«Es gibt einen Geschirrspüler auf dem Platz»
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Campofelice wird moderner:«Es gibt einen Geschirrspüler auf dem Platz»

Felicita in Tenero
«Salü-Salü» begrüsst auf grösstem Campinglatz der Schweiz

Der grösste Schweizer Campingplatz ist ein Rundum-Camping-Spass-Disney-Dorf. Was in Tenero TI zum Camping-Standard gehört, gilt andernorts als Luxus. Ein Augenschein zum 70. Geburtstag des Campofelice.
Publiziert: 14:38 Uhr
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Aktualisiert: 17:59 Uhr
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Auf einer Fläche von 21 Fussballfeldern erstreckt sich der grösste Schweizer Campingplatz zwischen Verzasca (rechts) und dem Lago Maggiore (unten).
Foto: MASSIMO PEDRAZZINI

Darum gehts

  • Grösster Campingplatz der Schweiz: Campofelice im Tessin bietet vielfältiges Camping-Erlebnis
  • Steigende Ansprüche: Mehr Platz und Komfort für Camper gefordert
  • 400'000 Übernachtungen pro Jahr, 40 Prozent der Camping-Übernachtungen im Tessin
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Pascal ScheiberReporter Gesellschaft

Kinder radeln mit ihren Velos durch Wohnwagen-Gassen. Einige sind noch am Zmorge. Aus einem Pavillon schallt Musik. Mehrere Dutzend Frauen und Männer bewegen sich unter Anleitung eines Aerobic-Instruktors. Das ist der Alltag auf dem grössten Campingplatz der Schweiz. 

Der Campofelice ist so gross wie 21 Fussballfelder und liegt im Spickel zwischen dem Lago Maggiore und der Verzasca im Kanton Tessin. In der Hochsaison weilen hier knapp 3000 Menschen in Wohnwagen, Zelten und Bungalows. Bis auf den letzten Platz ist der Campofelice ausgebucht. 

«Salü-Salü», sagt einer und stellt sich vor. Er riecht nach Aftershave, das kurze dunkle Haar nach hinten gekämmt. «Ich bin Dani, aber mich kennt niemand unter Dani – ich bin Salü-Salü.» Der 63-jährige Urner arbeitet seit 25 Jahren auf dem Campingplatz. Er trägt ein hellblaues Shirt, stolz steht er vor seinem Reich: dem grossen weissen Unterhaltungspavillon. Gleich kommen die Kinder der Zirkusschule. Das fordert auch seine Aufsicht. 

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Stolz auf die eigene Spülmaschine: Susanne (43) und Mario Demmig (46) aus Mainz (D).
Foto: MASSIMO PEDRAZZINI

Pro Jahr verbucht der Campofelice 400’000 Übernachtungen. Das sind 40 Prozent der Campingübernachtungen im Kanton Tessin. In der ganzen Schweiz zählten die Campingplätze letztes Jahr 4,9 Millionen Übernachtungen – vor zwölf Jahren waren es zwei Millionen weniger. 

Weniger Camping ist mehr Camping

Gianfranco Patelli (81) wird im Golfwagen hinchauffiert. Er trägt ein weisses Hemd mit grünen Blumen. Mehr als 40 Jahre lang führte er den Campingplatz, dann übernahm sein Sohn Simone Patelli (49). «Die Ansprüche der Gäste sind gestiegen», betont der Senior. «Sie wollen und brauchen mehr Platz. Was früher als Luxus galt, verlangen die Gäste heute als Standard.» Glamping – also Glamour plus Camping – nennt sich das. 

Deshalb vergrösserte er die vermieteten Flächen um 30 Prozent und reduzierte deren Zahl von 1200 auf 700 Plätze. Gleichzeitig baute der Tessiner knapp 100 Bungalows und kam der hohen wie auch lukrativen Nachfrage nach. Aus wirtschaftlicher Sicht kein Einschnitt, sagt er. «Wir sind und wollen der grösste Camping der Schweiz bleiben.» Sein Sohn und er planen mittelfristig, ein Industrieareal nebenan abzureissen, um den Felice weiter auszubauen. «Es wäre sinnvoll, wenn die Schweiz mehr Campingplätze hätte.» 

