Darum gehts
- Ausschaffungsquoten ohne Kontext können täuschen, Einzelfälle sind entscheidend
- Landesverweisung ist nicht gleich Vollzug, internationale Schutzpflichten spielen eine Rolle
- Bei Mord liegt die Vollzugsquote bei 38 Prozent, bei Vergewaltigung unter 50 Prozent
Auf den ersten Blick sind es irritierende Zahlen: Etwa 62 Prozent der wegen Diebstahls mit Hausfriedensbruch verurteilten Ausländer werden in der Schweiz ausgeschafft – bei Vergewaltigung jedoch weniger als die Hälfte, bei Mord sogar nur 38 Prozent. Die Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) erwecken den Eindruck, dass Einbrecher häufiger ausgeschafft werden als verurteilte Mörder oder Vergewaltiger.
Rechtsanwältin Antonia Straden, spezialisiert unter anderem auf Straf- und Migrationsrecht, erklärt, was hinter den Zahlen steckt und welche Faktoren bei Ausschaffungen eine Rolle spielen.
Straden betont, dass Ausschaffungsquoten nicht ohne Blick auf die Fallzahlen verstanden werden können: «Bei sehr kleinen Fallzahlen ist die statistische Unsicherheit hoch. Eine Änderung um einen einzigen Fall kann die Prozentzahl stark beeinflussen.»
Die Zahlen zu Mord und Vergewaltigung schwanken also stark. Bei Delikten wie Diebstahl mit Hausfriedensbruch oder Drogendelikten dagegen gibt es viel mehr Verurteilungen – die Prozentwerte sind stabiler: «Das bedeutet, dass die angegebenen Prozentzahlen bei Verurteilungen aufgrund des Mordes/der Vergewaltigungen weniger verlässlich sind.»
Wie die Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen, wurden im vergangenen Jahr 964 Ausländer wegen Diebstahls in Verbindung mit Hausfriedensbruch, 499 wegen Diebstahls und 199 wegen Raubes verurteilt. 44 Ausländer wurden wegen Vergewaltigung verurteilt, sechs wegen Mordes.
Die Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) beziehen sich auf den Vollzug einer Ausschaffung, nicht auf die Anordnung durch ein Gericht.
Wenn ein Gericht jemanden verurteilt, ordnet es bei schweren Delikten – darunter Mord, schwere Sexualdelikte, Raub und Einbruchdiebstahl – oft eine Landesverweisung an. Die jeweilige Person muss die Schweiz verlassen. Diese Anordnung bedeutet jedoch nicht, dass sie sofort ausgeschafft werden kann.
Die Statistik misst, ob die Ausschaffung tatsächlich durchgeführt (vollzogen) werden konnte. Der Unterschied ist wichtig: Zwischen Anordnung und Vollzug können Jahre liegen, und der Vollzug ist oft rechtlich oder praktisch nicht möglich. Mögliche Gründe, warum der Vollzug scheitert:
- Internationale Schutzpflichten: Die Schweiz darf niemanden in Länder abschieben, wo Folter oder politische Verfolgung drohen.
- Praktische Hindernisse: Heimatstaaten stellen keine Reisedokumente aus oder verweigern die Rücknahme.
- Lange Haftstrafen: Die Ausschaffung kann erst nach Entlassung aus dem Strafvollzug erfolgen, was bei Taten wie Mord Jahrzehnte dauern kann.
Wenn die Statistik tiefe Vollzugszahlen zeigt, bedeutet das nicht, dass Gerichte die Landesverweisung nicht ausgesprochen hätten, sondern dass der Vollzug noch nicht möglich oder zulässig war.
