Darum gehts
- Schweiz fällt beim Schutz von Frauen vor Gewalt durch
 - Netzwerk Istanbul Konvention gibt der Schweiz die Schulnote Drei
 - 25 Femizide in der Schweiz dieses Jahr
 
Im laufenden Jahr wurden in der Schweiz 25 Frauen und Mädchen getötet. Das sind mehr als im gesamten Vorjahr. In den meisten Fällen handelte es sich bei den Tätern um Ehemänner, Partner oder Ex-Partner.
Die Schweiz fällt beim Schutz von Frauen vor Gewalt durch. Das zeigt ein neuer Bericht des Netzwerks Istanbul Konvention, das sich aus Frauenrechtsorganisationen, Gewaltfachstellen und Nichtregierungsorganisationen zusammensetzt. Das Netzwerk gibt der Schweiz die Schulnote Drei. Und es spricht von einer «alarmierenden» Zunahme von geschlechtsbezogener Gewalt.
Nationale Strategie fehlt
Acht Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention, einem internationalen Abkommen, das Frauen und Mädchen vor häuslicher und sexualisierter Gewalt schützen soll, gebe es bei der Umsetzung weiterhin grosse Mängel. Unter anderem fehle bis heute eine verbindliche nationale Gesamtstrategie. Dies führe zu massiven kantonalen Unterschieden beim Zugang zu Schutz und Unterstützung. «Es ist willkürlich, ob eine betroffene Person beispielsweise eine adäquate Spurensicherung nach einer Vergewaltigung, ein rollstuhlgängiges Frauenhaus oder eine inklusive Sexualbildung findet», heisst es im Bericht.
Auch fehlende finanzielle und personelle Ressourcen verhindern laut dem Netzwerk eine wirksame Prävention und Unterstützung von Betroffenen. Besonders die Frauenhäuser stehen unter Druck: In mehreren Kantonen gibt es gar keine. Die existierenden Einrichtungen seien oft überfüllt und unterfinanziert. Schutzsuchende müssten deshalb «mangels Platz abgewiesen und ersatzweise in Hotels untergebracht werden». Deshalb fordert das Netzwerk unter anderem mehr Geld für die Einrichtungen sowie mehr Schutzplätze.
Arslan will Vorstösse einreichen
Diese Kritik greifen nun die Grünen auf. Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (45) will in der Wintersession zwei Vorstösse einreichen, die den Bund stärker in die Verantwortung nehmen soll. Zum einen verlangt sie die Schaffung eines nationalen Finanzierungsfonds für Frauenhäuser. Dieser soll die strukturelle Sicherung der Einrichtungen gewährleisten und kantonale Unterschiede ausgleichen. «Es kann nicht sein, dass der Schutz von Frauen davon abhängt, in welchem Kanton sie leben», so Arslan. «Der Zugang zu Schutzunterkünften muss überall gewährleistet sein.»
Auch bei der koordinierten Umsetzung der Istanbul-Konvention sieht Arslan gravierende Lücken. Zwar hat die Schweiz einen nationalen Aktionsplan, dieser biete jedoch «keinen verbindlichen Rahmen und keine klaren Steuerungsmechanismen», sagt sie. Wie auch die Autorinnen des Berichts kritisiert sie, dass die unterschiedlichen kantonalen Zuständigkeiten zu grossen Ungleichheiten in der Umsetzung der Istanbul-Konvention führten – und damit zu Ungleichbehandlungen der Betroffenen.
Deshalb will sie in einem weiteren Vorstoss fordern, dass der Bundesrat darlegt, wie die Empfehlungen des Berichts des Netzwerks Istanbul Konvention künftig verbindlich umgesetzt werden können. Auch die Empfehlungen von Grevio, der Expertinnengruppe des Europarats zur Überwachung der Istanbul-Konvention, sollen berücksichtigt werden.