Darum gehts
- Automatische Durchfahrtskontrolle in Birsfelden BL sorgt für Kontroverse und Diskussion
- Strafrechtsprofessorin zweifelt an Verfassungskonformität der Kontrolle und erwartet Widerstand
- Gemeinde hat rund 1,5 Millionen Franken durch Bussen eingenommen
Kaum ein Thema bewegte die Blick-Community in dieser Woche so sehr, wie die automatische Durchfahrtskontrolle in Birsfelden BL. Dort muss sich jedes Auto mindestens 15 Minuten in einem von der Gemeinde festgelegten Gebiet aufhalten, sonst gibt es eine Busse in Höhe von 100 Franken.
Seit Mitte September klingelt so die Kasse im Baselbieter Dorf. Rund 1,5 Millionen Franken kann die Gemeinde verbuchen. Die Reaktionen der Blick-Community reichten von «Die bösen Autofahrer werden drangsaliert» bis hin zu «Das war wirklich überfällig!».
SP-Kantonsrätin erwähnt Bundesgericht
Jetzt schaltet sich auf Linkedin eine Juristin in die Birsfelden-Bussen-Debatte ein. Monika Simmler, Assistenzprofessorin für Straf-, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Universität St. Gallen, warnt die Gemeinde.
«Wenn ich die Gemeinde wäre, würde ich das Geld noch nicht ausgeben. Es gibt berechtigte Zweifel, ob die ‹automatische Durchfahrtskontrolle› verfassungskonform ist», schreibt sie in einem Beitrag, dem sie einen Screenshot von einem Blick-Artikel zum Thema beigefügt hat. Die St. Galler SP-Kantonsrätin merkt an, dass schon die Verhältnismässigkeit der automatisierten Fahrzeugsfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) vom Bundesgericht in Zweifel gezogen wurde. «Dürfte das dann nicht erst recht für eine Nummernschilderfassung aller durchfahrenden Fahrzeuge zum Zwecke der Feststellung blosser Übertretungen gelten?», fragt sie sich.
Wehrt sich jemand gegen Birsfelden-Busse?
Weiter überlegt sie: «Kann man hier vielleicht argumentieren, dass der Durchfahrende ja schon per se ordnungswidrig handelt und die Schwelle deshalb anders anzusetzen ist wie bei der Fahrzeugfahndung, wo die Streubreite weiter ist?»
Mit Spannung erwartet sie das erste Urteil zur Birsfelder Bussenflut. Die Strafrechtlerin ist sich sicher: «Einer der 1000 täglich Gebüssten wird sich wohl wehren.»
Verkehrsrechtler uneinig
Dann könnte es richtig kompliziert werden. Denn die automatische Überwachung kann «einen schweren Eingriff in die Schutzbereiche des Grundrechts auf persönliche Freiheit sowie des Rechts auf Privatsphäre, auf Schutz vor Missbrauch der persönlichen Daten und auf informationelle Selbstbestimmung darstellen», wie es der Verkehrsrechtler Manuel Bader am Freitag im Gespräch mit Blick erklärte.
Mit Yann Moor glaubt ein anderer Verkehrsrechtsexperte dagegen: «Dem Datenschutz scheint gebührend Rechnung getragen zu werden.» So oder so: Vom Blick-Leser bis zur Juristin – alle interessiert, wie es weitergeht.