Darum gehts
- ZSC Lions in Krise: Trainer Marco Bayer trotz Niederlagen weiter unterstützt
- Bayer führte ZSC in letzter Saison zum Champions-League-Sieg und Meistertitel
- 16 Niederlagen in 29 Spielen, aktuell auf dem 8. Tabellenplatz
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Marcel AllemannReporter Eishockey
Von den bisher 29 Spielen in dieser Saison hat der amtierende Meister ZSC Lions schon 16 verloren. Mehr als die Hälfte. Das entspricht nicht den Ansprüchen der Zürcher mit ihrem hervorragend besetzten Kader.
An Trainer Marco Bayer wird aber nach wie vor nicht gerüttelt. Der 53-Jährige ist von den Löwen-Bossen ganz offensichtlich mit der Lizenz zum Verlieren ausgestattet worden. Dafür gibt es durchaus Argumente. Doch es gibt auch mehrere Punkte, die mittlerweile gegen Bayer als ZSC-Coach sprechen.
- Zürcher Geduld und Freys Prinzip: Ob in der heftigen Oktober-Krise oder auch jetzt beim zweiten Tief – Bayer wird von seinen Vorgesetzten gestützt. Eine Erklärung ist, dass man beim ZSC zu gut weiss, dass weder im Herbst, noch im Dezember je ein Team Meister geworden ist. Bis zu dieser Ausmachung dauert es noch einen Moment. Ein weiterer möglicher Grund: Bei den ZSC Lions ist gerade eine Stabsübergabe im Gang. Walter Frey (82) wird das Präsidium auf den 1. Januar an seinen Sohn Lorenz Frey-Hilti (35) übergeben. Walter Frey war nie ein Freund von hektischen Trainerentlassungen und in seinen letzten Wochen als Boss noch die Entlassung eines Trainers und erst noch eines Schweizers abzusegnen, dürfte dem SVP-Mann widerstreben.
- Bayers Verdienste: Als Marc Crawford (64) vor knapp einem Jahr über Nacht aus gesundheitlichen Gründen abtrat, gerieten die ZSC Lions in eine unerwartete Notsituation. Bayer, bis dahin Trainer bei Farmteam GCK Lions, war sofort bereit zu helfen und übernahm, obwohl es durchaus anspruchsvoll war, dieses Erbe anzutreten. Souverän führte Bayer den ZSC im Februar zum Champions-League-Triumph und im April zum Meistertitel. Wie er das alles managte, war stark. Einerseits durch diese Lockerheit und Freude, die er ausstrahlte, andererseits überzeugte auch sein Coaching. Bayer hat es sich verdient, dass man ihn nicht schon beim zweiten Windstoss in die Wüste schickt.
- Die Tabelle: Die ZSC Lions liegen derzeit zwar auf dem für sie unterirdischen Rang 8. Der Rückstand auf den zur direkten Playoff-Quali berechtigten Rang 6 von Lugano beträgt aber lediglich 3 Punkte, auf den jährlich zum Ziel erklärten Quali-Rang 4 der SCRJ Lakers sind es 7 Zähler bei einem Spiel weniger, das der ZSC ausgetragen hat. Noch ist es für den «Zett» absolut machbar, sich für die Playoffs in eine gute Position zu bringen, daher herrscht auch noch keine Panik. Aber Achtung: Am Sonntag kommts zum Direktduell gegen die Lakers – bei einer Niederlage würde die Lücke plötzlich gross.
- Die Stimmung: Trotz mehreren schwachen Heimauftritten – gepfiffen haben die Fans in der Swiss Life Arena erst einmal, nach der 2:3-Blamage gegen Ajoie. Auch wendet sich das Publikum nicht von der Mannschaft ab und es gibt auch keine «Bayer raus»-Rufe oder -Plakate. Mannschaft und Trainer zehren derzeit davon, wie viele Glücksmomente der ZSC seinem Anhang in den letzten zwei Jahren geschenkt hat. Aber wenn die Stimmung kippen und auch die Gastro-Umsätze einbrechen sollten, wird es für Bayer gefährlich.
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- Die Resultate: Pleiten gegen Teams aus dem unteren Tabellendrittel wie Ajoie, Bern, Ambri oder die SCL Tigers gehen mal zwischendurch, aber nicht in dieser Häufigkeit. Die ZSC Lions sind das Bayern München des Schweizer Eishockeys und man stelle sich vor, was dort los wäre, wenn die gegen Mainz, St. Pauli und Heidenheim verlieren würden. Von Tabellenrang 8 ganz zu schweigen.
- Der Ton: Bayer ist kein herumbrüllender Heissmacher, sondern ein Player-Coach, der seine Leitwölfe mit ins Boot holen will und die Stärken in der Gemeinschaft sieht. Doch scheinbar kann die Mannschaft mit dieser Eigenverantwortung längerfristig nicht umgehen und braucht deutlichere Ansagen. Es kann von Bayer aber nicht verlangt werden, dass er plötzlich tobt wie einst Crawford – dies wäre nicht authentisch. Ergo ist er offensichtlich der falsche Mann.
- Zu konservativ: In den Playoffs zeigte sich Bayer noch mutig, in den Krisenmomenten ist das Gegenteil zu sehen. Dass er zwischenzeitlich Altmeister Luca Cunti (36) von den GCK Lions hochholte, statt einem Jungen die Chance zu geben, fand nicht überall Anklang. Ebenso, dass er den diese Saison mit starken Statistiken glänzenden Ersatzgoalie Robin Zumbühl (27) ignoriert, wenn unbedingt Punkte hermüssen. In diesen Situationen wirkt Bayer sehr konservativ. Als hätte er Angst vor der eigenen Courage.
- Krisentauglichkeit: Bayer hat beim ZSC den Beweis noch nicht erbracht, dass er Krise kann. Die Niederlagenserie vom Oktober konnte er zwar durchbrechen, aber nur kurz, um dann bei nächster Gelegenheit wieder ins nächste Tief zu rutschen.







