Darum gehts
- Schweizer Bevölkerung lehnt Zolldeal mit USA mehrheitlich ab
- Mehrheit sieht Unterwerfungscharakter im US-Deal, stärker als bei EU-Abkommen
- Umstrittenste Punkte: US-Datenzugriff, Rüstungskäufe und der Import von Geflügelfleisch
15 statt 39 Prozent auf Importe! Der Zolldeal mit der US-Regierung von Präsident Donald Trump (79) ist beinahe im Trockenen – zumindest, wenn es nach dem Bundesrat geht. Im Hintergrund gehen die Verhandlungen aber weiter. Sind die Details ausgearbeitet, hat neben dem Parlament wohl auch noch das Schweizer Stimmvolk ein Wörtchen mitzureden.
Jetzt zeigt sich: Die Schweizerinnen und Schweizer sind vom Zolldeal alles andere als angetan. Laut einer exklusiven Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sotomo im Auftrag von Blick reagieren selbst die SVP-Wähler bei weitem nicht so euphorisch darauf, wie es ihre Partei tut. Käme es heute zu einer Abstimmung, hiesse es: Schiffbruch für Parmelin und Co.!
Mitte November verkündeten Wirtschaftsminister Guy Parmelin (66, SVP) und Helene Budliger Artieda (60), Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft, den Deal mit der US-Regierung. Die Zollsenkung wird voraussichtlich einige Zugeständnisse bedingen: Neben zollfreien Einfuhren für sämtliche US-Industrieprodukte und Kontingenten für amerikanisches Fleisch stehen etwa auch vermehrte Rüstungskäufe und der Verzicht auf eine Digitalsteuer im Raum.
Einzig die SVP reagierte darauf überschwänglich. «Gut gemacht, Bundesrat Parmelin!», liess sie verlauten. Die restlichen Parteien sprechen im besten Fall von einem «Zwischenerfolg» (im bürgerlichen Lager) – im schlimmsten von einem «Unterwerfungsvertrag» (im linken Lager). Bereits im Parlament könnte dem Abkommen also eisiger Wind entgegenwehen.
Würde danach das Referendum ergriffen, wird es erst recht brenzlig: 69 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind aktuell eher oder ganz gegen den Deal. Selbst bei den SVP-Sympathisanten machen die Nein-Sager die Hälfte aus. Eine Mehrheit findet der Deal nur bei FDP-Anhängern (56 Prozent sind dafür oder eher dafür).
Sotomo-Leiter Michael Hermann (54) zeigt sich von der Deutlichkeit der Resultate überrascht. «Dass die Schweizer Bevölkerung dem Zolldeal skeptisch gegenübersteht, habe ich erwartet», sagt der Politgeograf. «Aber wie klar die Ablehnung ausfällt, ist bemerkenswert.» Oft werde die ideologische Nähe der Schweiz zu den USA betont, sagt er – «doch ein Punkt wird regelmässig unterschätzt: Die Schweizerinnen und Schweizer haben eine tiefe Abneigung dagegen, wenn die Macht des Stärkeren voll durchgedrückt wird».
Dieses Muster habe sich schon in früheren Konflikten gezeigt, in denen die USA Bern unter Druck gesetzt hätten. «Darauf reagiert die Schweizer Bevölkerung allergisch.» Auch deshalb stosse der Zolldeal auf so viel Widerstand. «Oft heisst es ja: Mit Trump kann man nun mal nicht anders Politik machen. Aber die Bevölkerung wehrt sich dagegen, Trumps Machtgebaren und sein in Teilen imperialistisches Vorgehen zu normalisieren.»
Die grosse Skepsis drückt sich auch in den Details aus. Noch knapp akzeptabel ist für die Schweizer Stimmbevölkerung, sich den USA stärker bei Sanktionen gegenüber Drittstaaten anzuhängen. Danach geht es mit der Zustimmung nur abwärts.
Am grössten ist die Gegenwehr beim Datenfluss nach Übersee: Mehr als drei Viertel der Befragten geht es zu weit, den US-Unternehmen hier freie Fahrt zu lassen. Ein klares Nein gibt es auch für einen vermehrten Kauf von US-Rüstungsgütern. Da scheint es den Schweizerinnen und Schweizern egal, dass sich das Land besonders damit bei der US-Regierung viel Goodwill holen könnte.
Der beschränkte Import von US-Fleisch ist zwar nur für 65 Prozent zu viel des Guten. Wenn es aber darum geht, es im Laden zu kaufen, scheint die Linie überschritten: Über 95 Prozent würden amerikanisches Geflügel in der Theke liegen lassen. Dabei darf vermutet werden, dass besonders die Aussicht auf eine Einfuhr der umstrittenen Chlorhühner den Schweizerinnen und Schweizern die Lust verdirbt.
Traten der Bundesrat und seine Spitzenleute zu schwach auf? Interessant: Fast die Hälfte beurteilt die Verhandlungsführung des Bundes im Vergleich zu den EU-Verhandlern als schlechter.
Der Rest sieht bei der Verhandlungskompetenz einen Gleichstand mit unseren Nachbarstaaten oder kann sich nicht entscheiden. Grösser als gegenüber den Verhandlern des Bundes ist die Skepsis gegenüber den Launen Trumps.
Eine Mehrheit geht eher oder ganz davon aus, dass sich die amerikanische Regierung gar nicht an die Abmachungen halten wird. Dabei öffnet sich jedoch ein politischer Graben: SVP- und FDP-Anhänger sind deutlich besseren Mutes, dass die Zollsenkung Bestand hält. Und auch jüngere Personen schenken dem Deal mehr Vertrauen.
Sotomo-Chef Hermann sagt: «Die Bevölkerung muss nicht diplomatisch sein, wenn sie den Deal mit der US-Regierung bewertet, und kann frei sagen, wie wenig sie von Trumps Gebaren hält.» In der Politik hingegen stehe das Zweckdenken stärker im Vordergrund, auch weil deren Handeln im Unterschied zu einer Umfrage direkte Folgen hat. «Für die Politik zählt das unmittelbare Wohl des Landes. Und an einer raschen Zollsenkung besteht nun einmal ein Interesse, auch um eine Wirtschaftskrise zu verhindern.» Applaus von der Bevölkerung gebe es dafür aber nicht.
Bei der SVP hat der Begriff Unterwerfungsvertrag schon lange Konjunktur. Die Partei verwendet ihn, um gegen das EU-Vertragspaket zu schiessen. Vonseiten der Grünen wurde es im Zuge des Zolldeals flugs gekapert: Er sei der eigentliche Unterwerfungsvertrag, hiess es aus der Partei.
Erstaunlich: Die Schweizer Bevölkerung gibt ihnen recht. Für insgesamt 70 Prozent hat das Abkommen einen Unterwerfungscharakter. Beim EU-Deal sind es 45 Prozent, die es so sehen.
«Grosse Staatengebilde werden in der Schweiz generell mit Skepsis betrachtet», fasst Michael Hermann zusammen. Auch die EU geniesse keine besondere Beliebtheit – «aber sie gilt in der Bevölkerung klar als verlässlichere Partnerin als die USA».
Insgesamt nahmen 9284 Personen zwischen dem 24. und 29. November 2025 an der für die Wohnbevölkerung der Schweiz repräsentativen Umfrage teil. Der Fehlerbereich liegt bei 1,6 Prozentpunkten.