Vor dem Stadion steht eine Statue seines Vaters
FCB-Held schreibt Fussballmärchen in Norwegen

Vor dem Europa-League-Knüller von Bodö/Glimt gegen Tottenham spricht Blick mit dem Ex-Basler Örjan Berg, dessen Familie eine wichtige Rolle beim Klub aus Norwegen spielt.
Publiziert: 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 10:22 Uhr
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Bodö-Sportchef Örjan Berg (l.) mit Bruder Runar.
Foto: IMAGO/NTB

Darum gehts

  • Bodö/Glimt versucht gegen Tottenham den Einzug in einen Europacup-Final
  • Familie Berg prägt den Verein seit Generationen mit Fussballtalent
  • Örjan Berg gewann neun Meistertitel, mehr als sein Vater Harald
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Walter Krucker

Das kleine Glimt aus Bodö versucht gegen das grosse Tottenham aus London, was noch kein Klub aus Norwegen – oder der Schweiz – jemals geschafft hat: den Einzug in einen Europacup-Final. Der Klub aus dem hohen Norden ist geprägt von einer Dynastie, die im Fussball ihresgleichen sucht. Ein Interview mit dem Ex-Basler Örjan Berg (56), dessen Vater Harald ein erster Star seines Landes war, dessen Onkel Knut sowie die Brüder Runar und Arild es ebenfalls in die höchste Liga oder ins Nationalteam gebracht haben. Und Sohn Patrick führt heute Bodö/Glimt ins Halbfinal-Rückspiel. 

Sie sind nach wie vor mit ganzem Herzen mitten im Verein tätig. Was sagt Ihr Verstand hinsichtlich eines Aufholens des 1:3-Rückstands aus dem Hinspiel?
Ich sehe eine offene Partie. Unsere Mannschaft wird Tottenham mit kraftvollem Pressing unter Druck setzen und dominant auftreten. So wie sie es in sämtlichen Heimspielen dieser Europacup-Saison gezeigt hat – nicht bloss zuletzt beim Viertelfinal-2:0 über Lazio Rom. Kommen Kälte und der für unseren Gegner ungewohnte Kunstrasen hinzu, so denke ich, dass man sich bei Tottenham nicht besonders freut auf diesen Match.

Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses vermeintlichen Fussball-Zwergs aus dem weitaus nördlichsten Ort aller Europacup-Teilnehmer?
Die Erfolge von Bodö/Glimt basieren weitgehend auf einem aussergewöhnlich verschworenen Teamgeist. Bei uns gibts keinen Platz für irgendwelche Egotrips oder Eskapaden. Solches hat zum Beispiel unser bester Torschütze Kasper Högh nachhaltig hinter sich gelassen, der mit einer zweifelhaften Reputation aus seiner dänischen Heimat nach Norwegen gekommen ist, sich bei Glimt aber mustergültig eingefügt hat. Der 24-Jährige gehört denn auch unserem Team von sieben sich abwechselnden Captains an, die stets untereinander absprechen, wer für jedes Spiel am geeignetsten ist, um die Mannschaft zu führen.

Einer dieser Captains ist ihr Sohn Patrick. Der gilt als der Quarterback-ähnliche Regisseur, der Glimt 2020 erstmals zum norwegischen Meistertitel geführt hat – und 2021, 2023 sowie 2024 gleich noch drei weitere Mal.
Patrick kann das Spiel tatsächlich kontrollieren wie kein anderer aus unserer Familie. Aber er hat in London wegen einer Gelbsperre ebenso gefehlt wie die zweite grosse Mittelfeld-Stütze Haakon Evjen. Sie werden uns im Rückspiel guttun, obwohl Glimt auch sehr viel Qualität in seinem ganzen Kader hat. Mit einer Reihe von Spielern, die Mitte 20 im besten Fussballalter sind, aber bei Milan oder Roma, Frankfurt oder Hertha Berlin auch bereits Auslandserfahrung gesammelt und nach Bodö zurückgebracht haben.

Das erinnert an Ihre eigene Karriere, sind Sie doch auch bereits mit 25 nach Norwegen zurückgekehrt. Obwohl Sie in der Schweiz jeweils der auffälligste Spieler Ihrer Mannschaft waren – sowohl beim FC Wettingen als auch beim FC Basel, bei dem Sie massgeblich zum lang ersehnten NLA-Wiederaufstieg von 1994 beitrugen.
Ich war von der Spieleragentur des damaligen GC-Präsidenten Karl Oberholzer gekauft und 1991 in die Schweiz gebracht worden, der mich bei den genannten Klubs platzierte. Als es dann aber in Basel für mich leider nicht mehr weiterging, wollte ich dieser Fremdbesitz-Zwangsjacke entkommen und liess Oberholzer wissen, dass ich meine Schuhe an den Nagel hängen würde, wenn ich nicht nach Bodö zurückkehren dürfe.

Hier steht seit kurzem eine grosse Statue Ihres Vaters vor dem Stadion, der wohl die Fussball-Dynastie Berg begründet hat, den Sie aber mit den neun Meistertiteln klar übertreffen.
Das hat schon seine Richtigkeit mit dem Denkmal, an dem mein inzwischen 83-jähriger Vater stets vorbeikommt, wenn er nach wie vor die Glimt-Spiele besucht. Schliesslich war er Bodös erster Fussball-Export, erreichte mit Lyn Oslo anno 1969 einen in Norwegen unvergessenen Europacup-Viertelfinal gegen Barcelona – wetterbedingt musste man für beide Spiele im Stadion der Katalanen antreten, die mit 2:2 und 3:2 knapp die Oberhand behielten – und spielte anfangs der Siebziger als ganz früher Ausland-Söldner vier Jahre lang in Holland. Meister wurde mein Vater zwar nie, aber als Cupsieger brachte er 1975 den ersten Pokal nach Bodö.

Hat eigentlich auch Ihr Grossvater Fussball gespielt?
Nein, der war Fischer.

Geht dafür die Berg-Dynastie möglicherweise mit einem Sohn von Patrick in eine vierte Generation?
Danach siehts zurzeit auch nicht aus, denn Patrick erfreut sich bislang erst einer Tochter. Doch er ist erst 27. Und was nicht ist, kann noch werden.

Haben eigentlich auch die Frauen der Familie Berg eine besondere Gabe?
Nichts Aussergewöhnliches. Aber die Tochter meines Bruders Runar spielt mit Glimt in Norwegens höchster Frauen-Liga.

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