«Ich werde Gegenanzeige stellen»
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Vater von Mobbing-Opfer:«Ich werde Gegenanzeige stellen»

Mobbing, Gewalt, Spitalbesuche – laut Eltern eskaliert es an einer Schule in Kölliken AG
«Wir fühlen uns nicht ernst genommen!»

Besorgte Eltern melden massive Mobbing-Probleme, die an der Schule Kölliken im Kanton Aargau bestehen sollen. Einblicke in Whatsapp-Chats der Eltern und Spitaldokumente schockieren. Von der Schule fühlen sie sich im Stich gelassen.
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Astrid Meister (36) und ihr Partner Markus Scheidegger (54) fühlen sich von der Schule im Stich gelassen.
Foto: Karin Frautschi

Darum gehts

  • Mobbing und Gewalt an Schule Kölliken, Eltern fühlen sich nicht ernst genommen
  • Schüler erleiden Verletzungen, Schulleiter dementiert Vorwürfe und betont schnelles Handeln
  • Vier Polizisten erteilen Platzverweis, Eltern planen Termin bei der Polizei
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Hier wird beleidigt, gedroht und körperliche Gewalt ausgeübt: An der Schule Kölliken sollen Mobbing und Tätlichkeiten an der Tagesordnung stehen. Dies berichten besorgte Eltern von betroffenen Schulkindern. Einzelne Kinder mussten gar ins Spital. 

Gemäss den Eltern werden die Fälle der Schule gemeldet. Doch die soll nichts dagegen unternehmen. So sagt Mutter Astrid Meister (36) zu Blick: «Wir Eltern fühlen uns von der Schule nicht ernst genommen.»

«Ich bin wütend und enttäuscht von der Schulleitung»
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Mutter von Mobbing-Opfer:«Ich bin wütend und enttäuscht von der Schulleitung»

Auf Sohn eingeschlagen

Die Mutter berichtet vom neusten Vorfall: Ihr Sohn Noah* habe am freien Freitagnachmittag mit einem Freund Fussball auf dem Platz neben der Schule gespielt. Als zwei Mitschüler aufgetaucht seien, sei es zu einem Streit gekommen, der mit Prügel geendet habe. «Mein Sohn lag auf dem Boden und konnte sich nicht wehren, weil ein weiterer Junge auf seinen Händen sass und auf Noah einschlug», schildert die Mutter den Vorfall. Schliesslich eilte Noahs Freund zur Hilfe und zog den Prügler weg.

Anzeige statt Massnahmen

Meister wollte daraufhin die Situation gleich mit der Mutter des Prüglers klären, doch sie sei vertröstet worden. Als sie schliesslich bis Montag nichts hörte, platzte ihr und ihrem Partner Markus Scheidegger (54) der Kragen. Scheidegger rief den Schulleiter Philippe Fehr an und forderte Massnahmen gegen die Mobber.

Doch stattdessen wurde er angezeigt. «Am Montagabend standen vier Polizisten vor meinem Haus. Sie erteilten mir einen Platzverweis des Schulareals bis zu den Weihnachtsferien und teilten mir mit, dass die Schule mich wegen Bedrohung angezeigt hat.» Die Kantonspolizei Aargau bestätigt den Einsatz auf Anfrage von Blick.

Mit Lederkutte zur Schule

Der Grund für die Anzeige: Nach einem älteren Vorfall im November – fünf Jungs wollten auf dem Heimweg auf Stiefsohn Noah losgehen, doch er konnte flüchten – tauchte Scheidegger in Lederkutte seines Ex-Motorradclubs in der Schule auf. Er gibt zu: Er sei laut geworden, habe aber nicht gedroht. Das Kleidungsstück sollte nur dafür sorgen, dass er «genügend Aufmerksamkeit erhalte».

Scheidegger vermutet nach der Anzeige: «Die Schule will mich so zum Schweigen bringen. Dabei sind wir nicht die Täter, wir sind die Opfer. Wir kämpfen nur für die Gerechtigkeit von Noah und den anderen Mobbingopfern der Schule.»

