«Hörst du La Montanara, die Berge, sie grüssen dich. Hörst du mein Echo schallen und leise verhallen. Dort, wo in blauer Ferne die Welten entschwinden. Möcht ich dich wiederfinden, mein unvergessenes Glück.»
Was den Liverpoolern ihr «You'll never walk alone», ist den Menschen in der Leventina «La Montanara». Das Lied der Berge. Früher in der Valascia, seit einigen Jahren in der Gottardo Arena, sorgt «La Montanara», das Lied, das nur bei Siegen gesungen wird, für grosse Emotionen und Gänsehaut.
Aber das unvergessene Glück ist jetzt in blaue Ferne entschwunden. Ein mittleres Erdbeben hat die Bergidylle zerstört und den Dorfklub erschüttert. Sportchef weg, Trainer weg, der Präsident offeriert den Rücktritt. Das scheint im Millionenbusiness Sport überall möglich. Aber in Ambri?
Es ist passiert. Und der Hochverrat des Präsidenten ist auch die Geschichte einer zerstörten Illusion, vielleicht das Ende eines der letzten Märchen im Spitzensport.
Rütli-Schwur als Tessiner Versprechen
Ein Dorfklub aus der strukturschwachen Leventina, in den wichtigsten Positionen geführt von drei Tessinern. Ein Männerbündnis wie 1291 auf dem Rütli. «Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen. Wir wollen frei sein, wie die Väter waren, eher den Tod, als in der Knechtschaft leben», haben sich die Vertreter aus Uri, Schwyz und Unterwalden geschworen. So oder ähnlich haben sich das auch die drei Tessiner versprochen.
Vor allem die Jugendfreunde Paolo Duca und Luca Cereda vereinten alles, was im modernen Leistungssportbusiness so rar geworden ist. Verbundenheit zur heimischen Scholle, Stallgeruch, Herzblut, Leidenschaft. Jetzt werden sie hintergangen und werfen den Bettel hin. Es ist ein Trauerspiel. Und auf der Fahrt durch den Tunnel sieht man an dessen Ende nicht mehr das Licht. Ambri, das für Sportnostalgiker zu einem Sehnsuchtsort geworden ist, hat seine Unschuld verloren.
Ratlose Ambri-Fans
Der Judas heisst Filippo Lombardi. Ein Grenzgänger im Sinne des Wortes. Mit Heimatort Airolo. Er donnerte einst auch gerne etwas angesäuselt und mit überhöhter Geschwindigkeit nach den Sitzungen im Bundeshaus heim ins Tessin. Der Mann mit besten Beziehungen zur russischen Politik und Wirtschaft hat die dämlichste Kalberei des Jahres geliefert. Der Verrat an der eigenen Sache lässt die vielen Ambri-Fans auf beiden Seiten des Tunnels ratlos zurück.
Es waren einmal drei Freunde hinter den Gipfeln am Fusse des Gotthards. Sie sangen gemeinsam «La Montanara». Jetzt ist der Chor in seine Einzelteile zerflogen. Vielleicht war es zu märchenhaft, um wahr zu sein. Beste Freundschaften, das ewige Licht in stürmischen Zeiten? Lombardi hat das verspielt.
«Weit sind die Schwalben nach Süden geflogen. Über die ewigen Berge und Täler. Und eine Wolke kam einsam gezogen.»
Heisst es bei «La Montanara».