«Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde»
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Jans zum knappen Ergebnis:«Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde»

Swisscom-Zoff um E-ID
Müssen wir wegen einer 30'000-Franken-Spende nochmals abstimmen?

Das Ja zur E-ID fiel mit 50,39 Prozent hauchdünn aus – nun droht ein Nachspiel vor Bundesgericht. Auslöser ist eine Spende der Swisscom an die Ja-Kampagne. Könnten die Richter den Volksentscheid kippen? Renommierte Experten ordnen ein.
Publiziert: 13:08 Uhr
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Aktualisiert: 13:34 Uhr
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Die E-ID wurde mit 50,39 Prozent hauchdünn angenommen – ein echter Abstimmungskrimi.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • E-ID-Abstimmung knapp angenommen, juristisches Nachspiel möglich
  • Swisscom-Spende von 30'000 Franken an Ja-Kampagne umstritten
  • Abstimmungsergebnis: 50,39 Prozent für E-ID bei 2,7 Millionen Stimmen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Es war ein Abstimmungskrimi – und er könnte ein juristisches Nachspiel haben: Äusserst knapp nahm das Schweizer Stimmvolk am Sonntag die E-ID mit 50,39 Prozent an. Endgültig entschieden ist die Sache aber noch nicht. Schon wenige Tage vor dem Urnengang hatten die E-ID-Gegner Stimmrechtsbeschwerden beim Bundesgericht eingereicht. 

Auslöser ist eine Spende des bundesnahen Konzerns Swisscom in Höhe von 30'000 Franken an die Ja-Kampagne. Junge-SVP-Präsident Nils Fiechter (29), einer der Köpfe hinter dem Referendum, spricht von «unzulässiger Abstimmungspropaganda» der Swisscom: «Wenn es bei 2,7 Millionen Stimmen auf 21'000 Stimmen ankommt, hatte die Spende einen massgebenden Einfluss.» Auch Nicolas Rimoldi (30), Chef der Bewegung Mass-Voll, schrieb eine Beschwerde. «Die Abstimmung muss zwingend wiederholt werden», fordert er. 

«Ergebnis war wirklich sehr knapp»

Die Beschwerdeführer kritisieren, die Swisscom habe als bundesnaher Betrieb unlauter in den Abstimmungskampf eingegriffen. Doch wie erfolgversprechend sind die Beschwerden? Blick hat diese Frage führenden Rechtsexperten gestellt.

Andreas Glaser (48) ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich. Er blickt differenziert auf die Beschwerden zur E-ID-Vorlage. Wie deutlich oder knapp ein Ergebnis ausfalle, sei «das entscheidende Kriterium für das Bundesgericht, wenn es beurteilt, ob eine Verletzung der Abstimmungsfreiheit zur Aufhebung der Volksabstimmung führt», erklärt er. «Bei der E-ID ist das Ergebnis wirklich sehr knapp.» 

Glaser verweist auf frühere Fälle, in denen eine Aufhebung zur Diskussion stand – etwa nach der AHV-Abstimmung 2022 und der Unternehmenssteuerreform II von 2008 – oder in denen ein Urnengang sogar annulliert wurde.

2019 kippte das Bundesgericht die Abstimmung zur Heiratsstrafe-Initiative. Der Grund: Im Abstimmungsbüchlein war von 80'000 benachteiligten Ehepaaren die Rede, tatsächlich waren es fast 500'000. Dies habe die freie Willensbildung der Stimmbürger verletzt, urteilte das Bundesgericht. Weil das Nein zur Initiative mit 50,8 Prozent sehr knapp ausgefallen war, könnte der Fehler das Resultat beeinflusst haben. 

Im Fall der E-ID-Abstimmung gehe es aber nicht um Informationen des Bundesrats, sondern «nur» um Eingriffe der Swisscom, so Glaser. «Deren Einfluss im Abstimmungskampf dürfte als geringer einzustufen sein.» 

Ebenso wichtig: Bei der E-ID wurde der Mangel schon vor der Abstimmung gerügt – Fachleute sprechen von einem ordentlichen Rechtsmittelverfahren. Anders als in früheren Fällen spiele deshalb die Frage der Rechtssicherheit diesmal keine Rolle. Dennoch erwartet Glaser ein interessantes Urteil der Lausanner Richter. Er betont: «Dessen Ergebnis lässt sich nur schwer prognostizieren.»

Welche Regeln gelten für die Swisscom?

Markus Schefer (60), Staatsrechtler an der Universität Basel, sieht drei Fragen, mit denen sich das Bundesgericht befassen muss. «Erstens geht es darum, welche Regeln für die Swisscom gelten», sagt er. Bundesnahe Betriebe seien zwar grundsätzlich zur politischen Neutralität verpflichtet. «Sie dürfen sich aber sachlich und mit Zurückhaltung in einen Abstimmungskampf einbringen, wenn sie besonders betroffen sind.»

Zweitens stelle sich die Frage, ob die Unterstützung der Kampagne für die Stimmberechtigten transparent war. «Kurz gesagt: War deutlich, dass die Swisscom mit ihren Mitteln in den Abstimmungskampf eingreift?», so Schefer. Und Drittens: «Entscheidend wird sein, ob die Spende an die Ja-Kampagne das Abstimmungsergebnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit beeinflusst hat.» 

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Um das beurteilen zu können, müsse man auch die übrigen Spenden und deren Höhe betrachten. Auf den ersten Blick seien 30'000 Franken nicht viel, sagt Schefer. Bekannt ist: Die Befürworter der E-ID budgetierten gemäss offiziellen Zahlen Einnahmen von 670'000 Franken. Die Gegner setzten rund 140'000 Franken ein. Insgesamt zeigt sich Schefer skeptisch, «ob die Swisscom-Spende ausgereicht hat, um das Abstimmungsergebnis massgeblich zu beeinflussen». 

Die Swisscom selbst verwies bereits im Vorfeld gegenüber der «NZZ am Sonntag» auf ihren strategischen Auftrag. Er bestehe auch darin, zu Digitalisierung und Datenschutz beizutragen. Die E-ID liege «sehr nahe» am Kerngeschäft des Konzerns, sie ermögliche sichere digitale Dienstleistungen.

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