Darum gehts
- FDP, SP, Grüne und Grünliberale bilden ungewöhnliche Allianz für Steuerreform
- Widerstand von Kantonen möglich
- Acht Kantone müssen sich für ein Kantonsreferendum zusammenschliessen
In der Schweiz ist nach dem Gesetz oft vor dem Referendum. Diese Woche erneut in Bundesbern zu beobachten: Während die einen noch jubeln, bereiten die anderen schon den Aufstand vor.
Es geht um eine der grössten Steuerreformen der Schweizer Geschichte. Heute werden verheiratete Paare als Einheit besteuert. Das kann teuer werden: Arbeiten nämlich beide, muss das Ehepaar wegen der Progression mehr Steuern bezahlen als ein Konkubinatspaar mit gleichem Einkommen. Die Steuergerechtigkeits-Initiative der FDP-Frauen will die sogenannte Heiratsstrafe abschaffen. Künftig soll jede steuerpflichtige Person ihre eigene Steuererklärung einreichen – egal ob verheiratet oder ledig.
Am Mittwoch schwenkte der Kompromiss der Pro-Allianz aus FDP, SP, Grünen und Grünliberalen auf die Zielgerade ein. Um die genaue Ausgestaltung des Systemwechsels wird hart gerungen. Neuster Kostenpunkt: 600 Millionen Franken. In der Sommersession ist wieder der Ständerat an der Reihe. Gut möglich, dass eine Mehrheit auf den Kompromiss einlässt.
Der ungewöhnlichen Allianz aus Liberalen und Linken stehen die konservativen Kräfte gegenüber: Mitte und SVP wollen die Steuerreform verhindern. Die SVP will an der Ehe als wirtschaftlicher Gemeinschaft festhalten. Und die Mitte hat ihre eigene Initiative für die Abschaffung der Heiratsstrafe im Köcher.
Parteien hoffen auf Kantone
Das Problem: Zumindest in der SVP scheint die Lust zum Unterschriftensammeln nicht sehr gross zu sein. «Wir haben bereits genug zu tun», sagt SVP-Präsident Marcel Dettling (44). «Derzeit sind drei unserer Initiativen hängig, und wir kämpfen gegen die neuen EU-Verträge.» Die Partei wolle vermeiden, dazu noch allein ein Referendum zu ergreifen. Auch der Mitte käme ein Kantonsreferendum gelegen.
Hinter den Kulissen schielen darum sowohl die SVP als auch die Mitte auf ein spezielles politisches Instrument: das Kantonsreferendum. Acht Kantone müssen sich dafür zusammentun und das Referendum verlangen. In seiner 150-jährigen Geschichte haben die Stände erst einmal von diesem Recht Gebrauch gemacht. 2003 verlangten elf Kantone eine Abstimmung gegen ein Steuerpaket des Bundes, das für sie Mindereinnahmen bedeutet hätte.
Knappe Allianz möglich
Auch in der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) war das rare Referendum schon Thema, wie Blick publik machte. Allerdings haben diese wenig zu melden: In den meisten Kantonen entscheidet das kantonale Parlament, ob das Referendum verlangt werden soll.
Es braucht also die Lobbyarbeit von Mitte und SVP, damit eine solche Allianz tatsächlich eine Chance hat. Blick hat in den Kantonsparlamenten nachgezählt: In sieben Kantonen haben Mitte und SVP zusammen eine Mehrheit. Das sind Schwyz, Thurgau, Wallis, Uri, Aargau, Obwalden und St. Gallen. Allerdings gilt in St. Gallen eine Ausnahmeregel: Dort entscheidet der Regierungsrat über ein Referendum, und die beiden Parteien haben nicht die Überhand.
Es müssten also noch zwei weitere Kantone die Hand reichen. Das könnte zum Beispiel in Nidwalden oder Glarus der Fall sein. Dort haben SVP und Mitte zusammen just die Hälfte der Sitze. Es bräuchte lediglich eine abwesende Person oder einen Parteiabweichler, um die Mehrheit trotzdem zu erlangen.
Es bleibt eine knappe Nummer
Marcel Dettling trommelt jedenfalls bereits zum Aufstand: «Jetzt sind die Kantone am Zug. Sie sollten sich zusammenschliessen und Widerstand leisten», sagt er zu Blick.
Auch in der Mitte-Partei dürfte ein Kantonsreferendum die bevorzugte Lösung sein – es hätte eine grössere Signalwirkung. Die eigene Steuer-Initiative der Mitte hat im Grunde nämlich ein ähnliches Anliegen wie die Individualbesteuerung der FDP. Beide wollen die Heiratsstrafe loswerden. Ein zentraler Unterschied liegt in der Ausgestaltung. Das Mitte-Modell würde für die Kantone massiv weniger bürokratischen Aufwand bedeuten als das FDP-Modell. Der Mitte wäre es wohl dienlich, wenn die Stände bei diesem Manko selbst die Erklärungsarbeit übernähmen.
In den Kantonen wird jede Stimme zählen. Auch wenn der knappe Steuerkompromiss im Sommer die letzte Hürde nimmt: Für Mitte und SVP bleibt es eine Zitterpartie.