Trotz Zweitwohnungs-Stopp
Mit diesem Uralt-Trick wird auf der Riederalp gebaut und gebaut

Trotz Raumplanungsgesetz und Zweitwohnungsstopp kann auf der Riederalp munter weitergebaut werden. Der brisante Grund dafür: Wer früher grosszügig einplante, profitiert heute noch davon. Kommt das Schlupfloch bald unter Druck?
Publiziert: 00:00 Uhr
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Die Riederalp besteht fast nur aus Zweitwohnungen.
Foto: imago/robertharding

Darum gehts

  • Riederalp baut trotz hohem Zweitwohnungsanteil weitere Ferienwohnungen
  • Sondernutzungspläne ermöglichen legalen Bau von Zweitwohnungen in Bergdörfern
  • Riederalp hat fast 90 Prozent Zweitwohnungsanteil, deutlich über der 20-Prozent-Grenze
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Kräne, Rohbauten, Betonfundamente – auf der Chieweide in der Gemeinde Riederalp VS wird fleissig gebaut. Mehrere Baufirmen stampfen im Walliser Ferienort gleich sieben Mehrfamilienhäuser aus dem Boden. Das Ziel: Ferienwohnungen.

Pikant: Riederalp hat einen der höchsten Zweitwohnungsanteile der Schweiz – fast 90 Prozent. Das liegt deutlich über der im Bundesgesetz vorgegebenen Limite. Dennoch wird die Gemeinde weiter zugepflastert. Wer genauer in die Vorschriften schaut, merkt: Das passiert alles ganz legal. Wie kann das sein? Blick begibt sich auf die Spuren eines gesetzlichen Schlupflochs.

Unklar, wie viele Dörfer noch Zweitwohnungen bauen

Seit bald zehn Jahren gilt in der Schweiz das Zweitwohnungsgesetz. Die Schweizer Gemeinden müssen seither dem Bund ihren Bestand an Feriendomizilen melden. Liegt er über 20 Prozent, dürfen keine weiteren Nebenwohnsitze bewilligt werden. So wollte es die Schweizer Stimmbevölkerung, als sie 2012 die Zweitwohnungsinitiative annahm.

Dennoch stellt Riederalp auf Anfrage klar: «Die erwähnten Bauvorhaben entsprechen den Vorgaben.» Der Trick ist ein sogenannter Sondernutzungsplan. Er bewahrt den Berggemeinden ihren Honigtopf. Baupläne, die vor dem 11. März 2012 bewilligt wurden, sind das Schlupfloch im Bundesgesetz. Sie gelten auch noch heute. Die Wohnhäuser auf der Chieweide würden ebenfalls einem solchen unterstehen, teilt die Gemeinde mit.

Wie viele Bergdörfer noch mittels solcher Sondernutzungspläne den Zweitwohnungsbau vorantreiben, ist schwierig zu beziffern. Der Kanton Wallis zeigt sich auf Anfrage wenig auskunftsfreudig: Es handle sich um ein kommunales Planungsinstrument. Zu beurteilen, ob die Pläne gesetzeskonform sind, obliege also den Gemeinden.

Andermatt als bekanntestes Beispiel

Mit der Ausnahmeregelung wollten Bund und Parlament sicherstellen, dass den Ferien-Hotspots nach der Inkraftsetzung des neuen Gesetzes nicht die Einnahmequellen wegbrechen. Das bekannteste Beispiel ist das Resort des ägyptischen Investors Samih Sawiris (68) in Andermatt UR.

Oftmals wird das Luxus-Projekt daher fälschlicherweise als Sonderfall bezeichnet. Auch SRF proklamierte vor drei Jahren: «Andermatt ist der einzige Ort, an dem noch Zweitwohnungen entstehen.»

Hinter dem Trugschluss liegt jedoch ein ganz anderer Grund: Sawiris’ Bauprojekt stattdessen ist das einzige in der Schweiz, bei dem Liegenschaftskäufe durch ausländische Personen weiterhin ohne Einschränkungen erlaubt sind.

Die Pläne gelten nicht für immer

Die sogenannte Lex Koller verbietet dies eigentlich. Doch der Bund hat das Tourismusprojekt bis mindestens 2040 von der Bewilligungspflicht befreit, um der Berggemeinde eine «wirtschaftliche Neuorientierung» zu ermöglichen. Andermatt bleibt damit der grosse Profiteur des neuen Zweitwohnungs-Regimes.

Alleine ist die Urner Gemeinde aber bei weitem nicht, wie der Fall Riederalp zeigt. Werden die Schweizer Berge also gegen den Volkswillen bis in alle Ewigkeit mit Ferienwohnungen zugepflastert? Ganz so einfach ist es nicht: In den ursprünglich bewilligten Bauplänen seien «Lage, Stellung, Grösse und Gestaltung der Bauten und Anlagen sowie deren Nutzungsart und Nutzungsmass» klar geregelt, so die Walliser Behörden. Heisst: Es darf nur gebaut werden, solange die Vorgaben nicht überschritten werden.

Dazu kommt: Nicht immer hält das, was die Gemeinden entscheiden, auch rechtlich stand. Ab und zu landen die Pläne aufgrund von Einsprachen auch vor Bundesgericht – und werden dort dann auch versenkt. Denn laut dem eidgenössischen Raumplanungsgesetz sind Bauzonen grundsätzlich so festzulegen, dass sie bloss einem «voraussichtlichen Bedarf für 15 Jahre» entsprechen.

Walliser Gemeinden müssen aktuell über die Bücher

Auch auf der Riederalp sind insgesamt zehn Einsprachen erhoben worden, wie die Gemeinde erklärt. «Diese wurden ordnungsgemäss – den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend – behandelt.»

Im Kanton stehe sowieso eine Gesamtrevision der kommunalen Zonen an, teilen die Walliser Behörden mit. Darin müssten die Gemeinden prüfen, ob die Bauprojekte noch dem Zweitwohnungsgesetz entsprechen. «Ist dies nicht der Fall, haben sie die Sondernutzungspläne aufzuheben oder abzuändern.»

Und manchmal sind es ganz einfach wirtschaftliche Gegebenheiten, die den Zweitwohnungsbau ausbremsen. Auf der Chieweide wären noch weitere Projekte geplant, wie Bilder zeigen. Die Bodenplatten für zwei zusätzliche Mehrfamilienhäuser sind bereits sauber gegossen im Boden versenkt. Nur: Die zuständige Baufirma wird mittlerweile liquidiert.

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