Darum gehts
- Selbst ernannte «Pädo-Jäger» konfrontieren Mann am Zürcher Hauptbahnhof und rufen Polizei
- Polizei warnt vor Selbstjustiz und möglicher Strafbarkeit der privaten Ermittler
- Marvin Ojaghi gibt an, bereits 298 mutmassliche Pädophile aufgespürt zu haben
Am Donnerstagabend schlagen die selbst ernannten «Pädo-Jäger» am Zürcher Hauptbahnhof zu. Sie konfrontieren einen Mann, den sie als Pädophilen bezeichnen, rufen die Polizei – und filmen sich dabei.
Hinter der Aktion steckt das Team rund um Tiktok-Influencer Marvin Ojaghi (31). Im Blick erzählte er kürzlich, wie sie bei der «Jagd» vorgehen. Ojaghi gibt sich im Netz als Kind aus, chattet mit mutmasslichen Pädophilen. Wenn diese ein Treffen vorschlagen, tauchen er und seine Leute am Treffpunkt auf. Und stellen den mutmasslichen Pädophilen.
«Person auf freiem Fuss»
So eben auch am Donnerstagabend. Die Stadtpolizei Zürich bestätigt den Einsatz gegenüber Blick. «Die Person ist auf freiem Fuss», erklärt Sprecher Michael Walker. «Wir hatten keine genügenden Verdachtsmomente, um sie festzuhalten.»
Nun laufen gemäss Polizei die Ermittlungen. Kommt es zu einem Strafverfahren, werden die am HB anwesenden «Pädo-Jäger» wohl als Zeugen aussagen müssen. Sie können entsprechend nicht anonym bleiben.
Walker erklärt: «Solche privaten Ermittler müssen damit rechnen, dass sie bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft aussagen müssen, grundsätzlich auch in Gegenwart des Beschuldigten.» Das könne zu Repressalien führen.
Fragwürdig ist zudem, ob die gesammelten Beweise von Privatpersonen vor Gericht verwertbar sind. Walker betont, solche verdeckten Ermittlungen seien rechtlich sehr anspruchsvoll. «Deshalb sind sie auch bei der Polizei nur speziell ausgebildetem Personal vorbehalten.»
Tiktoker: fast 300 Pädophile aufgespürt
Somit bestehe das Risiko einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs. Denn häufig hätten sich die vermeintlichen Täter gar nicht strafbar gemacht.
Die Polizei lehne jede Form von Selbstjustiz ab. Entsprechend auch solche Aktionen. Sprecher Walker warnt zudem, private Ermittler könnten sich gar selbst strafbar machen.
Im Interview mit Blick gab Marvin Ojaghi an, bereits 298 mutmassliche Pädophile aufgespürt zu haben. Er selbst sei in einem Kinderheim aufgewachsen und habe dort früh Missbrauch beobachtet.
Zu seiner Motivation sagt er: «Ich will meinen Followern zeigen: Hey, die mutmasslichen Pädophilen kommen wirklich zum Treffen mit einem angeblichen Minderjährigen!»
«Eigene Machtfantasien ausleben»
Die Stadtpolizei Zürich sieht das skeptisch. Es gehe den selbst ernannten «Pädo-Jägern» oft weniger um den effektiven Schutz von Kindern, sondern vielmehr um Selbstdarstellung und Aufmerksamkeit auf Social Media.
Sprecher Walker findet deutliche Worte: «Eine vermeintlich gute Sache wird oftmals als Legitimation für die Erniedrigung, Blossstellung, Einschüchterung und Misshandlung anderer benutzt, und eigene Machtphantasien werden ausgelebt.»
Das Video der HB-Aktion haben die «Pädo-Jäger» inzwischen online gestellt. In den Kommentaren ernten sie Applaus. Doch ob die Aktion tatsächlich zur Verurteilung eines Täters führt – oder nur für Aufmerksamkeit im Netz sorgt – bleibt offen.