«Haben es bis heute nicht verarbeitet»
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Unwetter nahm ihnen alles:«Haben es bis heute nicht verarbeitet»

Unwetter in Brienz BE zerstörte ihr Leben
«Wir haben unseren Haushalt verloren – und die Versicherung knausert!»

Ein Unwetter in Brienz BE hat das Leben von Rhea Brand und Cyril Kammer drastisch verändert. Das Paar verlor sein Zuhause und kämpft seitdem mit finanziellen Schwierigkeiten und bürokratischen Hürden.
Publiziert: 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 11:38 Uhr
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Cyril Kammer (30) und Rhea Brand (26) haben beim Unwetter in Brienz BE den grössten Teil ihres Haushalts verloren.
Foto: Helena Graf

Darum gehts

  • Unwetter in Brienz BE teilt Leben von Paar in ein Vorher und Nachher
  • Das Paar verliert sein Zuhause, kämpft mit finanziellen Schwierigkeiten und bürokratischen Hürden
  • 15'000 Franken Schaden durch verlorenen Hausrat, keine Entschädigung erhalten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Helena GrafReporterin

Das Unwetter in Brienz BE vergangenen Sommer hat das Leben von Rhea Brand (26) und Cyril Kammer (30) in ein Vorher und Nachher geteilt. Ein Vorher, als sie zusammen in einer kleinen Wohnung in Kammers Kindheitshaus lebten. Ein Nachher, als sie nur noch Unterschlupf beim örtlichen Pfarrer fanden.

12. August 2024. Cyril Kammer und Rhea Brand sind zu Hause als das Unwetter aufzieht, ebenso Cyrils Mutter, im Stock unter ihnen. Geröllmassen bahnen sich ihren Weg durch das Dorf: «Es rumpelte und wir wussten nicht, ob die Steine bald die Mauern zertrümmern.»

«Wir dachten, unsere Nachbarn sind am Ertrinken»
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Rhea (25) und Cyril (29):«Wir dachten, unsere Nachbarn sind am Ertrinken»

Man bringt sie zu einer Notschlafstelle. «Wir hatten Angst, dass noch mehr Geröll vom Berg kommt», erzählt Kammer. Ins Haus dürfen die drei nicht zurück. Hans Tontsch, Pfarrer der Gemeinde Brienz, bietet ihnen an, sie vorübergehend aufzunehmen und leiht ihnen Kleidung. «Wir hatten gar nichts bei uns», erinnert sich Kammer.

«Konnten uns kaum Lebensmittel leisten.»

Kammers Mutter leidet an Demenz. Sie hat eine Beiständin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb), die sich um ihre finanziellen Angelegenheiten kümmert, auch um Belange rund um das Haus. Kammer meldet sich bei ihr und bittet um Hilfe. Die Beiständin antwortet, nur die Mutter und deren Hausrat seien versichert. Nur sie habe Anrecht auf finanzielle Entschädigung.

«Wir konnten uns kaum noch Lebensmittel leisten», erzählt Rhea Brand. Sie ist Coiffeuse und war vorübergehend krankgeschrieben. «Ich bekam nur noch 80 Prozent meines Lohns.»

27. September 2024. Noch immer darf die Familie nicht ins Haus zurück. Sie lebt in der Zweitwohnung einer anderen Person. Kammer erfährt von der Beiständin, dass das Haus seiner Mutter geräumt werden soll: «Uns wurde gesagt, dass sie unsere Sachen wegwerfen, wenn wir sie nicht holen.»

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Rot eingekreist ist das Haus, in dem Cyril Kammer und Rhea Brand wohnten.
Foto: keystone-sda.ch

Wegen einer Fussverletzung ist er kaum mobil und bittet er um einen Aufschub. «Das Haus war dafür noch gar nicht freigegeben, und von den Nachbarn hatte noch keiner geräumt», erklärt er. Die Räumungsaktion findet dennoch statt. Ohne Kammer und Brand. «Wir haben den Sozialdienst und die Kesb kontaktiert – erfolglos», sagt er.

Der grösste Teil ihres Hausrats – weg. Laut Berechnungen des Paares ein Schaden von rund 15'000 Franken.

Von null anfangen – ohne Hilfe

1. Dezember 2024. Der befristete Mietvertrag für die Zweitwohnung läuft ab. Kammers Mutter zieht zu dessen Vater. «Dort gab es nicht genug Platz für uns. Hätte uns der Pfarrer nicht erneut aufgenommen, wären wir obdachlos geworden.»

Anfang 2025 finden sie eine neue Wohnung in einer anderen Gemeinde. Das Geld ist knapp, die Habseligkeiten weg: «Was wir in den neuen Haushalt investierten, fehlte uns im Alltag.»

Inzwischen forscht er bei der Versicherung seiner Mutter nach. In der Police der Zurich Versicherung, die Blick vorliegt, sind neben ihr zwei weitere Personen im selben Haushalt mitversichert. «Wir können nicht begreifen, warum uns diese Hilfe verweigert wurde.»

«Keinen Rappen gesehen»

12. März 2025. Die beiden stellen einen Antrag bei der Versicherung. Der Sachbearbeiter antwortet, man habe bezüglich der mitversicherten Personen andere Informationen vorliegen, werde den Antrag aber prüfen.

Ein halbes Jahr ist das nun her. Ein ganzes seit dem Unwetter. Das Paar ist verzweifelt: «Wir haben noch keinen Rappen gesehen.»

In ihrem neuen Zuhause haben sie sich eingelebt. Nur das Plätschern des Bachs hinter dem Haus macht sie manchmal unruhig. «Wenn es draussen stark regnet, kommt Angst hoch», sagt Rhea. «Dass der Bach anschwillt, wie in Brienz, und uns wieder alles entreisst.»

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