Meister und Scheidegger zeigen den Gesprächsverlauf innerhalb einer Whatsapp-Gruppe von Eltern, die sich zusammengetan haben, um sich untereinander über die Vorgänge an der Schule auszutauschen. Die Erzählungen schockieren. Dazugehörige Aufnahmen machen sprachlos.

Weitere Betroffene

So ist etwa ein Junge mit einer verkratzten Wange zu sehen. Oder ein Mädchen mit einer aufgerissenen Lippe. Auch Spitalberichte halten Verletzungen fest. So erzählen die Eltern, Nadine Rauber und Cedric Hiltebrand, wie ihr jüngerer Sohn nach einem Faustschlag ein leichtes Schädeltrauma erlitt. Der ältere Sohn hingegen leide unter Rückenproblemen, weil er von Mitschülern gepackt und über die Schulter geworfen worden sei.

Eine weitere Mutter berichtet, dass ihr Sohn im Primarschulalter seit Jahren massiv gemobbt und körperlich angegriffen wird. Er werde regelmässig beleidigt, gebissen, geschlagen und provoziert. Laut ihrem Sohn habe eine Lehrerin ihn sogar einmal als «Hundesohn» bezeichnet. Ausserdem habe er Morddrohungen erhalten. 

Besonders perfide: Die Mobber erstellten in der Vergangenheit Sticker mit den Fotos von Mitschülern und -schülerinnen und schrieben Sprüche dazu. Neben dem Gesicht einer Schülerin steht: «Komm, ich gebe dir Küssli und Löchli» oder «Ja, komm, spritz mich an Papi!», begleitet von einem Auberginen-Emoji.

Die Vorwürfe vieler Eltern gehen direkt an die Adresse des Schulleiters, sagt auch Rauber: «Er sagt immer, man kümmere sich darum, doch seit Jahren passiert nichts. Ich versuche ihn manchmal mehrmals am Tag zu kontaktieren und beharre darauf, dass dringend etwas geschehen müsse. Der Schulleiter tut uns aber immer ab und nimmt uns nicht ernst.»

Schulleiter dementiert Vorwürfe

Auf Anfrage von Blick erklärt Schulleiter Philippe Fehr: «Wenn wir von einem Fall von Gewalt, Mobbing oder Ausgrenzung erfahren, handeln wir immer und schnell. Wir nehmen diese Themen sehr ernst.» Bei Konflikten versuche man, die Situation zu klären. So hätten sie dies auch in den oben beschriebenen Fällen gemacht, von denen die Schule Kenntnis hatte. 

Fehr sagt weiter: «Eltern möchten meistens sofortige Problem-Lösungen. Doch gerade bei Mobbing-Fällen sind dies meist längerfristige Prozesse.» Hinzu komme: Wenn Vorfälle nicht während der Unterrichtszeit, sondern auf dem Schulweg oder in der Freizeit passieren, sei die Situation noch schwieriger für die Schule. 

«Auch Cybermobbing sei seit Jahren ein zunehmendes Problem», sagt er angesprochen auf die von Mitschülern erstellten Foto-Sticker, von denen er bisher nichts wusste. «Wenn wir Kenntnis von solchen Fällen haben, ziehen wir direkt die Polizei bei», sagt er.

Die Schule habe nur teilweise Kenntnis von weiteren Vorfällen. Oft werde ihnen nicht alles gemeldet. Dass an der Schule seit Jahren ein massives Mobbing-Problem bestehen soll, bestreitet Fehr. «Die Fälle von Gewalt-Exzessen oder Mobbing haben tendenziell abgenommen. Dafür werden die Fälle, die heutzutage vorkommen, viel intensiver wahrgenommen.» Zum Platzverweis von Scheidegger will sich Fehr nicht äussern.

Weil sie sich nicht ernst genommen fühlen, wollen Meister und Scheidegger die Sache nun selbst in die Hand nehmen. Am Sonntag ist mit den anderen Eltern ein gemeinsamer Termin bei der Polizei geplant, um sich über die aktuelle Mobbing-Situation auszutauschen.

* Name geändert 

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