Ex-Präsident zwackte der UBS 51 Millionen ab
Ein Top-Banker steckt hinter dem Wiler Jahrhundertsieg

Ohne die Millionen von Andreas Hafen hätte es den Jahrhundertsieg des FC Wil gegen St. Gallen nicht gegeben. Reden möchte er nicht. Dafür spricht jener Mann, der die Scherben aufwischen musste, die Hafen hinterlassen hat.
Publiziert: 18:20 Uhr
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Aktualisiert: vor 15 Minuten
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Mehr als zehn Millionen Franken steckte der damalige Präsident Andreas Hafen in seinen FC Wil.
Foto: Rainer Bolliger

Darum gehts

  • FC Wil empfängt FC St. Gallen, erinnert an historischen 11:3-Sieg
  • Ex-Präsident Andreas Hafen veruntreute Millionen für den Verein
  • Wil besiegte 2004 GC im Cupfinal mit 3:2
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Stefan KreisReporter Fussball

Wenn der kleine FC Wil am Samstag auf dem Bergholz den grossen FC St. Gallen empfängt, dann werden – wie könnte es anders sein – Erinnerungen an den dritthöchsten Sieg in der Geschichte des Schweizer Fussballs wach. 11:3 gewinnt der FCW am 3. November 2002. Noch heute treffen sich die Wiler Anhänger einmal im Jahr, um diesen Erfolg zu begiessen.

Es ist ein Jahrhundertsieg! Und er kam nur deshalb zustande, weil der damalige Wil-Präsident Andreas Hafen seinen Herzensklub mit mehr als 10 Millionen Franken unterstützte. Der Haken dabei: Der Vizedirektor der UBS St. Gallen hatte das Geld bei seinem Arbeitgeber abgezwackt. Insgesamt veruntreute er innert zehn Jahren 51 (!) Millionen Franken. «Fünf Jahre Zuchthaus für den Vater des Wiler Fussballwunders», lautet damals eine der vielen Schlagzeilen, als Hafen vom St. Galler Kantonsgericht wegen «gewerbsmässigen Betrugs» und «mehrfacher Urkundenfälschung» verurteilt wird.

Hafen ist abgetaucht

Nach dem Ende seiner Haftstrafe taucht Hafen ab, verschwindet komplett aus der Öffentlichkeit. Selbst Menschen, die dem FC Wil und ihrem ehemaligen Präsidenten nahestanden, wissen bis heute nicht, was er treibt. Als wir ihn auf dem Handy erreichen, ist Andreas Hafen nicht in Plauderlaune. Zwar bestätigt er am Telefon, dass er der ehemalige Präsident des FC Wil sei. Darüber sprechen aber möchte er nicht. «Es ist alles gesagt.» Auch die Tatsache, dass der Jahrhundertsieg gegen St. Gallen ohne seine Millionen nicht möglich gewesen wäre, lockt den ehemaligen UBS-Banker nicht aus dem Busch. Kein Kommentar. 

Fakt aber ist: Nur dank Hafen kann sich der FC Wil ein Kader leisten, das den grossen Bruder bis auf die Knochen blamiert. Unter anderem steht einer der grössten FCSG-Spieler der Geschichte im Kader der Wiler, Marc Zellweger. Der fehlt beim 11:3-Sieg aber ebenso wie Stammgoalie Nicolas Beney, der sich einer Blinddarmoperation unterziehen muss. Für ihn steht Darko Damjanovic zwischen den Pfosten. Umberto Romano (2x), Yacouba Bamba (3x), Naldo (2x), Fabinho, Felix Mordeku und Dusan Pavlovic treffen, das Stängeli voll macht ein gewisser Mauro Lustrinelli. Trainiert wird die Elf von Heinz Peischl.

Beim FCSG trifft Tranquillo Barnetta nach drei Minuten zur Führung. Hätte in jenem Moment einer darauf gewettet, dass das hier noch zum Jahrhundertspiel mit dreizehn weiteren Toren werden würde, er wäre wohl für verrückt erklärt worden. Bei Espen-Coach Thomas Staub liegen die Nerven hinterher blank. Auf die Frage eines Journalisten, wie es jetzt weitergehe, antwortet Staub mit drei Gegenfragen: «Wie geht es weiter mit St. Gallen? Wie geht es weiter mit Ihnen? Und wie mit mir? Das interessiert mich sowieso nicht.» 

Staub ist ein paar Wochen später Geschichte. Und auch Hafen ist bald weg. Bloss elf Tage nach dem Jahrhundertsieg kommt aus, was der UBS-Banker getan hat. Dass der FC Wil finanziell von einem Tag auf den anderen am Abgrund steht, versteht sich von selbst. «Es gab eine Nachlassstundung», sagt Roger Bigger, als er auf jene heiklen Monate nach dem Hafen-Abgang angesprochen wird.

Bigger rettet Wil vor dem Konkurs

Bigger übernimmt den Klub im Frühjahr 2003, muss einen totalen Umbruch moderieren und rettet den Klub zusammen mit seinem Team vor dem Konkurs. Dafür habe es einen Verzicht der UBS gebraucht, sagt der Unternehmer. Zudem wurden die Spielerverträge neu ausgehandelt. Jene, die noch einen Kontrakt hatten, mussten auf Lohn verzichten. Viele verliessen den Verein. 

Trotz Mammut-Umbruch wird der FC Wil aber bloss ein Jahr später Cupsieger. Unvergessen, wie der krasse Aussenseiter aus der Ostschweiz das Star-Ensemble der Grasshoppers im Joggeli mit 3:2 besiegte. Rogerio und zweimal Fabinho heissen die Torschützen, für GC treffen Richard Nunez und Ricardo Cabanas. Mit den Hafen-Millionen hatte dieser Coup aber nichts zu tun, sagt Bigger: «Das Geld der UBS war damals schon verbrannt.» Umso bemerkenswerter, dass der FCW sich die Sandoz-Trophäe krallte. 

Es ist bis heute der grösste Erfolg in der Klubgeschichte der Wiler. Zum Jahrhundertsieg aber reichts nicht. Der fand am 3. November 2002 statt – und ist bis heute der dritthöchste Triumph in der Geschichte des Schweizer Fussballs. Übertroffen nur noch vom Triumph von Lausanne, das den FCSG im März 1937 mit 15:2 geschlagen hatte. Und von den Young Boys, die am 13. Januar 1918 gegen die Old Boys Basel mit 15:3 gewannen.

Mit ähnlichen Fantasieresultaten ist am Samstag nicht zu rechnen. Mit einer vollen Hütte aber schon. 6000 Zuschauerinnen und Zuschauer werden für eine würdige Cup-Kulisse sorgen. Zum Stadionrekord reichts nicht. Der gehört dem Jahrhundertspiel, als 7300 Fans auf dem Bergholz Zeuge eines denkwürdigen Schauspiels werden. Und wer weiss, vielleicht wird auch Andreas Hafen unter den Zuschauern sein. 

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