Darum gehts
- Beziehung von Lisa und Andi endet in Kontrollverhalten
- Andi überwacht Lisas Alltag, macht ihr Leben zur Hölle
- Lisa verliert Job, Gesundheit leidet, erstattet im November Anzeige
Er nahm ihr nicht alles auf einmal weg. Zuerst die Sicherheit. Dann das Selbstvertrauen, den Schlaf, die Arbeit. Und zum Schluss den Ruf.
Zurück bleibt eine alleinerziehende Mutter – arbeitslos, ausgezehrt. Eine Frau, die sich hinter dunkel verhängten Fenstern versteckt, in ständiger Angst, etwas Falsches zu tun, ohne zu wissen, was.
Lisa K.* (40) und Andi T.* (47) aus dem Raum Basel lernten sich 2023 auf Tiktok kennen. Die beiden wurden ein Paar. Eine Beziehung, geprägt von Konflikten und Zerstörung. Andi T. sagt zu Blick: «Gestalkt habe ich sie nicht. Ich habe das nicht so gesehen. Ich war eifersüchtig – aus Angst, wieder betrogen zu werden.»
«Nicht alle Frauen gleich»
Als Lisa K. Andi T. kennenlernt, ist sie noch mit ihrem Ehemann zusammen, mit dem sie zwei Kinder hat. Lisa K. sagt, sie sei unglücklich gewesen, habe sich oft unsichtbar gefühlt. 2023 erlebt sie zwei schwere Schicksalsschläge: einen Autounfall mit ihren Kindern und eine lebensbedrohliche Operation.
«Danach war ich körperlich und psychisch völlig am Limit», erzählt sie Blick. «Ich hatte Gedächtnislücken, kaum Kraft – und trotzdem zwei Kinder, für die ich funktionieren musste.»
Tiktok gibt Lisa K. Kraft. Sie erzählt aus ihrem Alltag, filmt sich dabei. Sie erlebt Zuspruch, wird selbstbewusster. Auch Andi T. ist viel auf der Plattform unterwegs. Sie tauschen Nachrichten aus. Er hört ihr zu, fragt nach, ruft an.
Andi T. ist damals single – und verbittert. Er erzählt von einer früheren Beziehung, in der er jahrelang betrogen worden sei. Sein Vertrauen sei erschüttert gewesen. Lisa K. habe ihm gezeigt, dass «nicht alle Frauen gleich» seien.
Sie treffen sich. Ihre Beziehung wird intensiver. Lisa K. verlässt ihren Mann und kommt mit Andi T. zusammen. Schon früh zeigt sich Eifersucht: Andi T. reagiert empfindlich, wenn andere Männer Lisa K. auf Tiktok Komplimente machen.
«Wie blöd muss man eigentlich sein?»
Einmal kommt der Ex-Mann zu Lisa K., um gemeinsame Konten aufzulösen. Andi T. versucht, sie zu erreichen. Als sie nicht abnimmt, fährt er zu ihr und sieht das Auto des Ex vor dem Haus stehen.
«Ich dachte, sie lügt mich an und ist mit ihm in der Kiste», sagt Andi T. «Da habe ich nur noch schwarzgesehen.» Er schlägt eine Beule in die Autotür des Ex-Mannes – und fährt wieder weg.
Andi T. will, dass sich Lisa K. von ihrem Ex distanziert. Er schürt Misstrauen, rät ihr, zu Hause eine Kamera zu installieren. Weil ihr früherer Mann dort manchmal die Kinder hütet. Sie folgt dem Rat, sagt: «Heute denke ich: Wie blöd muss man eigentlich sein?»
Lisa K. bekommt Besuch von einem Freund. Andi T. erfährt davon, wirft ihr erneut Untreue vor. Um ihn zu beruhigen, schickt Lisa K. Fotos der Überwachungskamera: Sie sitzt mit dem Freund auf dem Sofa, seine Hand liegt auf ihrer.
«Ich war sehr aggressiv»
«Er hat mich getröstet», sagt Lisa K. «Ich war nach Andis Ausraster völlig aufgelöst.»