Zahlen und Fakten zum Campieren in der Schweiz
  • 416 Campingplätze gibt es in der Schweiz.
  • 28’000 Stellplätze bieten die Schweizer Campingplätze an. Das sind 4000 weniger als zwölf Jahre zuvor.
  • Knapp 3 Millionen Übernachtungen zählten die Campingplätze 2012. Letztes Jahr verbuchten sie 4,9 Millionen Übernachtungen – das ist eine Zunahme von 65 Prozent in zwölf Jahren.
  • 173 Übernachtungen zählten die Campingplätze letztes Jahr im Schnitt pro Parzelle. Seit 2012 nahm diese Auslastung um 80 Prozent zu.

Nationen-Ranking: Wer in der Schweiz campiert

61,2 Prozent Schweiz
16,1 Prozent Deutschland
7,6 Prozent Niederlande
4 Prozent Frankreich
2,5 Prozent Vereinigtes Königreich
1,3 Prozent Spanien
1 Prozent Belgien
6,1 Prozent Andere Nationen

Quelle: BFS

MASSIMO PEDRAZZINI
  • 416 Campingplätze gibt es in der Schweiz.
  • 28’000 Stellplätze bieten die Schweizer Campingplätze an. Das sind 4000 weniger als zwölf Jahre zuvor.
  • Knapp 3 Millionen Übernachtungen zählten die Campingplätze 2012. Letztes Jahr verbuchten sie 4,9 Millionen Übernachtungen – das ist eine Zunahme von 65 Prozent in zwölf Jahren.
  • 173 Übernachtungen zählten die Campingplätze letztes Jahr im Schnitt pro Parzelle. Seit 2012 nahm diese Auslastung um 80 Prozent zu.

Nationen-Ranking: Wer in der Schweiz campiert

61,2 Prozent Schweiz
16,1 Prozent Deutschland
7,6 Prozent Niederlande
4 Prozent Frankreich
2,5 Prozent Vereinigtes Königreich
1,3 Prozent Spanien
1 Prozent Belgien
6,1 Prozent Andere Nationen

Quelle: BFS

Vom Pavillon, mitten auf dem Campingplatz, führt ein Strässchen zum See. Links und rechts, Gass um Gass, stehen Wagen neben Wagen auf den durchnummerierten Plätzen. Die Schweizer Campinglandschaft wirkt abgestimmt eintönig: grau und blau. Immer wieder tauchen dieselben Stühle, Tische und Grills auf. So, als hätten sich die Hersteller von Campingzubehör abgesprochen. Die Strassenschilder lassen die Gäste wissen, welche Kategorie und welchen Preis die befristeten Bewohner bezahlen. Und welchen Luxus sie sich gönnen: Frisch- und Abwasser sowie TV-Anschluss direkt ab Platz. 

Sind solche Annehmlichkeiten nötig? «Ja», sagt die deutsche Camperin Susanne Demmig (43). In der vordersten Reihe steht sie am See mit Wohnwagen, Mann und Kind. Sie zeigt auf die weisse Box neben der Eismaschine und der Luftfritteuse. Eine mobile Abwaschmaschine. «Früher wusch ich von Hand und immer alleine ab. So kann ich beim Wohnwagen bleiben und mich erholen.» Familie Demmig ist zwölf Tage hier, zum ersten Mal im Tessin. Sie spüren den harten Franken. 

«Teuer ist es auf jeden Fall, aber das ist mir egal», sagt Vater Mario (46). Der selbständige Baggerführer arbeite viel, gehe selten in die Ferien. Das mögliche Sparpotenzial schöpften sie indes aus: «Wir brachten Fleisch und Lebensmittel aus Deutschland mit.» Ansonsten könne er sich nicht beklagen, denn: «Schau dir die Aussicht an – das is guudi», sagt er grinsend aus seinem Campingstuhl.

