Darum gehts
- Asig-Genossenschaft Kreuzlingen ist in einer Finanzkrise. Ein Standort soll möglicherweise verkauft werden
- Vorstand beschuldigt kritische Genossenschafter als Verschwörungstheoretiker
- Genossenschafter wehren sich, Präsident reagiert gereizt
Kein Stein bleibt auf dem anderen bei der Arbeiter-, Bau- und Siedlungsgenossenschaft Asig Kreuzlingen im Kanton Thurgau. Die Genossenschaft hat in Weinfelden, Ermatingen und Kreuzlingen Liegenschaften, insgesamt leben dort fast 70 Parteien zur Kostenmiete. Heisst: Sie zahlen für die Wohnung nur so viel, wie sie auch tatsächlich kostet. Die Genossenschaft hat nicht das Ziel, Gewinn abzuwerfen. Gemäss Website will sie «das friedliche Miteinander der Bewohner und die gleichberechtigte Unterstützung aller Gruppen von Mitgliedern» fördern.
Davon ist man bei der Asig aber weit entfernt. Hier wird beleidigt, intrigiert, Angst verbreitet. Die Genossenschaftler sagen zu Blick: «Unser Präsident verhält sich schon länger nicht mehr sozial – und damit ist er dieser Aufgabe nicht würdig.»
Der Grund für den Zoff unter anderem: Geldsorgen. Mit 7 Millionen Franken hat die Genossenschaft einen riesigen Berg an Schulden, der Standort Kreuzlingen weist zahlreiche Mängel auf, das Geld zur Sanierung fehlt. Einzig der Standort Weinfelden steht einigermassen gut da.
«Zwiespältige Figuren»
Letztes Jahr machten dann Gerüchte die Runde, dass der kürzlich sanierte Standort Weinfelden verkauft werden soll. In einem Rundschreiben zum Jahreswechsel 2024/25 reagierte der Präsident auf die Gerüchte – und zog sie ins Lächerliche: Genossenschafter, die solche Gerüchte äusserten, seien «zwiespältige Figuren» und «Verschwörungstheoretiker». Die Gerüchte selbst: «schwachsinnig».
Daraufhin schrieb einer der Genossenschafter, Stephan Genz (37), im Januar einen offenen Brief an den Präsidenten. Der Vorwurf: Jegliche Kritik am Vorstand werde niedergemacht, eine anständige Kommunikation sei unmöglich. Eine «Wurfsendung» sei der offene Brief gewesen, so der Präsident in der Einladung zur GV im Mai. Genz habe mit seinem offenen Brief für «grosse Entrüstung und emotionale Bemerkungen» gesorgt.
Nur fünf Monate später war der «Schwachsinn» dann plötzlich nicht mehr so schwachsinnig. Die «Verschwörungstheoretiker» hatten recht! Im Mai dieses Jahres schrieb der Präsident unmissverständlich: «Etliche Genossenschafter» hätten «verständlicherweise» gefordert, dass man den kürzlich sanierten Standort Weinfelden verkaufen soll. «Der Marktwert der Liegenschaft Weinfelden ist fast gleich hoch wie die gesamte Schuldenlast der Asig», schrieb er.
Und: «Das Beste für uns alle ist, wenn Weinfelden endlich von der Asig getrennt wird.» Der Präsident zitiert damit einen namenlosen «Genossenschafter mit langjähriger Vorstandserfahrung». Weiter fragt er provokativ: «Ich persönlich finde, das ist ein weiser Ratschlag. Haben Sie auch eine Meinung dazu, geschätzte Genossenschafterinnen und Genossenschafter?»
Höhere Kosten
Vielen Leuten aus Weinfelden und Kreuzlingen reichte es. Denn schon vor der Kehrtwende des Präsidenten bezüglich des Verkaufs ist einiges vorgefallen, das ihr Vertrauen in den Vorstand ordentlich ramponiert hat. Im Oktober 2024 beispielsweise versuchte der Präsident, die Miete in Weinfelden um 10 Prozent zu erhöhen. Grund: «allgemeine Kostensteigerungen und ein Teuerungsausgleich» sowie «Anpassung an den Referenzzinssatz». Eine Berechnungsgrundlage gab es jedoch nicht.
Die Bewohner in Weinfelden beschritten den Rechtsweg. «Sofort hat er alles wieder zurückgezogen, die Mieterhöhung wurde gegenstandslos», sagt David Ueltschi (39), ehemaliger Obmann am Standort Weinfelden.
Auch die Buchhaltung des Kassiers der Genossenschaft, in die Blick Einsicht genommen hat, steht in der Kritik. «Ich musste ihm mehrmals seine eigenen Rechnungen korrigieren, weil sie einfach falsch waren!», sagt Miguel Ruiz (32), Genossenschafter aus Weinfelden. Darüber hinaus sollten die Bewohner in diesem Jahr fast 1000 Franken mehr Nebenkosten bezahlen als im Jahr davor. Unverhältnismässig, fanden viele. Der Kassier nimmt auf Anfrage dazu keine Stellung.
Für Verärgerung sorgte auch der mächtig gestiegene Personalaufwand innerhalb des Vorstands der Genossenschaft. Dieser betrug gemäss Erfolgsrechnung im Jahr 2024 fast 87'000 Franken. Im Jahr davor waren es noch bescheidene 17'000 Franken. Eine Erhöhung von über 400 Prozent! Und das bei einem gewaltigen Schuldenberg.
«Dubiose Anfrage»
Die kritischen Mitglieder stellten Fragen, waren unbequem. Das passe dem Präsidenten nicht. «Er hat uns auf der Latte, weil wir uns wehren», sagen sie. Es herrsche ein «Klima der Angst» bei der Asig. Die Kommunikation sei «aggressiv».
Auf Anfrage scheint sich zumindest letzterer Punkt zu bewahrheiten. Der Präsident wettert gegenüber Blick: «Mit Ihrer dubiosen Anfrage zu einer Stellungnahme konfrontieren Sie unsere Genossenschaft mit massiv rufschädigenden Behauptungen und Falschinformationen von anonymer Quelle.» Der ausführliche Fragenkatalog und die Gelegenheit zur Stellungnahme von Blick habe den Vorstand «entwürdigt». Die Fragen beantwortet er nicht.
Die Generalversammlung von Ende Juni war dann auch ein Debakel. «Es wurde laut, der Präsident war wütend, und der Kassier ist sogar ausgerastet», sagt einer der Genossenschafter.
Abgewählt wurde der umstrittene Präsident nicht, auch die Schuldenfrage ist weiterhin offen. Das «friedliche Miteinander der Bewohner und die gleichberechtigte Unterstützung aller Gruppen von Mitgliedern» bleiben bei der Genossenschaft eine Floskel.