Darum gehts
- Schweizer Extrembergsteiger bricht Everest-Rekordversuch ab
- Karl Egloff zeigt Verantwortung und Respekt gegenüber dem Berg
- Umkehr auf 6900 Metern Höhe wegen zu starkem Wind
Er kämpfte sich auf fast 7000 Meter über Meer – doch dann war Schluss. Karl Egloff (44), der Schweizer Extrembergsteiger, ist für seinen Rekordversuch am Mount Everest nicht bis ganz nach oben gekommen. Doch von einem Fehlschlag spricht hier keiner. Im Gegenteil: Der erfahrene Alpinist hat bewiesen, dass ihn nicht Ehrgeiz, sondern Verantwortung und Respekt gegenüber dem höchsten Berg der Welt antreiben.
Am späten Freitagabend nepalesischer Zeit startete Egloff vom Basislager auf 5364 Metern. Ziel: rauf zum Gipfel auf 8848 Meter – und wieder zurück. Ohne zusätzlichen Sauerstoff, ohne fremde Hilfe, nur mithilfe der Fixseile. Und das Ganze in unter 20 Stunden. Eine Bestmarke, die ihn in die Geschichtsbücher des Extremsports katapultiert hätte. Doch es kam anders.
«Der Gipfel, der Rekord – alles unwichtig, wenn der Berg nicht will»
Im Gespräch mit Blick wird schnell klar: Egloff ist kein Draufgänger. Er ist ein Mann mit Prinzipien, mit einem untrüglichen Gespür für die gefährliche Balance zwischen Risiko und Vernunft. «Die Saison am Everest war unheimlich schwierig, und perfekte Bedingungen gab es nie», sagt er nüchtern. Gescheitert? «Dieses Gefühl habe ich nicht.»
Dabei hätte alles so gut gepasst. Wochenlang bereitete sich der 44-Jährige akribisch auf den Aufstieg vor, stand körperlich und mental bereit. Doch die Natur liess sich nicht kontrollieren. Bereits beim Start war klar: Das Wetter ist unbeständig, der Wind zu stark. Egloff wagte es trotzdem – mit Bauchgefühl und Erfahrung als Kompass.
Die Entscheidung zur Umkehr traf er kurz vor Camp 3 – auf rund 6900 Metern Höhe. «Schon seit Tagen war die Wetterprognose sehr negativ. Viel zu viel Wind», erklärt er. «Ich bin schon skeptisch gestartet. Es gab eine Chance auf ein kurzes Fenster – aber je höher ich kam, desto klarer wurde mir: Das ist heute nicht mein Tag.»
Und dann traf er die Entscheidung, die ihm am meisten abverlangte – aber zugleich seine Grösse als Bergsteiger zeigt. Er drehte um.
Egloff stieg zurück ins zweite Camp. «Es wäre verrückt gewesen, im Wind der Todeszone zu bleiben», schildert er den Abbruch. Was für ihn auch zählt: Er ist wohlauf, kann zu seiner Familie zurückkehren. Er sei zufrieden, sagt Egloff. «Sehr sogar.» Klar, eine Enttäuschung sei da. «Man hätte es sich anders vorgestellt.» Aber letztlich zählt etwas anderes: «Der Berg wollte nicht – und dann ist das auch okay.»
«Die Berge gehen nicht weg»
Einen zweiten Versuch? Dieses Jahr wohl kaum. «Zurzeit habe ich es nicht vor», sagt er. «Es ist sehr viel Aufwand – aber vielleicht eines Tages.»
An der Motivation mangelt es ihm nicht. Auch nicht an Mut. Aber Egloff weiss, dass Mut nicht bedeutet, blind weiterzugehen. Sondern manchmal auch, rechtzeitig umzudrehen. «Es ist eine Gratwanderung, welches Risiko man eingehen muss – und welches man nicht eingehen darf.»
Und nein – seine Entscheidung wäre nicht anders ausgefallen, selbst wenn er keine Familie hätte, die in der Schweiz auf ihn wartet. «Die Berge gehen nirgends hin. Wir können es immer wieder versuchen.»