Darum gehts
- Klimawandel bedroht Schweizer Gletscher, Experten suchen nach Schutzmassnahmen
- Abdecken mit UV-beständigen Stoffen und künstliche Beschneiung als mögliche Lösungen
- Bis 2100 könnte der Grossteil der 1400 Schweizer Gletscher verschwunden sein
Nicht erst seit der Katastrophe von Blatten VS ist klar, dass sich die Folgen des Klimawandels in der Schweiz immer deutlicher zeigen. Insbesondere in den Alpenregionen ist die globale Erwärmung zunehmend spürbar. Sichtbar wird die Bedrohung durch steigende Temperaturen an den heimischen Gletschern.
Noch ist die Schweiz das Gletscherzentrum Kontinentaleuropas. Rund 1400 der majestätischen Riesen zählt das Alpenland – doch es werden weniger. 1000 kleinere sind bereits verschwunden, wie die Nachrichtenagentur AP schreibt. Ein herber Verlust, nicht nur für die Tourismusbranche.
Einer der meistbesuchten Gletscher in der Schweiz ist der Rhonegletscher. Bekannt für seine beeindruckende Grösse, gilt er als beliebtes Ausflugsziel. Die zunehmende Schmelze führt jedoch auch zu Sorgen über die zukünftige touristische Nutzung und die Erhaltung des Gletschers.
Steigende Temperaturen und weniger Schnee
Doch wie lassen sich die Eisriesen schützen, und welche Auswirkungen haben deren Verschwinden auf die Schweiz? Blick hat beim Experten und Leiter für das Institut für angewandte Glaziologie an der Fachhochschule Graubünden, Lifa Imad, nachgefragt.
«Damit die Gletscher weiterhin bestehen bleiben, sollten sie gefroren bleiben. Das bedeutet, dass die Temperatur auch im Sommer nicht über 0 Grad sein sollte. Anderenfalls schmilzt das Eis», erklärt Imad mit Blick auf zunehmend heisser werdende Sommer.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: «Hat es im vorangegangenen Winter wenig Schnee gegeben, schmilzt mehr vom Gletscher ab, als nachgebildet wurde. Dadurch schrumpfen die Gletscher und sie ziehen sich zurück», so der Experte. Der vergangene Winter war hierzulande recht mild und schneearm, wie meteorologische Rückblicke zeigen.
Abdecken und künstlicher Schnee
Eine bewährte Möglichkeit, das Abschmelzen der Gletscher zumindest zu verlangsamen, ist das Abdecken mit Stoffen. «Diese Technik ist seit etwa 20 Jahren bekannt», erzählt Imad. Die Stoffe «sind UV-beständig. Sie isolieren und reflektieren die Sonnenstrahlung. Die Schutzwirkung ist nachgewiesen. Dieser Schutz verzögert das Abschmelzen des Eises. Dadurch könnte ein schneearmer Winter ausgeglichen werden.»
Eine weitere Technik zur Eindämmung der Gletscherschmelze wurde jüngst von der Fachhochschule Graubünden und anderen Fachhochschulen erforscht. «Die Technik der Seilbeschneiung wurde im Feld in Diavolezza GR erfolgreich getestet. Das Ziel ist es dabei, den Gletscher mit künstlich erzeugtem Schnee zu isolieren.» Zum Einsatz kam die neue Methode noch nicht.
Wird das Trinkwasser bald knapp?
Unsere Gletscher sind allerdings weit mehr als beliebte Orte für Touristen. Sie sind auch eine wichtige Lebens- und Energiequelle der Schweiz. Sie sind Trinkwasser- und Bewässerungslieferant bis über die Landesgrenzen hinaus. Ausserdem sichern sie den Grossteil der Stromversorgung. Was, wenn die Eisquellen versiegen?
«Grobschätzungen besagen, dass bis zum Jahr 2100 der überwiegende Teil der Gletscher verschwunden sein würde. Ab 2150 soll es keine Gletscher mehr geben», so die traurige Wahrheit. «Aber man darf die Tatsache nicht vernachlässigen, dass das Schmelzwasser nicht völlig im Baugrund versickert. Es würden sich Alpenseen und Quellen bilden. Auch die Bereicherung des Grundwassers kann die Wasserversorgung weiterhin sichern», gibt Imad Hoffnung. Doch: «Es wäre jetzt schon zukunftsweisend, wenn man die Grundlagen dafür schaffen würde.»