Andi T. beruhigt sich nicht – im Gegenteil: «Für mich ist das kein Trösten», sagt er. Erinnerungen hätten ihn überrollt. «Ich war sehr aggressiv, habe sie verbal angegriffen.»
Trotzdem bleibt Lisa K. bei ihm. «Wenn es zwischen uns gut lief, war er liebevoll», erklärt sie. «Aber ich hatte auch Angst, was passieren könnte, würde ich ihn verlassen.»
Andi T. beginnt, Lisa K.s Alltag zu überwachen. Er kontrolliert, wann sie auf Whatsapp oder Tiktok online ist. Reagiert sie nicht sofort, macht er ihr Vorwürfe. Irgendwann hält es Lisa K. nicht mehr aus. «Mir fehlte die Kraft, mich ständig zu rechtfertigen», sagt sie.
«Hat mir das Leben zur Hölle gemacht»
Im Frühling 2025 trennt sie sich. Andi T. sagt, für ihn sei das aus dem Nichts gekommen. Er sieht sich als Opfer: «Sie hat mich benutzt. Als ihr Ex-Mann sie wieder mehr unterstützt hat, war ich raus.»
Seiner Wut lässt er online freien Lauf. In seinen Tiktok-Videos beschimpft er Lisa K. als «Drecksschlampe», bezeichnet sie als Lügnerin und schlechte Mutter. Jeden vermeintlichen Fehler macht er öffentlich.
Etwa, als Lisa K. einmal einen Drucker aus dem Ausland nicht verzollt hat. «Ich rufe am Montag das Zollamt an», droht er in einem Video. Lisa gerät in Panik. Sie meldet sich bei den Zollbehörden, entschuldigt sich, bezahlt die Gebühr. Die Beamten beruhigen sie.
«Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht», sagt Lisa K. Die Belastung schlägt auf ihre Gesundheit: Sie nimmt ab, wirkt blass, verliert Haare.
«Ich hatte ständig Angst»
Im Herbst sitzt sie im Büro, als Andi T. ihr eine Nachricht schickt. Er schreibt: «Du bekommst gerade Besuch von deinem lieben Ex-Mann, der eben bei dir zu Hause weggefahren ist. So viel zum Thema, du willst von ihm nichts.»
Um zu beweisen, dass sie nicht zu Hause, sondern im Büro ist, schickt Lisa K. ihm ein Foto ihres Laptops. Bei der Firma, für die sie arbeitet, sind Aufnahmen am Arbeitsplatz verboten.
Andi T. leitet das Bild ihrem Vorgesetzten weiter. «Ich dachte, wenn sie schon mein Leben zerstört, tue ich dasselbe», sagt er. Kurz darauf wird Lisa K. fristlos gekündigt.
Danach verlässt sie die Wohnung kaum noch. Sie verdunkelt die Fenster, überlegt bei jedem Schritt, wie er ausgelegt werden könnte. «Ich hatte ständig Angst», sagt sie. «Angst, dass wieder etwas öffentlich gemacht wird.»
«Sie sah nicht gesund aus – meinetwegen»
Im November erstattet sie Anzeige bei der Polizei. Andi T. erhält eine Wegweisung für zwölf Tage. In seinen Tiktok-Videos schiesst er weiter gegen sie. «Ich kann nicht mehr», sagt Lisa K.
Andi T. bemerkt, wie sie sich verändert. «Ich sah sie einmal zufällig auf der Strasse – und erschrak. Sie sah nicht gesund aus. Dann habe ich begriffen: Das ist meinetwegen.»
Er löscht sämtliche Tiktok-Videos über sie, bietet ihr Unterstützung an. Sie zieht ihre Anzeige zurück.
Andi T. bestreitet dabei weiterhin, sie gestalkt zu haben. Stattdessen spricht er von Eifersucht, Kontrollverlust, von falschen Informationen, die ihn angestachelt hätten. Lisa K. ist erleichtert, etwas Ruhe zu haben, sagt aber: «Vertrauen tue ich ihm nicht.»
Denn trotz seiner Einsicht ist sie es, die alle Konsequenzen tragen muss.
* Namen geändert