Darum gehts
- Ständerat stimmt Kompromisslösung zur Individualbesteuerung zu
- Steuerausfälle von 600 Millionen Franken pro Jahr
- Kinderabzug steigt auf 12'000 Franken
- Stimmvolk hat das letzte Wort
Der Systemwechsel zur Individualbesteuerung ist eine enge Kiste, doch jetzt scheint der Durchbruch geschafft. Der Ständerat schwenkte am Dienstag auf die nationalrätliche Kompromisslösung ein. So setzte sich die Pro-Allianz aus FDP, SP, GLP und Grünen auch im Stöckli in den letzten Detailfragen hauchdünn durch. Jeweils mit 23 zu 22 Stimmen, wobei FDP-Ständeratspräsident Andrea Caroni (45, AR) den Stichentscheid fällen musste.
Will heissen: Die Steuertarife werden so justiert, dass der Anreiz zur Erwerbsaufnahme oder einer Pensenerhöhung bestehen bleibt. Der Kinderabzug hingegen wird von heute 6700 auf 12'000 Franken erhöht und zwischen den Elternteilen hälftig aufgeteilt. Damit summieren sich die Steuerausfälle auf rund 600 Millionen Franken pro Jahr.
Umstritten war in der Differenzbereinigung insbesondere die Frage des Kinderabzugs. Ein Teil wollte diesen nur auf 10'700 Franken erhöhen. Bei tiefem oder keinem Einkommen eines Elternteils, sollte der Abzug zudem vom einen auf den anderen Elternteil übertragen werden können, damit dieser nicht verfällt. Diese Lösung hätte aber 130 Millionen Franken zusätzlich an Steuerausfällen verursacht.
Knatsch um Kinderabzug
SP-Ständerätin Eva Herzog (63, BS) wehrte sich in der Debatte gegen den Übertrags-Kompromiss, der gar kein Kompromiss sei. Denn die Gegenseite lehne die Vorlage sowieso ab. Mit dem Übertrag würden gewisse Arbeitsanreize rückgängig gemacht. «Wir müssen das brachliegende Arbeitskräftepotenzial ausnutzen», so Herzog.
Mitte und SVP hielten dagegen. Markige Worte wählte SVP-Ständerat Werner Salzmann (62, BE): «Eine Mehrheit will die Ehe abschaffen!», monierte er. Wenigstens beim Kinderabzug solle man doch Gerechtigkeit schaffen.
Von einem «Etikettenschwindel» und einer «Ungerechtigkeit» sprach Mitte-Ständerat Peter Hegglin (64, ZG). Zahlreiche Familien könnten den Kinderabzug nicht vollständig geltend machen, dieser falle damit ins Leere. Mit der Übertragungsmöglichkeit und einem tieferen Kinderabzug lasse sich diese Situation korrigieren. «Sonst ist die Individualbesteuerung ein egoistisches Vorhaben.»
Auch FDP-Ständerat Martin Schmid (56, GR) hatte diese Korrektur in der zuständigen Wirtschaftskommission noch unterstützt. Doch in der Ratsdebatte schwenkte er um, weil er den grundsätzlichen Systemwechsel zur Individualbesteuerung nicht gefährden wollte. «Ich bin im Dilemma», sagte er offen. Lösen will er dieses, indem er den «Konstruktionsfehler» zu einem späteren Zeitpunkt korrigieren will.
Die Pro-Allianz setzte sich schliesslich durch. Die Vorlage ist damit bereit für die Schlussabstimmung am 20. Juni. Dann ist erneut Anwesenheitsdisziplin verlangt. Im Nationalrat liegt die Pro-Allianz mit 102 zu 98 Stimmen vorn, im Ständerat mit 23 zu 22 Stimmen – der aberkannte Sitz des bisherigen SP-Ständerats Simon Stocker (44, SH) bleibt vorerst vakant. Es bleibt bis zum Schluss eine Zitterpartie.
Stimmvolk hat das letzte Wort
Das letzte Wort zum Systemwechsel hat aber sowieso das Stimmvolk. Kommt die Vorlage durch, ist das Referendum von konservativer Seite so sicher wie das Amen in der Kirche. Scheitert sie, bringen die FDP-Frauen ihre Volksinitiative an die Urne, welche den ganzen Prozess ausgelöst hat.
Hängig ist zudem eine Volksinitiative der Mitte. Gemäss dieser soll es für Verheiratete künftig zwei Steuerberechnungen geben. Einmal als Paar; und alternativ dazu, als wären sie unverheiratet. Der tiefere der beiden berechneten Steuerbeträge würde in Rechnung gestellt werden. Der Bundesrat lehnt diese Initiative ab.