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Tirol-Twins Nikolic
Schiri-Zwillinge aus Österreich erobern das Schweizer Eishockey

Seit dieser Saison pfeifen die Zwillinge Manuel und Kristijan Nikolic (31) in der Schweiz. Die Österreicher, die einst als Rettungssanitäter tätig waren, pendeln hin und her.
Publiziert: 22.02.2021 um 19:08 Uhr
Langnau-Trainer Rikard Franzen (M.) diskutiert mit Schiedsrichter Kristijan Nikolic (r.).
Foto: freshfocus
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Angelo Rocchinotti

Sie stehen unter enormem Druck, müssen innerhalb von Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen, werden keine Fan-Idole und selten geliebt. Viele glauben, es besser zu wissen. Und trotzdem gibt es Menschen, die sich der Herausforderung Schiedsrichter stellen, dafür einige Strapazen auf sich nehmen. Zwei von ihnen sind Manuel und Kristijan Nikolic.

Auch die beiden Österreicher wurden schon durch den Fleischwolf gedreht. «A Bierdusche tät eam wida mol guat, deam Pfosten.» Oder: «Wenn i den scho siech, kommt ma glei da Nachtmahl hoch.» Solche und ähnliche Einträge findet man in den sozialen Medien unter ganz gewöhnlichen Videos. Der eine Film handelt vom Leben eines Profi-Refs. Der andere zeigt Manuel, nachdem dieser – als erster Head Österreichs nach 23 Jahren – 2019 für die A-WM nominiert wurde.

«Sich beschimpfen zu lassen, muss man aushalten können»

Dabei machen die Tiroler einen sympathischen Eindruck, haben Humor. Im Gespräch mit BLICK flachst Kristijan, ob man das Interview – es findet über Google Meet statt – mit oder ohne Maske führen soll. Der 31-Jährige sagt: «Sich beschimpfen zu lassen, muss man aushalten können. Man braucht ein dickes Fell. Es gibt schwierige Zeiten. Da muss man durch und an sich arbeiten.»

Die Nikolics sprechen über das Thema, als würden sie von ihrem letzten Sommerurlaub erzählen. «Man sieht nur das schwarz-weisse Dress. Doch in diesem Dress stecken auch Menschen», sagt Manuel, der sich nach einem turbulenten Spiel aus den sozialen Medien zurückzog. «Es war meine erste A-WM. Die Emotionen gingen hoch. Wenn du auf Facebook oder Instagram 40 bis 50 private Nachrichten erhältst, ist das vielleicht lästig, belastet mich aber nicht so sehr. Ist die Kritik angebracht, wissen wir es meist schon, bevor jemand darüber schreibt», so der 31-Jährige und betont: «Wir wissen, was wir auf dem Eis machen, haben die Unterstützung des Supervisors und des Managements und bekommen Feedbacks.»

«Es nervt, wenn man etwas nicht mitbekommt»

Kristijan hat seinen Facebook- und Instagram-Account nicht gelöscht. Er sagt: «Es ist heute nahezu unmöglich, etwas nicht mitzubekommen. Aber ich versuche, den Fokus nicht darauf zu legen, lese keine Kommentare.» Auch sie würden sich über Fehler ärgern. «Es nervt, wenn man etwas nicht mitbekommt, im Wege steht oder ein schlechtes Positionsspiel hat. Das gehört zur Selbstkritik. Man muss zu seinen Fehlern stehen.»

Einen solchen Fehler unterlief seinem Bruder Manuel im Dezember in Biel. Nachdem sich ein Stock eines Spielers verkeilte, stürzte der Ref aufs Eis, renkte sich die Schulter aus und wand sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hin- und her. «Ich habe auf die Laufwege der Spieler falsch reagiert, hätte ein oder zwei Schritte mehr machen müssen», gab er sich selbstkritisch. Und pfiff, kaum war die Schulter wieder eingerenkt, unbeirrt weiter.

«National League gehört zu den besten Ligen in Europa»

In Österreich waren die Nikolics Profis. Als ihre Verträge letzte Saison ausliefen, schauten sie sich nach einer neuen Herausforderung um und klopften in der Schweiz an, wo sie im Rahmen eines Austauschprogramms bereits erste Spiele leiten durften. Obwohl sie keine Profi-Anstellung bekamen, entschieden sich für einen Wechsel. Denn: «Die National League gehört zu den besten Ligen in Europa.»

