikos dürfen wir uns nicht nochmals leisten. Ich habe mir dieses Team genau angeschaut. Speziell gut kenne ich die beiden Schweden im Team: Aussenverteidiger Joel Andersson, mit dem ich bei Midtjylland in Dänemerk gespielt habe, und Edvin Kurtulus.»

Der Berner Ex-YBler Kwadwo Duah fehlte gegen die Young Boys verletzt, ist aber auf dem Weg zurück.
TOTO MARTI

17'000 Tickets waren am Mittwoch für das Spiel gegen Ludogorez Rasgrad am Mittwoch abgesetzt. Erfahrungsgemäss wird kaum eine höhere Zahl an Fans kommen. Aus Bulgarien schon gar nicht. Ursprünglich gingen die Ludogorez-Verantwortlichen von rund 100 Anhängern aus. Weil es nun weit weniger sein sollen, dürfte der Gästesektor geschlossen bleiben …

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Bei YB fehlen die üblichen Verdächtigen: Alvyn Sanches, Gregory Wüthrich, Facinet Conte und Rodri Smith sind verletzt. Ebrima Colley hingegen, der gegen St. Gallen noch gefehlt hatte, ist wieder an Bord.

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Bei Ludogorez steht seit 2023 ein Schweizer im Kader: Kwadwo Duah (28), der im ersten EM-Spiel 2024 gegen Ungarn das 1:0 zum 3:1-Sieg beisteuerte, ist aber seit Saisonbeginn verletzt und seit einem Jahr kein Thema mehr für die Nati. Der in London geborene und in Bern aufgewachsene Ex-YBler steuerte letzte Saison sechs Tore zum Titelgewinn bei, eines zum Cupsieg und vier in Europa. Er hatte sich letzten Winter einen Ermüdungsbruch im Schienbein zugezogen, den er zu wenig lange auskuriert hatte, weshalb die Verletzung im Sommer wieder aufbrach. Jetzt hat er sich genügend Zeit gelassen, mit der Knochendichte ist nun alles gut und er ist mittlerweile wieder im Training. In wenigen Wochen soll er wieder operabel sein.

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Schiedsrichter ist der in Saudi-Arabien geborene junge Finne Mohammed Al-Emara (33). Der Einsatz in Bern wird sein erster auf dieser Stufe sein. Bislang leitete er nur vier Spiele der Conference League und eines in der Europa-League-Qualifikation. Ein Schweizer Team hat er auf Erwachsenenstufe noch nie arbitriert.

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YB-Mittelfeld-Puncher Armin Gigovic zum Gegner Ludogorez Rasgrad: «Die spielen eigentlich immer europäisch und sind sehr erfahren. Wir müssen von der ersten Sekunde an hellwach sein, denn solch einen Start wie gegen Panathinaikos dürfen wir uns nicht nochmals leisten. Ich habe mir dieses Team genau angeschaut. Speziell gut kenne ich die beiden Schweden im Team: Aussenverteidiger Joel Andersson, mit dem ich bei Midtjylland in Dänemerk gespielt habe, und Edvin Kurtulus.»

Seit dem Aufstieg ist Ludogorez immer Meister geworden

Bleibt also der aktuelle YB-Gegner Ludogorez Rasgrad. «Der Meister hält das Fähnlein des bulgarischen Fussballs ganz einsam hoch», erzählt Aleksandrov. Doch auch das ist problembehaftet. Denn Ludogorez ist ein Retortenklub aus der Kleinstadt Rasgrad, die 28’000 Einwohner zählt.

Der Klub wurde erst 2001 gegründet. 2010 kaufte ihn der bulgarische Oligarch Kyril Domustschiew, der sein Geld in der Pharmabranche und als Reeder gemacht hat. Mit dem Ziel, Bulgarien zu erobern. Das gelingt in Form eines Handstreichs. Ludogorez steigt sofort von der dritten in die zweite Liga auf, danach gleich in die oberste – und wird auf Anhieb Double-Gewinner. Seither gab es keinen anderen Meister mehr in Bulgarien. Zu gross ist der Unterschied zu den einst stolzen Klubs ZSKA und Lewski geworden. 

So lautet das Palmarès des Vereins aus Nordostbulgarien nach gerade mal 24 Jahren Existenz: 14-mal Meister, viermal Cupsieger, dreimal Teilnahme an der Champions League, einmal war man in der Conference League. Und nun steht man zum neunten Mal in der Europa League. Letzte Saison schied man sieglos aus, wie YB in der Königsklasse. Aber mit immerhin vier Remis.

Fünf Remis – Rasgrad steckt in der Krise

Heuer holte das Team des Portugiesen Rui Mota seinen ersten Ligaphasen-Sieg beim 2:1 in Malmö. Gegen Betis Sevilla verlor man zu Hause 0:2. «Schön und gut. Aber es stehen praktisch nie bulgarische Spieler in der Startelf. Auch in Bern wird kaum ein Einheimischer von Beginn weg spielen», denkt Aleksandrov. Beim Sieg in Schweden waren es null gewesen. Gegen Betis einer. «Und derjenige, der in der Liga noch am meisten spielt, Ivaylo Chochev, sitzt europäisch nur auf der Bank.»

Aktuell aber läuft es beim erfolgsverwöhnten Team der Gebrüder Domustschiew nicht rund. In der Liga steht man nach fünf Remis aus elf Spielen, vier allein in den letzten fünf Spielen, bloss auf Platz drei, hinter Lewski und ZSKA Sofia. «Für Ludogorez-Verhältnisse ist das eine veritable Krise, so viele Unentschieden», sagt Aleksandrov. Wenn man sieht, dass Ende der letzten Saison Trainer Igor Jovicevic trotz Double-Gewinn gehen musste, weiss man, wo die Ambitionen sind.

Am mangelnden Support der Fans kann es nicht liegen, denn den gab und gibt es nicht. Ludogorez interessiert quasi niemanden. In der heimischen Liga lag die Zuschauerzahl in der gut 10'000 Fans fassenden Huvepharma-Arena bei zwischen 350 und 1200 Fans. Unfassbar! Aleksandrov: «Ich glaube, das Stadion war noch gar nie ausverkauft.» Irrtum: Zumindest füllten Fans von Fenerbahce Istanbul dem Klub das Stadion in der Conference League 2023 einmal. Gegen Servette kamen 2024 6487 Zuschauer. Gegen die Genfer schied Ludogorez damals in der Conference-League-Zwischenrunde aus.

Betonmischer aus dem verrückten Wald

Dreimal traf Rasgrad auf den FC Basel. In der Königsklassen-Gruppenphase 2016/17 holten die Bulgaren zwei Remis und liessen den FCB so Letzter werden. Die beiden anderen übrigen Male hatte der FCB die Nase vorne, wie auch der FCZ in der Europa League 2018/19.

Und YB? Es wird ein Spiel auf Augenhöhe, denn die beiden Teams haben praktisch gleich viele Punkte im Uefa-Ranking, liegen um Platz 70 herum. Aber die Beton-Bulgaren haben wettbewerbsübergreifend im Schnitt gerade mal halb so viele Tore kassiert wie Gelbschwarz. Für Spektakel steht Ludogorez jedenfalls nicht, wie es der Klubname suggerieren lässt. «Denn», so schliesst Aleksandrow, Ludogorez heisst «verrückter Wald».

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