Darum gehts
- Zwei brisante Vorlagen: Zürich steht vor dem Showdown in der Verkehrspolitik
- Mehr Kontrolle über städtische Verkehrsplanung? Zürich «grossflächig autofrei»?
- Verkehrswende-Initiative bringt selbst Linke in Erklärungsnot
Es ist ein Kulturkampf ums Auto – mit Signalwirkung für die ganze Schweiz. In Zürich werfen die Bürgerlichen der links-grünen Regierung vor, die Stadt für Autofahrer unerträglich machen zu wollen: mit Baustellen und Spurreduktionen, mit gestrichenen Parkplätzen und Tempolimiten. Doch die Gegenseite betont: Mehrfach habe das Stimmvolk den Umbau des öffentlichen Raums gewünscht, auf Kosten des Autos.
So geht das schon länger. Nun aber steht Zürich vor einem beispiellosen Showdown in der Verkehrspolitik. Zwei Vorlagen mit Sprengkraft liegen auf dem Tisch: Die Bürgerlichen wollen, dass der Kanton die Stadt bei der Verkehrsplanung übersteuern kann. Von anderer Seite kommt eine Initiative auf Stadtebene. Sie zielt darauf ab, das Auto «grossflächig» aus Zürich zu verbannen. Blick weiss: Im linken Lager spitzt sich die Frage zu, wie weit man immer radikalere Forderungen unterstützen soll.
Die Bürgerlichen schlagen zurück
Am 30. November kommt im Kanton die Umsetzung der Mobilitäts-Initiative aus bürgerlichen Kreisen vors Volk. Sie will der Stadt das Sonderrecht entziehen, auf übergeordneten Strassen und wichtigen Achsen selber Tempolimiten festzulegen – ein Privileg, das sonst nur Winterthur hat. Regierungsrat und Kantonsrat stehen hinter dem Vorhaben, das die schweizweite Debatte um Tempo 30 weiter anheizt.
Im Kern will die Initiative «Tempo 50» auf den Hauptachsen «absichern». Die Befürworter warnen: Tiefere Tempolimiten führten zu empfindlichen Kapazitätsverlusten und könnten sogar Rettungseinsätze verzögern. Der Zürcher Stadtrat prüft juristische Schritte. Aus seiner Sicht stellt die Initiative einen Eingriff in die Gemeindeautonomie dar.
Könnten Richter die umstrittene Initiative kippen?
Zum Politkrimi könnte in der Stadt Zürich die Verkehrswende-Initiative werden. Sie ist als «allgemeine Anregung» formuliert – geht aber aufs Ganze: Zürich soll möglichst autofrei werden. Ausgenommen wären einzig unvermeidbare Fahrten – etwa für Gewerbler, Rettungsdienste oder Menschen mit Einschränkungen.
Schon zwei Monate vor Sammelschluss sind die nötigen Unterschriften beisammen. Auf Anfrage bestätigen die Initianten entsprechende Informationen. Man wolle die Vorlage an einem symbolträchtigen Datum einreichen: am 22. September, dem internationalen «Autofreien Tag».
Die Initiative erinnert an «Züri autofrei». Diese Initiative der Juso kam nie vors Volk, weil das Bundesgericht sie 2020 für unzulässig erklärte. Sie verletze übergeordnetes Recht: Die Stadt dürfe Fahrverbote nur für einzelne Strassen erlassen, nicht aber flächendeckend. Der neue Text sei vorsichtiger formuliert, sind die Initianten überzeugt. Die Stadt müsse sich lediglich «so weit als möglich» für eine autofreie Zukunft einsetzen.
Getragen wird die Initiative von linken Politikerinnen, Veloaktivisten, einzelnen Gewerblern und prominenten Köpfen – darunter Rapperin Big Zis (49). «Die Vorlage kommt aus der Zivilgesellschaft», sagt Lukas Bühler (37), Sprecher des Initiativkomitees. Man habe sie bewusst breit abgestützt – über Parteien hinweg.
Die SP in der Zwickmühle
Die linken Parteien haben sich dazu noch nicht positioniert. Doch gerade die SP könnte in eine unangenehme Lage geraten. Offiziell hält man sich bedeckt. Hinter den Kulissen wird jedoch rege diskutiert, wie mehrere Quellen bestätigen: Die einen sehen in der Initiative eine Fortsetzung der bisherigen Politik, andere warnen davor. «Wir kämpfen für eine Reduktion des Autoverkehrs, und diese Initiative ist da halt konsequent», sagt ein erfahrener Parteistratege. «Sie ist unausgegoren. Aber man könnte uns Wankelmut vorwerfen, wenn wir nicht mitziehen.»
Es gibt prominente Köpfe, die mit der Forderung sympathisieren – oder gleich im Initiativkomitee sitzen: Einer von ihnen ist SP-Kantonsrat und Ex-Juso-Präsident Nicola Siegrist (28), ein anderer der bekannte Polit-Influencer und SP-Campaigner Flavien Gousset (28).
Interne Kritiker warnen, die Initiative könnte als Papiertiger enden oder zu viel des Guten sein. Zumal SP-Stadträtin Simone Brander (47), die Chefin des Tiefbaudepartements, aus Sicht vieler Parteifreunde erfolgreich daran arbeitet, die Umgestaltung des Strassenraums voranzubringen. Hinzu kommt die Erinnerung ans juristische Aus der Juso-Initiative. Die Mutterpartei hatte sich zuvor im Parlament für einen Gegenvorschlag eingesetzt.
Bleibt der Zürcher SP angesichts der Beteiligung namhafter Exponenten gar nichts anderes übrig, als die Initiative zu unterstützen? Oliver Heimgartner (29), Präsident der Stadtpartei, sagt: «Wie sich die Partei positioniert, wird von unseren Delegierten wohl erst entschieden, wenn die Vorlage urnenreif ist.» Grundsätzlich sei das Anliegen zwar sympathisch – mehr Platz für Velos und Fussgänger entspreche auch dem langjährigen Kernanliegen der SP. Ob aber die Initiative überhaupt gültig sei, werde sich noch zeigen.