Darum gehts
- Raphael M. tötete 2024 während Freigang aus der Psychiatrie
- Der Täter hatte bereits 2014 zwei Frauen getötet, eine davon im gleichen Gebäude
- Über 100 Freigänge seit 2020, zunächst begleitet, später unbegleitet
Die beiden trafen sich im Treppenhaus. Er stand unmittelbar vor ihr, schaute sie an und stach dann mehrmals «kaltblütig» zu – während sie ihm chancenlos ausgeliefert war. Raphael M.* (33) soll Anfang August 2024 während des Freigangs aus der Psychiatrie Assunta L.** (†75) am Nasenweg 22 in Basel getötet haben.
Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, weshalb sie nach der Tat öffentlich mit einem Foto nach ihm fahndete und im Juni Anklage erhob. Nun wird ihm ab dem 17. Dezember 2025 vor dem Basler Strafgericht der Prozess gemacht, drei Tage lang. Der aktuelle Vorwurf: Mord. Blick liegt die Anklageschrift vor.
Chancenloses Opfer
Am besagten Donnerstag begab sich der Angeklagte zur Wohnung eines Verwandten am Nasenweg 22. Dort besorgte er sich ein 24,5 Zentimeter langes Messer aus dessen Messerblock. Im Treppenhaus begegnete er Nachbarin Assunta L., die gerade vom Einkaufen kam. Nach einem kurzen Gespräch griff Raphael M. die betagte Frau ohne Vorwarnung an. Laut Anklage: «Ohne jegliche menschliche Regung.»
Die Staatsanwaltschaft schreibt: «Das körperlich kleinere, chancen- und ahnungslose Opfer versuchte, die ersten paar Stiche oder Schnitte mit ihren Händen abzuwehren, und erlitt dabei diverse Schnittverletzungen an den Fingern und Händen.» Er soll mindestens dreimal mit dem Messer ausgeholt und sie im Hals- und Brustbereich verletzt haben. Die Todesursache: Verbluten.
Die Nacht im Wald
Nach der Tat begab sich Raphael M. in die Wohnung seines Verwandten, wusch sich die Hände und zog sein blutverschmiertes T-Shirt aus. Dann fuhr er im Bus in Richtung St. Jakob-Park. Dort kaufte er sich neue Hosen und Schuhe und entsorgte seine blutverschmierte Kleidung.
Die Nacht verbrachte er in einem Waldstück in der Nähe des Dreispitzes. Am nächsten Morgen hob er bei einer Bank 1900 Franken ab, kaufte sich wieder neue Kleidung und suchte das Basler Rotlichtviertel auf. Dort buchte er für 200 Franken für zwei Stunden ein Bett. Doch statt sexuelle Dienste in Anspruch zu nehmen, wollte er nur schlafen.
Schliesslich bot er einer Prostituierten 1000 Franken, wenn sie ihn einen Monat bei sich wohnen lässt. Sie schlug sein Angebot aus. Kaum hatte er das Zimmer verlassen, konnte die Polizei ihn – einen Tag nach der Tat – festnehmen.
Der dramatische Rückfall
Rasch kam Raphael M.s Vergangenheit ans Licht. Der heute 33-Jährige hatte zum Tatzeitpunkt schon zwei Mal getötet: 2014 tötete der Basler im gleichen Gebäude – genauer am Nasenweg 24 – eine Frau. Im Zuge dessen beging der Angeklagte damals, laut Staatsanwaltschaft, einen zweiten Mord und einen versuchten Mord.
Das Basler Strafgericht erklärte Raphael M. damals für schuldunfähig, sprach jedoch eine stationäre Massnahme aus. Diese wurde 2020 um fünf Jahre verlängert. Der Grund: Der Beschuldigte leidet an Schizophrenie.
Wegen seines dramatischen Rückfalls wurden die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) scharf kritisiert. Wie konnte ein als gefährlich eingestufter Mann unbeaufsichtigt unterwegs sein und erneut töten? Ein externer Untersuchungsbericht wurde in Auftrag gegeben. Die Experten: Psychiater Frank Urbaniok und Justizvollzugsexperte Andreas Werren. Die Resultate entlasteten die UPK: «Der externe Untersuchungsbericht kommt zum Schluss, dass das Tötungsdelikt vom 8. August 2024 am Nasenweg schwer zu verhindern war.»
Über 100 Freigänge
Raphael M. hatte seit 2020 über 100 Freigänge, die zunächst begleitet und später auch unbegleitet stattfanden. Auch arbeitete er an einem geschützten Arbeitsplatz, den er selbstständig besuchte.
Laut Staatsanwaltschaft hängt das neuere Tötungsdelikt mit dem damaligen Mord am Nasenweg zusammen. Dem jungen Mann sollen Dämonen oder Geister erschienen sein. Diese liessen ihn wissen, dass er «2014 die falsche Frau getötet hatte und er diesen Fehler zwingend zu korrigieren habe, ansonsten drohe ihm erhebliches Leid». Laut Anklage plante der Basler schon seit 2014 – also seit zehn Jahren – Assunta L. zu töten.
Gemäss einem Gutachten gilt Raphael M. als therapieresistent. Er öffne sich nicht hinreichend – ausserdem wehrten seine Eltern und er sich jahrelang gegen eine Behandlung. Für die hier angeklagte Tat sei er schuldunfähig. Die Staatsanwaltschaft will ihre Anträge an der Hauptverhandlung stellen.
* Name bekannt
* Name geändert