Seither pendeln die Tiroler. Sie werden pro Match entlöhnt und sind nebenbei berufstätig. Manuel arbeitet bei einer Versicherung. Kristijan ist Immobilienmakler. «Da die meisten Spiele am Wochenende stattfinden, lässt es sich gut bewältigen. Ansonsten haben wir die Möglichkeit, die Arbeit früher zu verlassen.» Kristijan bezog für einen Match in La Chaux-de-Fonds unlängst sogar Urlaub. «Die längste Fahrt nach Genf dauert sechseinhalb Stunden. Aber sie wird oft mit zusätzlichen Spielen verbunden. Dann übernachten wir in Hotels.»

Es kommt zu Verwechslungen

Gemeinsam haben die Zwillinge hierzulande noch keine Spiele geleitet. Auch in Österreich gab es sie nur selten zu zweit zu sehen, da die insgesamt vier Profischiedsrichter jeweils mit Jüngeren eingeteilt wurden. Zu Verwechslungen kommt es trotzdem. «Neulich kam ein Captain zu mir und wollte wissen, weshalb ich eine Aktion zwei Tagen zuvor anders beurteilt hätte. Ich musste ihm erklären, dass es sich dabei um meinen Bruder gehandelt habe», so Manuel.

Die Zwillinge sind überzeugt: «Die meisten Spieler akzeptieren uns.» Entscheidend sei auch der Charakter und die Persönlichkeit eines Schiedsrichters. «Ob man arrogant daherkommt oder versucht, miteinander zu arbeiten», so Manuel. «Es gibt Ligen, da sind die Spieler gedrillt, nicht mit den Unparteiischen zu reden. Ich hingegen glaube, sie sind froh, wenn man mit ihnen spricht, sie präventiv auf etwas aufmerksam machen kann, ehe man sie bestraft.»

«Übten so ziemlich alle Berufe gemeinsam aus»

Manuel und Kristijan bezeichnen sich selbst als «Parade-Zwillinge». Geboren und aufgewachsen sind die Beiden in Innsbruck. Sie spielten Fussball, Eishockey und «übten so ziemlich alle Berufe gemeinsam aus», wie Manuel erzählt. Ihren Zivildienst absolvierten sie beim Roten Kreuz, liessen sich zum Rettungssanitäter ausbilden und übten den Job anschliessend ehrenamtlich aus, waren auch beim Hausnotruf tätig. «Wir haben den Menschen immer gerne geholfen. Leider ging es zeitlich irgendwann nicht mehr auf.»

Zum Schiedsrichterwesen kommen sie mit 16 Jahren. Manuel sagt: «Es gibt keine geborenen Schiedsrichter. Als Kind willst du Profispieler werden. Wir waren als Spieler nicht schlecht, aber auch nicht gut genug, um Profi zu sein. Ein Schiedsrichter fragte uns auf dem Eis, ob wir nicht zu pfeifen beginnen wollen. Wir dachten: Warum nicht?»

«Vor dem Spiel ging mir die Düse»

Die Nikolics fahren zweigleisig, spielen und leiten Spiele. «So verdienten wir unser Taschengeld.» Bis sie sich festlegen müssen. «Es war gottseidank die richtige Entscheidung», sagt Manuel, der wie sein Bruder sogar zu Einsätzen in der AHL kam. «Eine coole Erfahrung. Aber vor dem Spiel ging mir die Düse», sagt Kristijan.

Um dem Schiedsrichtermangel entgegenzuwirken, lancierte der Verband eine Kampagne mit dem Titel «No Refs no Game» (www.norefsnogame.ch). Für Kristijan ist klar: «Wenn man sagen kann, dass man in der NL pfeift, ist das ein riesen Ding. Man ist im Spiel dabei. Es ist reizvoll, vor 17'000 Zuschauern zu pfeifen, auf diesem Niveau mithalten und sich ständig verbessern zu können.»

Auch den Schiedsrichtern fehlen die Zuschauer, auch wenn der Druck nun etwas geringer sei. Manuel: «Die Spielleitung hat sich nicht verändert. Fouls passieren. Dass weniger Emotionen im Spiel sind, ist das Einzige, was es derzeit vielleicht etwas einfacher macht. Zuschauer können viel mit Mannschaften bewirken, sie puschen.» Doch trotz den Pfiffen und den Beschimpfungen, die teilweise von den Rängen kommen, sagt der Tiroler: «Ohne Fans macht es nur halb so viel Spass.»

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