Darum gehts
- SBB vergibt Grossauftrag für Doppelstockzüge an Siemens, Kritik folgt
- FairPlay Public wirft SBB-Chef vor, Spielraum im Beschaffungsrecht nicht genutzt zu haben
- Auftragswert beträgt zwei Milliarden Franken für 116 neue Doppelstockzüge
Ein Grossauftrag der SBB sorgte für Furore: Zwei Milliarden Franken lassen sich die SBB 116 neue Doppelstockzüge für den Raum Zürich und die Westschweiz kosten. Es ist der teuerste Auftrag, den das Bahnunternehmen je vergeben hat. Den Zuschlag erhielt das deutsche Unternehmen Siemens – der Schweizer Zugbauer Stadler ging leer aus.
Vergangenes Wochenende meldete sich SBB-Chef Vincent Ducrot (63) ausführlich zu Wort. Er verteidigte die Auftragsvergabe in einem Interview mit der «Schweiz am Wochenende». Das geltende Recht verpflichte die Bahn, alle Anbieter gleichzubehandeln – unabhängig davon, ob sie in der Schweiz produzierten oder im Ausland. Das Gesetz sei 2019 sogar noch verschärft und der Gedanken des Wettbewerbs erhöht worden.
«Debatte an Ducrot vorbeigegangen»
Gegen diese Darstellung wehrt sich nun FairPlay Public, eine Interessenorganisation der Schweizer Wirtschaft für öffentliches Beschaffungswesen. In einem scharf formulierten Brief, der Blick vorliegt, wirft sie Ducrot vor, den gesetzlich vorgesehenen Spielraum im Beschaffungsrecht nicht genutzt zu haben. «Jetzt reicht's», schreibt die Organisation an die Adresse von «Herrn Ducrot»: «So kann es nicht weitergehen», heisst es im Schreiben.
Es scheine, als sei die parlamentarische Debatte zum neuen Bundesgesetz über das Beschaffungswesen an Ducrot vorbeigegangen, heisst es im Brief. Dieses enthalte nämlich zahlreiche Neuerungen, die darauf abzielten, in der Schweiz produzierende Unternehmen von einer strukturellen Benachteiligung zu schützen.
Qualität und nicht mehr bloss der Preis sei neu ein zwingendes Zuschlagskriterium. Zudem seien Nachhaltigkeitsaspekte in den Kriterienkatalog aufgenommen worden, in denen Schweizer Produktionsstandorte regelmässig deutlich besser abschneiden würden.
Preisniveau als Kriterium
Weiter habe sich das Parlament für ein Kriterium zum Preisniveau entschieden – dieses sei für den Werkplatz Schweiz zentral. «Ohne Berücksichtigung der Preisniveaus genügt bereits ein nominell leicht tieferes Angebot, um ein Schweizer Unternehmen aus dem Wettbewerb zu drängen.»
Genau das sei bei der Siemens-Vergabe geschehen. Der Preisunterschied liege bei unter einem Prozent. Die Nichtanwendung des Kriteriums sei ein «Affront gegenüber den in der Schweiz produzierenden Unternehmen, ihren Mitarbeitenden sowie deren Familien».
Laut Ducrot bezieht sich die angesprochene Differenz allerdings lediglich auf die Investition. Der grosse Unterschied liege beim Betrieb und beim Unterhalt. Das mache einen dreistelligen Millionenbetrag aus, so der SBB-Chef.
Politik sei gefragt
Auch die Politik solle nun vorwärtsmachen, fordert die Wirtschaftsorganisation. «Wir erwarten, dass sich auch die eidgenössischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier dezidiert für die verbindliche Anwendung des Preisniveau-Kriteriums im öffentlichen Beschaffungswesen einsetzen.»
Im Schreiben von FairPlay Public wird auch ein weiterer Auftrag der SBB erwähnt, der teilweise ins Ausland geht. Dieser ist allerdings nicht vergleichbar: Auch Siemens und Stadler Rail könnten daran beteiligt werden. Wer letztlich welche Aufträge bekommt, ist noch unklar.