Das steckt hinter der grossen Rabattrevolution
Bei der Migros gibts statt 4000 Aktionen nur noch 40

Weil die Migros-Zentrale die zehn Regionalgenossenschaften entmachtet hat, schrumpft die Zahl der Aktionen von 4000 auf 400 pro Jahr. Für das Portemonnaie der Kunden seien das gute Nachrichten, betont der Konzern.
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Die Migros schraubt an den Aktionen – sie werden neuerdings schweizweit gesteuert, nicht mehr in den Regionalgenossenschaften.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Migros zentralisiert Aktionen landesweit für effizientere Steuerung und bessere Preise
  • Zahl der Aktionen sinkt von 4000 auf 400 pro Jahr
  • Für Konsumentinnen und Konsumenten soll sich nichts ändern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Beat SchmidWirtschaftsredaktor

Die Migros befindet sich in einem permanenten Umbau. Dieser betrifft auch die wöchentlichen Aktionen, die Konsumentinnen und Konsumenten in die Läden locken sollen. Diese Woche gab es unter anderem Delizio-Kaffeekapseln und Schweppes-Getränke zum halben Preis. Was bisher kaum jemand wusste: Die Aktionen werden neu landesweit zentral gesteuert.

Das ist ein Bruch mit der Vergangenheit. Früher konnte jede Regionalgenossenschaft mehr oder weniger eigenständig entscheiden, welche Promotionen sie durchführen wollte. Lag in Genf italienisches Olivenöl zum Aktionspreis in den Regalen, gab es in Rorschach SG Pasta zum halben Preis. Aus Sicht der Zentrale in Zürich führte dies zu einer unüberschaubaren Aktionsflut.

Das ist ineffizient. Die Erklärung dafür liegt in der Organisation des Migros-Konzerns, der im Kern aus zehn Regionalgenossenschaften und dem Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) besteht. Diese Struktur gewährt den regionalen Einheiten grosse Freiheiten bei Sortimentsgestaltung und Einkauf. Der Preis dafür ist jedoch eine Zersplitterung, die die Schlagkraft der Gruppe mindert. Besonders deutlich zeigt sich das bei Aktionen und Promotionen.

Wirrwarr mit 4000 Aktionen

An einer internen Veranstaltung diese Woche wurde aufgezeigt, dass innerhalb der Migros bisher schweizweit rund 4000 Aktionen pro Jahr durchgeführt wurden. Diese Zahl ergibt sich aus der Logik, dass zehn Regionalgenossenschaften je rund 400 Aktionen pro Jahr organisieren. Diese Flut wurde nun eingedämmt. Wie erklärt wurde, konnte mit der zentralen Steuerung die Zahl der Aktionen auf noch rund 400 pro Jahr gesenkt werden.

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Die Zentralisierung der Rabatte und Aktionen ist aus Sicht der Migros sinnvoll. Sie kann so ihre Einkaufskraft bündeln und bessere Preise bei den Lieferanten erzielen, als wenn jede Genossenschaft ihre Aktionen selbst organisiert. Für die Kundinnen und Kunden ändert sich wenig, da ihr Migros-Supermarkt weiterhin jährlich in etwa die gleiche Anzahl an Aktionen durchführt.

Auf Anfrage gibt sich die Migros zugeknöpft. Eine MGB-Sprecherin will sich nicht festlegen, wie viele Aktionen und Promotionen die Migros pro Jahr organisiert. Sie lässt jedoch durchblicken, dass es künftig auch mehr sein könnten: «Wir haben in diesem Jahr nicht nur die Preise massiv gesenkt, sondern auch den Promotionsumsatz erhöht. Unsere Kundschaft profitiert schweizweit von mehr Aktionen als in den Vorjahren», sagt sie. «Dank deutlich effizienterer Prozesse und kontinuierlicher Einsparungen bieten wir unserer Kundschaft attraktivere Angebote mit qualitativ hochwertigen Produkten zu günstigeren Preisen an.»

Die Zentralisierung von Einkauf und Aktionen ist einer der markantesten Eingriffe der Migros-Führung in die Hoheit der Regionalgenossenschaften. Doch dem Konzern bleiben kaum andere Optionen, um die Supermärkte effizienter zu machen und die Lücke zur Konkurrenz zu schliessen. Erzkonkurrentin Coop hat den Einfluss der Genossenschaften bereits vor vielen Jahren beschnitten – seither wächst der Rivale aus Basel schneller als die Migros.

Rolle der Migros Supermarkt AG

Ein wichtiges Element der Vorwärtsstrategie ist die Migros Supermarkt AG, die seit Januar 2024 operativ tätig ist. Ziel des MGB-Tochterunternehmens ist es, «entlang der gesamten Wertschöpfungskette» effizienter zu werden sowie «vereinfachte Prozesse, schlanke Strukturen und klare Rollen» zu schaffen, wie es bei der Gründung hiess. Sie ist ein zentrales Puzzleteil von Migros-Chef Mario Irminger (60), um den Detailhandelsriesen wieder auf Erfolgskurs zu bringen und gleichzeitig den Einfluss der Regionalgesellschaften zu begrenzen.

Der Umbauprozess wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Vieles läuft im Hintergrund ab und ist für die Kundinnen und Kunden im Laden kaum sichtbar, etwa der zunehmend zentral organisierte Einkauf. Andere Änderungen sind augenfälliger: So hat die Migros begonnen, ihr Sortiment um rund 1000 Produkte zu reduzieren. Als bekannt wurde, dass dabei auch M-Budget-Artikel verschwinden, kam es zu einem Aufschrei.

Wenn Produkte aus dem Sortiment genommen werden, soll dies möglichst unauffällig geschehen. Ein Beispiel: Gemahlene Haselnüsse gibt es heute in 400-Gramm- und 200-Gramm-Packungen, einmal als M-Budget-, einmal als M-Classic-Variante. Künftig soll ganzjährig nur noch eine 200-Gramm-Packung erhältlich sein. In der Adventszeit und vor Ostern, wenn in Schweizer Küchen besonders viel gebacken wird, kehren die 400-Gramm-Packungen temporär ins Regal zurück.

Kaum neue Filialen – trotz Bevölkerungsboom

Um aus der Wachstumskrise herauszufinden, hat sich die Migros von einer Reihe von Unternehmen getrennt, die zum Inventar des Konzerns gehörten, darunter Hotelplan, Do it + Garden und Melectronics. Stattdessen soll sich der Konzern wieder stärker auf sein Kerngeschäft, den Detailhandel, konzentrieren, der in den vergangenen Jahren gelitten hat.

Zur Strategie gehört auch, die Verkaufsflächen auszubauen. Ende Oktober kündigte die Migros an, 140 neue Filialen bis 2030 zu eröffnen. Damit will die Migros zu Coop aufschliessen, die die Zahl der Supermärkte in den vergangenen Jahren ausgebaut hat. Sogar in der Migros-Stadt Zürich expandierte Coop geschickt und eröffnete neue Quartierläden. Die Migros kam derweil nicht vom Fleck. Das ist erstaunlich angesichts des starken Bevölkerungswachstums – allein die Stadt Zürich zählt heute fast 60’000 Einwohner mehr als noch vor 20 Jahren.

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