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Seit 25 Jahren arbeitet Dani alias «Salü-Salü» auf dem Campofelice in Tenero im Festzelt. «Ich liebe meinen Job!»
Foto: MASSIMO PEDRAZZINI

Auf der Parzelle nebenan steht ein kleiner und spärlich eingerichteter Wohnwagen. Auf dem klappbaren Campingtisch steht ein Strauss Holztulpen. Janneke van den Hazel (54) schaut aus dem Vorzelt. «Zum Campieren brauchst du nicht viel, einen Wohnwagen und gute Leute», sagt die Niederländerin. Seit sieben Jahren fährt sie jedes Jahr zwölf Stunden mit ihrem Mann, den Kindern und ihrer Schwester ins Tessin und nach zwei Wochen wieder zurück. Weil der Wohnwagen zu klein ist, schlafen die Kinder in zwei kleinen Zelten draussen. «Wir schätzen und geniessen diesen einfachen Lebensstil», sagt Vater Bernard (58). «Campieren gehört zu unserer DNA.» In den nächsten Tagen besuchen sie das Verzascatal, Locarno und Ascona. 

Ausländische Gäste kompensieren Schweizer Rückgang

Deutsche und Niederländer gehören zu den verbreitetsten Nationen auf den Schweizer Campingplätzen. Seit Jahren nimmt die Zahl von ausländischen Campierenden zu. Im letzten Jahr buchten sie 1,8 Millionen Übernachtungen – so viele wie noch nie. Ihre jährliche Zunahme kompensierte den Rückgang der heimischen Camperschaft in den letzten drei Jahren. 

Zurück im Pavillon bei «Salü-Salü». Die Probe der Zirkusschule läuft. Noch drei Tage bis zum Auftritt vor der Camping-Gemeinde. Zwei Mädchen schwingen sich am Trapez, drei andere tappen auf grossen Gummibällen. Der Urner schaut sich um und kontrolliert, ob die kleinen Artistinnen und Artisten auch eingeschrieben sind. «Das hier ist kein Spielplatz», sagt er. Ein Knabe: «Hoi Salü-Salü!» Der Urner: «Alles bicibelli – süpermaximale?» Wenn er spricht, dann tönt es wie ein Mix aus Mundart, Italienisch und einem dezenten Höllandisch-Einfluss. Dass sein Italienisch nicht dem der Einheimischen nahekommt, liegt wohl am Umfeld.

Camping erholsamer als Hotel?

Umarmungen und Camping-Smalltalk. Seit sechs Jahren campiert eine Gruppe Obwaldner jeden Sommer unweit vom grossen Pavillon, immer am selben Ort. «Salü-Salü» kennt sie. Katja (42), ihre Kindergartenkollegin Petra (42) und deren Familien. «Hier haben auch wir Eltern Ferien. Die Kids kommen und gehen.» Mehrere Zelte verbauten die beiden Frauen zu einem Komplex. Sie bezeichnen sich als «überzeugte» Zeltlerinnen. Katja möchte sich nicht ausmalen, wie stressig Ferien im Hotel sein könnten. «Packen, an den Strand, ans Buffet – hier machen wir, was wir wollen, wann wir wollen», schwärmt Katja. Ihr Luxus? «Schraubheringe zur Befestigung des Zelts und eine Luft-Fritteuse.»

Unweit der Obwaldner Zelt-Ecke steht ein Einkaufsladen. Christine (55) und Urs Del Torchio (58) waren heute auf einer Velotour. Sie tragen ihre Helme noch immer und suchen im Kühlregal nach dem passenden Znacht. Die Auswahl habe sich in den letzten zwanzig Jahren stark vergrössert. «Heute gibt es hier alles, was ein Dorfladen zu bieten hat», sagt sie. «Die Camping-Infrastruktur hat sich ziemlich verändert, aber die Campierenden sind dieselben geblieben.»

So wie «Salü-Salü». Er bleibt noch zwei Jahre, dann wird er pensioniert. Was dann kommt, weiss er nicht. Ganz der Camper.

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