Darum gehts
- Die Schweizer Regierung setzt neu auch auf Wirtschaftsvertreter – mit «anderen Zugängen»
- Nach dem Zollhammer im April gab es die Idee, eine US-Lobbyfirma in der Zollfrage zu engagieren
- Doch der Bundesrat verzichtete. Er meinte, keine professionelle Hilfe von aussen zu benötigen
Auf dem Tisch von Donald Trump (79) lag ein Deal. Fertig verhandelt, ministeriell abgesegnet, bereit zur Unterschrift. Die Schweiz hat dann aber keine Signatur erhalten, sondern eine Zahl: 39 Prozent. Der exorbitante Zolltarif ist ein Debakel für den Bundesrat – und ein Lehrstück über die Grenzen der klassischen Diplomatie.
In Trumps Welt zählen keine sauber ausgearbeiteten Abkommen, keine diplomatischen Gepflogenheiten, sondern Beziehungen, der persönliche Kontakt. Die Botschaft ist mittlerweile in Bundesbern angekommen. In den andauernden Zollverhandlungen setzt der Bundesrat neu auch auf Schweizer Wirtschaftsvertreter, die in Washington «andere Zugänge» hätten, so Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) an einer Medienkonferenz am Donnerstag. Aus der Verwaltung ist zu hören, die Schweiz brauche jemanden, der bis ins Oval Office vordringe. Eine Person, die Trumps Ohr gewinnt und ihn dazu bringt, die Zölle zu senken.
In Washington gibt es eine ganze Industrie dafür. Lobbyfirmen, die Türen aufstossen, Anliegen platzieren und Präsidenten beeinflussen. Staaten aus aller Welt setzen darauf. Auch die Schweiz spielte kurz mit dem Gedanken. Laut Recherchen von SonntagsBlick brachte Seco-Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) die Idee ins Spiel, eine US-Lobbyfirma im Zusammenhang mit Zollfragen einzuschalten – kurz nach Trumps Zollankündigung im April. Auf Ebene Bundesrat entschied man sich allerdings dagegen. Die Landesregierung war der Ansicht, sie benötige keine professionelle Hilfe von aussen.
Kritik am Bundesrat wächst
SonntagsBlick hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) damit konfrontiert. Auf die Anfrage hat das übergeordnete Wirtschaftsdepartement (WBF) reagiert, wobei sich die Medienstelle zurückhält. Im Telefonat sagt eine Sprecherin: «Wir äussern uns nicht dazu.» Auf eine Mailanfrage antwortet das WBF mit einem Satz: «Der Bundesrat resp. die betroffenen Departemente haben keine Lobbyfirma im Zusammenhang mit Zollfragen engagiert und planen dies auch nicht.»
Gut möglich, dass sich das WBF nicht weiter dazu äussern möchte, weil das Thema politisch heikel ist. Seit der gescheiterten Last-minute-Reise diese Woche wächst die Kritik am Bundesrat: Zu lange habe er geglaubt, es zeichne sich ein Deal ab. Zu sehr habe er sich auf offizielle Kanäle und geregelte Abläufe verlassen. Auf Dinge, die Trump mit Füssen tritt.
Die Zollepisode erstaunt aus einem weiteren Grund: In einem anderen Dossier griff der Bundesrat sehr wohl auf eine US-Lobbyfirma zurück. Anfang Jahr drohte die US-Regierung, den Zugang zu KI-Chips einzuschränken. Der Bundesrat engagierte daraufhin eine renommierte US-Anwaltskanzlei, mit dem Auftrag, die Schweiz müsse wieder vollen Zugang zu Computerchips erhalten. Im Vertrag stand explizit erwähnt, die Lobbyisten könnten den Bund auch in «anderen Angelegenheiten» beraten, namentlich «in Bezug auf Zölle oder andere handelsbezogene Fragen». Nun ist klar, dass der Bundesrat auf diese Dienste verzichtet hat.
Mission Washington läuft noch
Derweil ist Staatssekretärin Budliger Artieda in die Schweiz zurückgekehrt, heisst es vom Seco. Mit einer kleinen Delegation versuchte Budliger Artieda, in Washington alle möglichen Kanäle zu nutzen, auch jene, die nicht im diplomatischen Protokoll stehen. Unterstützt wurde sie von Gabriel Lüchinger (48), dem Sondergesandten des Bundesrats für die USA, mit gutem Beziehungsnetz im Sicherheitsbereich. Lüchinger kennt unter anderen den US-Sondergesandten Steve Witkoff (68), einen langjährigen Freund und Golfpartner Trumps.
Der Bundesrat versucht, in den USA neue Wege zu gehen. Alle Möglichkeiten schöpft er dabei aber nicht aus. Es besteht weiterhin die Option, eine US-Lobbyfirma zu beauftragen.