SVP und Mitte schlagen Alarm
Individualsteuer-Referendum auf der Kippe

Die Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die Individualbesteuerung harzt. Auch das Kantonsreferendum ist noch nicht klar. Damit bleibt offen, ob das Stimmvolk über diesen grundlegenden Steuer-Systemwechsel entscheidet.
Publiziert: 12:16 Uhr
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Aktualisiert: 12:17 Uhr
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Das Referendum gegen die Individualbesteuerung harzt. «Wir haben noch viel zu wenig Unterschriften», sagt SVP-Nationalrätin Monika Rüegger.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Referendum gegen Individualbesteuerung harzt
  • 50’000 Unterschriften sind nötig
  • Gegnerinnen warnen vor Nachteilen für traditionelle Familienmodelle
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Politikerinnen aus Mitte und SVP schlagen Alarm! Das Referendum gegen die Individualbesteuerung steht auf der Kippe. «Wir haben noch viel zu wenig Unterschriften», sagt SVP-Nationalrätin Monika Rüegger (57, OW) zu Blick.

Demnach ist erst gut die Hälfte der benötigten 50’000 Unterschriften beisammen. Am 9. Oktober läuft die Referendumsfrist ab – es bleiben also nur noch vier Wochen. «Es braucht jetzt einen Rieseneffort, wenn wir das Referendum schaffen wollen», so Rüegger.

Zwei separate Steuererklärungen

Dass es mit der Unterschriftensammlung harzt, habe einerseits mit dem Start im Juli mitten in den Sommerferien zu tun, vermutet sie. Andererseits seien sich viele Ehepaare gar nicht bewusst, was der Systemwechsel für sie bedeute und dass sie künftig zwei separate Steuererklärungen ausfüllen müssten.

«Gerade Einverdiener-Haushalte mit traditioneller Rollenverteilung wissen zudem nicht, dass sie mit der Individualbesteuerung teils massiv schlechter fahren als heute», sagt die SVP-Frau. «Reiche Doppelverdiener hingegen werden belohnt.»

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Die grosse Errungenschaft der Frau sei «die Wahlfreiheit, wie sie ihr Familienmodell gestaltet, jetzt wird eine ungerechte Diskriminierung der Familienarbeit geschaffen», so Rüegger. «Schaffen wir die benötigten Unterschriften nicht, sind viele Frauen und Familien die grossen Verlierer.»

Mitte-Binder: «Es ist eine Steuerrevolution»

Für Mitte-Ständerätin Marianne Binder (67, AG) ist es insbesondere auch aus staatspolitischer Sicht wichtig, dass die Vorlage vors Volk kommt. «Unser Steuersystem wird komplett umgebaut, 1,7 Millionen Steuererklärungen zusätzlich müssen ausgefüllt und bearbeitet werden. Es ist eine eigentliche Steuerrevolution. Das Ganze ist mit enormen Kosten verbunden», sagt sie. «Über ein solches Bürokratiemonster muss das Volk doch abstimmen können.»

Sie zeigt sich zuversichtlich, dass die Unterschriften rechtzeitig zusammenkommen. «Es wird aber ein Kraftakt. Wir müssen bewusst machen, was auf dem Spiel steht. Wir müssen alle miteinander alles geben und mit den Unterschriftenbögen auf die Strasse, den Bekanntenkreis anschreiben und, und, und. Sonst wird es eine Zitterpartie.»

Selbst wenn die Unterschriftensammlung misslingt, ein Funken Hoffnung bleibt: das Kantonsreferendum. Es braucht mindestens acht Kantone, die ein solches ergreifen. Einzelne Kantone wie Obwalden oder Thurgau haben bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst. In weiteren Kantonen wie in den beiden Appenzell, in Nidwalden oder im Aargau wird darüber diskutiert.

FDP-Balmer: «Grossteil zahlt gleich viel oder weniger»

FDP-Frauen-Präsidentin und Nationalrätin Bettina Balmer (59, ZH) befürchtet, dass das Referendum auf die eine oder andere Weise zustande kommt. «Auch wenn die Unterschriftensammlung harzt, könnte es mit dem Kantonsreferendum klappen», vermutet sie.

Obwohl sich Balmer einen Abstimmungskampf lieber ersparen würde, ist sie zuversichtlich, dass der Systemwechsel beim Stimmvolk gute Chancen hat. «Wir müssen dafür sorgen, dass gut ausgebildete Frauen mit ihrer Ausbildung auch etwas anfangen können.» Nur gut 14 Prozent der Ehepaare – «eher reichere» – müssten mehr Steuern zahlen, so Balmer. «Der Grossteil hingegen zahlt gleich viel oder weniger.»

Mitte-Initiative kommt in den Nationalrat

Doch selbst wenn das Individualsteuer-Referendum scheitert, vom Tisch ist die Ehepaar-Besteuerung damit noch nicht. So ist noch immer eine Mitte-Volksinitiative hängig, die auch für die Bundessteuer ein Splittingmodell vorsieht, wie es verschiedene Kantone auf Kantonsebene bereits kennen. 

Kommende Woche kommt das Volksbegehren in den Nationalrat. «Wir bieten damit eine gerechte Alternative», sagt Binder. «So kann die steuerliche Diskriminierung von Ehepaaren einfach, systemkompatibel und ohne neue Benachteiligungen beseitigt werden.» Auch Rüegger macht sich für die Mitte-Initiative stark. «Es ist die bessere Lösung, weil es kein Familienmodell bevorzugt oder abstraft.»

Im Nationalrat werden sich dieselben Fronten gegenüberstehen wie schon bei der Individualbesteuerung. Während Mitte und SVP für das Splittingmodell kämpfen, lehnen FDP, SP, Grüne und GLP dieses ab. Das wertkonservative Lager kommt auf 98, das progressive auf 102 Stimmen. Klar ist einmal mehr: Es wird eng.

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