Umsatzverlust wegen Baustelle
Zürcher Gastronom verklagt Stadt auf Schadenersatz

Der Zürcher Gastronom Luca Messina kämpft für eine Entschädigung nach massiven Umsatzeinbussen durch Baustellen. Der Betreiber der Enoteca Riviera im Seefeld reichte Schadenersatzklage gegen die Stadt ein.
Publiziert: 15:47 Uhr
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Aktualisiert: vor 30 Minuten
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Luca Messina, Zürcher Gastronom, ist frustriert und wütend.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

  • Zürcher Baustellen belasten Gewerbe, Gastronom klagt gegen Stadt Zürich
  • Luca Messina dokumentierte Lärm und Verschmutzung über ein Jahr
  • Restaurant verzeichnete im März 48 Prozent Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Seit Monaten reihen sich in einem Zürcher Quartier am rechten Seeufer die Baustellen aneinander: Neue Fernwärmeleitungen, dann Rad-WM, marode Wasserleitungen und bald soll auch noch der Hornbach ausgegraben werden. Was für die Stadt zur geplanten Verkehrs- und Energiewende gehört, bedeutet für die ansässigen Gewerbler ein Kampf ums finanzielle Überleben. 

Luca Messina (51), ein Seefelder Gastronom, betreibt seit 2013 erfolgreich das italienische Restaurant und die Wein-Bar Enoteca Riviera an der Dufourstrasse im Zürcher Seefeld. Das letzte Jahr war hart für ihn.

Schlendert man aktuell durchs Seefeld in Richtung Restaurant, lässt sich so gut wie nichts von einer störenden Baustelle erahnen. Höchstens eine letzte Strassensperrung gibt Hinweis auf den Trubel der letzten Monate. Denn vor gut einem Jahr war das Bild entlang der Strasse noch ein ganz anderes.

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Lärm, Staub und Absperrungen

Messina hat alles haargenau dokumentiert. Sein sogenanntes Lärm- und Verschmutzungsprotokoll beginnt am 1. Februar 2024 und das, obwohl die Baustelle gemäss offiziellen Angaben der Stadt erst am 8. April hätte eröffnet sollen. Der letzte Eintrag ist gut ein Jahr später.

Auf gewissen Fotos sieht man vor lauter Bagger, Absperrungen und Walze fast keine Strasse mehr. So wurden auch alle Parkplätze entweder mit Container oder Gabelstapler zugestellt oder aber mit Absperrgittern versehen. Ein Durchkommen für Autos so gut wie unmöglich. Und falls sich doch noch ein Fussgänger dahin verirrte, wurde er vom Lärm und Staub wieder vertrieben.

Das spürte die Enoteca fast sofort. Die Geschäftszahlen des Restaurants, die Blick vorliegen, verschlechtern sich ab Februar 2024 massiv. Im März sind es minus 48 Prozent im Vergleich zum selben Geschäftsmonat 2023.

«Kundschaft zu 60 Prozent mit Auto unterwegs»

Das schlimme war nicht nur die fehlende Laufkundschaft, wie Luca Messina erzählt. Sondern vor allem, dass sich viel weniger Autos ins Seefeld wagten. «Unsere Kundschaft ist zu gut 60 Prozent mit dem Auto unterwegs», schätzt der Gewerbler. Das im und rund ums Quartier alles von der Baustelle zugestellt war, bedeutete für ihn also automatisch weniger Kundschaft. 

Im September fand dann mitten durch Zürich auch noch die Rad-WM statt. Für Velo-Begeisterte ein Highlight. Für das Seefelder-Gewerbe ein weiterer Rückschlag, denn einige Teile des Quartiers wurden für den Verkehr komplett abgeriegelt. Für Messina besonders unverständlich: Innert eines Arbeitstages wurde die komplette Baustelle direkt vor seiner Tür geräumt. «Wenn es die Stadt will, geht es plötzlich schnell», kommentiert er. Da die Bauarbeiten aber noch nicht abgeschlossen waren, folgte Anfang Oktober die Wiedereröffnung – obwohl das Projekt bis dahin schon abgeschlossen hätte sein sollen.

Während dieser schwierigen Zeit fühlte Messina sich von der Stadt komplett alleingelassen. Sein Gesuch auf Kurzarbeit sei abgewiesen worden, weshalb er einen Mitarbeiter entlassen musste. «Es kommt mir so vor, als ob sich die Stadt nicht um das Kleingewerbe schert.» Messina ist frustriert und wütend. Insgesamt verlor er durch die ganzen Hindernisse einen mittleren 6-stelligen Betrag. 

Schadenersatzklage gegen Stadt Zürich

Aufgeben war nie eine Option. «Man muss sich wehren, mit allem, was man hat.» Messina entschied sich schliesslich, eine Schadenersatzklage gegen die Stadt Zürich einzureichen. Damit ist er nicht der Erste. Anfang 2024 wählte auch der Zopf-Beck den rechtlichen Weg gegen die Stadt. Die Schadenersatzforderung wegen einer Baustelle wurde vom Verwaltungsgericht aber abgewiesen. 

Gemäss einem Referenzurteil von 2019 sind für einen Erfolg drei Faktoren entscheidend: Eine Dauer über 6 Monate, die Intensität der Immissionen und Umsatzeinbussen zwischen mindestens 20 und 30 Prozent. Luca Messina ist davon überzeugt, dass er – im Gegensatz zum Zopf-Beck – diese Kriterien erfüllt. Sein Gesuch ist allerdings noch hängig.

Stadt Zürich verteidigt Baustellen

Das Tiefbauamt der Stadt Zürich unter der Führung von Stadträtin Simone Brander (SP) hat sich gegenüber der «NZZ» bereits 2024 geäussert. Sie machte darin ihre Sicht der Dinge klar: Gewerbetreibende müssten damit rechnen, dass die öffentliche Infrastruktur vor dem Geschäft irgendwann saniert werde. Schliesslich würden auch sie von funktionierenden Leitungen und Verkehrsinfrastruktur profitieren. «Die Infrastruktur ist sehr wichtig», betont auch Luca Messina. «Aber wir brauchen Verschnaufpausen.»

Luca Messina hofft nun, dass die Stadt sein Entschädigungsgesuch nicht einfach vom Tisch wischt. Auch die aktuelle Baustelle auf der Bellerivestrasse gibt ihm zu denken. In den Zahlen spüre er die neue Baustelle eine Querstrasse weiter aber noch nicht. «Eher nervt mich die angekündigte Baustelle für 2026 beim Hornbach. Dort sollen wieder 14 Parkplätze verschwinden.» Dass es wieder zu einem extremen Einbruch in den Umsatzzahlen kommen wird, glaubt der Zürcher Gastronom aber nicht.

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