Bergretter schlagen Alarm
6 Tage, 10 Tote – was ist bloss in unseren Bergen los?

Trotz Fabelwetter häufen sich tödliche Bergunfälle in der Schweiz. Experten warnen vor Selbstüberschätzung und mangelnder Vorbereitung. Blick erklärt, warum sich die Sommermonate Juli und August als Hochsaison für Bergnotfälle erweisen.
Publiziert: 00:02 Uhr
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Erstaunlich: Vor allem wenn kein Schnee liegt, kommt es in der Schweiz zu Bergunfällen.
Foto: Sebastian Babic

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Ob Klettern, Gleitschirmfliegen oder Wandern: Die Schweiz ist weltweit eines der beliebtesten Länder für alpine Freizeit- und Abenteuersportarten. Dass diese nicht risikofrei sind, ist bekannt. Doch die aktuelle Häufung der Bergsportunfälle gibt zu denken.

Alleine zwischen dem 6. und 11. August starben mindestens zehn Menschen in ihrer Freizeit in den Schweizer Bergen. Die Zahlen seien tragisch, kämen aber nicht völlig überraschend, sagen mehrere Experten unisono. Denn: Wo mehr Menschen unterwegs seien, gäbe es auch mehr Unfälle. Doch ist dies nicht der einzige Faktor. 

Die Sonne und die Schulferien locken im Sommer Abertausende Menschen in die Höhe, auf der Suche nach Natur, Erholung oder Nervenkitzel. Gleitschirmflieger bevölkern die Lüfte, Kletterer die Hänge und Wanderer die Routen zu den schönsten Gipfeln der Alpen. Doch der Ansturm hat seine Schattenseiten.

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Eine Schwarze Chronik: Am 6. August stirbt ein Mann bei einem Bergunfall im Fieschertal.
Foto: zVg

Mehr Unfälle im Sommer als im Winter

Zwischen dem 6. und 11. August verunglückten in den Schweizer Bergen mindestens zehn Menschen tödlich – trotz Fabelwetter und dem Bewusstsein über die Risiken des Bergsports.

Die Unfallhäufung ist alarmierend. Ein Blick in die Statistik fördert jedoch Überraschendes zutage: Anders als man landläufig vermuten würde, sind nicht die Wintermonate, sondern ausgerechnet Juli und August die Hochsaison für Bergnotfälle und -tote – und das mit klarem Abstand!

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Laut Statistik des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) kam es im in den vier Wintersportmonaten November 2023 bis Februar 2024 insgesamt bei 709 Bergnotfällen zu 17 Todesfällen. Zum Vergleich: Alleine im August 2024 waren es bei 732 Notfällen 20 Todesfälle.

Mehr Menschen, mehr Unfälle

Der Hauptgrund der Häufung ist schnell ausgemacht. Christian Andermatt, Ausbildner beim SAC, bringt es auf den Punkt: «Gutes Wetter und Bedingungen locken viele Alpinisten in die Berge. Da gibt es automatisch auch mehr Unfälle.»

Ins selbe Horn stösst Christoph Leibundgut (39) von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) in Bern: «Das Wetter hat Einfluss auf das Unfallgeschehen», das sei im Bergsport nicht anders als bei anderen Outdoorsportarten «Nach längeren Schlechtwetterperioden, wie diesen Juli, sind bei schönem Wetter deutlich mehr Leute unterwegs, und entsprechend steigt das Risiko, dass es Unfälle gibt.»

Einen weiteren Grund nennt Anjan Truffer (50), Rettungschef von Zermatt. Die Hitze sei tatsächlich ein Problem: «Wenn es selbst in grossen Höhen nicht mehr gefriert, erhöht dies das Risiko für Spaltenstürze oder Steinschlag.» Für Truffer spielen auch weitere Faktoren eine Rolle: «Viele unterschätzen die Anforderungen. Wir sehen immer mehr Leute auf Hochtouren ohne Seil oder Steigeisen, die sich nicht über die Route informieren – und dann in Schwierigkeiten geraten.»

Auf den Gipfel verzichten

In diesem Punkt herrscht Einigkeit unter den Experten: «Man sollte sich selbst ehrlich einschätzen, rechtzeitig umkehren oder die Tour abbrechen und nicht aus falschem Ehrgeiz handeln», erklärt Leibundgut von der BfU. «Für ehrgeizige Sportler heisst das, den Mut zu haben, auf den Gipfel zu verzichten, wenn die Bedingungen oder das eigene Gefühl nicht passen.»

Doch woher kommt die offenbar weit verbreitete Selbstüberschätzung? Dabei könnten auch die sozialen Medien eine Rolle spielen. Denn spätestens mit der Corona-Pandemie hat Wandern nochmals einen deutlichen Popularitätsschub erhalten.

Sind die pittoresken Bilder der Reiseblogger also mitverantwortlich für den Ansturm auf die Schweizer Berge – und damit auch für die hohe Zahl der tödlichen Unfälle? «Im Moment wird zu diesem Thema geforscht», erklärt Andermatt vom SAC, «Einfluss auf die eine oder andere Art und Weise haben diese bestimmt.»

Konkrete Unfallschwerpunkte seien statistisch schwer auszumachen, allerdings verweist Rettungschef Truffer als Beispiel auf das Lagginhorn, wo es alleine in diesem Jahr schon mehrere tödliche Unfälle gab. Fünf davon seit Ende Juli. Während der Sommermonate gilt das Lagginhorn gemeinhin als mittelschwere Bergtour, weil der Viertausender heute ohne Gletscherberührung erstiegen werden kann.

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