Antonia Straden ist Rechtsanwältin bei Peyer Partner Rechtsanwälte in Zürich. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte umfassen das Strafrecht, Migrationsrecht und Ausländerrecht, in welchen sie Mandanten berät und vertritt. Nach Abschluss ihres Studiums der Rechtswissenschaften (MLaw) und des Bachelor of Law and Economics an der Universität St. Gallen (HSG) im Jahr 2022. 2025 erwarb Straden das Anwaltspatent. Vor ihrem Eintritt bei Peyer Partner Rechtsanwälte im Jahr 2025 war sie als Anwältin in einer Boutique Kanzlei mit Fokus auf Tech-Startups tätig.
Antonia Straden ist Rechtsanwältin bei Peyer Partner Rechtsanwälte in Zürich. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte umfassen das Strafrecht, Migrationsrecht und Ausländerrecht, in welchen sie Mandanten berät und vertritt. Nach Abschluss ihres Studiums der Rechtswissenschaften (MLaw) und des Bachelor of Law and Economics an der Universität St. Gallen (HSG) im Jahr 2022. 2025 erwarb Straden das Anwaltspatent. Vor ihrem Eintritt bei Peyer Partner Rechtsanwälte im Jahr 2025 war sie als Anwältin in einer Boutique Kanzlei mit Fokus auf Tech-Startups tätig.
Beispiel 1: Der in der Schweiz geborene Spanier (6B_209/2018)
Ein Mann, 1985 in der Schweiz geboren, wurde 2017 unter anderem wegen Raubes verurteilt. Trotzdem entschied das Bundesgericht, dass eine Ausschaffung nicht zulässig sei. Der Grund: Der Mann hat «immer in der Schweiz gelebt», seine Mutter, Grossmutter sowie seine beiden kleinen Kinder leben hier, wie es in der Beurteilung heisst. Er habe keine familiären oder sozialen Beziehungen zu Spanien, wie das Bundesgericht hervorhob.
Beispiel 2: Der Kosovare, seit 27 Jahren in der Schweiz (6B_587/2020)
Ein heute 45-jähriger Kosovare wurde 2020 wegen mehrfachen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Obergericht Aargau wollte ihn für fünf Jahre ausschaffen. Das Bundesgericht stoppte dies jedoch. Entscheidend war in diesem Fall, dass der Mann im Alter von 18 Jahren während des Kosovokriegs in die Schweiz migriert war und seit 27 Jahren hier lebt. Seine enge Beziehung zu seinen zwei Söhnen – insbesondere zum damals zehnjährigen – wiege schwer, beurteilte das Bundesgericht. Zudem liege der Betrug «im untersten Bereich des Strafrahmens», hiess es.
Bei Mord sind die Strafen lang. Eine Ausschaffung kann erst nach der Entlassung aus dem Strafvollzug erfolgen – oft nach Jahrzehnten. Straden weist darauf hin: «Die zeitliche Komponente könnte hier eine Rolle spielen.» Es könnte sein, dass einige Straftäter noch nicht in der Phase sind, in der der Landesvollzug vollzogen werden würde.
Abschliessend lässt sich sagen: Die Zahlen des SEM sind korrekt – aber ohne Kontext missverständlich. Die tieferen Vollzugsquoten bei schweren Delikten bedeuten nicht, dass der Staat milder mit Mördern oder Vergewaltigern umgeht. Sie spiegeln wohl kleine Fallzahlen, rechtliche Schutzmechanismen und praktische Hürden wider. Oder, wie Straden es zusammenfasst: «Der Einzelfall ist zentral.»
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag und Donnerstag ab 19:30 Uhr sowie jeden Mittwoch um 12.30 Uhr mit Host Zeki – einfach mitmachen und absahnen!
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
Push aktivieren – keine Show verpassen
Jetzt downloaden und loslegen!
Live mitquizzen und gewinnen
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag und Donnerstag ab 19:30 Uhr sowie jeden Mittwoch um 12.30 Uhr mit Host Zeki – einfach mitmachen und absahnen!
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
Push aktivieren – keine Show verpassen
Jetzt downloaden und loslegen!
Live mitquizzen und gewinnen