Was bedeutet das für Betroffene?
Jetzt beginnt das grosse Seilziehen um die Heiratsstrafe

Sollen Ehepaare mehr, weniger oder gleich viel Steuern zahlen wie Konkubinatspaare? Der Nationalrat gibt darauf nächste Woche eine Antwort – sie wird in jedem Fall kompliziert sein.
Publiziert: 04.05.2025 um 16:03 Uhr
|
Aktualisiert: 04.05.2025 um 16:40 Uhr
1/5
Wer verheiratet ist, zahlt womöglich mehr Steuern.
Foto: Keystone

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
martin_muller_0.jpg
Martin Müller
Beobachter

Im Zentrum der Nationalratsdebatte steht die sogenannte Heiratsstrafe, gemäss der Verheiratete unter Umständen mehr Steuern bezahlen müssen als Konkubinatspaare. Das soll korrigiert werden. Umstritten ist allerdings, wie das geschehen soll.

Was wird im Nationalrat demnächst entschieden?

Juristisch ist es kompliziert, weil sich zwei gegensätzliche Volksinitiativen gegenüberstehen: einerseits jene der Mitte-Partei («Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen») und andererseits jene der FDP-Frauen («Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung»).

Die Mitte-Initiative verlangt ausdrücklich eine gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren, die Initiative der FDP-Frauen verbietet sie. Der Bundesrat macht einen indirekten Gegenvorschlag, wonach künftig alle einzeln besteuert würden, auch Ehepartner.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

Probieren Sie die Mobile-App aus!

Warum ist das umstritten?

Weil alle Varianten Vor- und Nachteile haben, Gewinnerinnen und Verlierer hervorrufen. Je nachdem, wie die zur Debatte stehenden Modelle genau ausformuliert werden, wie hoch die Steuertarife sind und wer welche Abzüge machen kann, zahlt man nachher mehr oder weniger Steuern.

Betroffen davon sind nicht nur Ehe- und Konkubinatspaare, sondern alle, auch Singles und Rentnerpaare. Im Parlament ist ein Seilziehen im Gang, dabei geht es auch um die hinter den Modellen stehenden Lebensentwürfe und Gesellschaftsformen.

Für die Mitte, die frühere CVP, ist es beispielsweise wichtig, dass Ehepaare weiterhin als Einheit betrachtet werden und nicht einfach als Steuerzahlerin 1 und Steuerzahler 2.

Wie ist es heute geregelt?

Das Steuerrecht sieht vor, dass Ehepaare zusammen besteuert werden. Das heisst: Einkommen und Vermögen der beiden Ehepartner werden zusammengezählt. Bei Konkubinatspaaren passiert das nicht, selbst wenn sie jahrzehntelang unter dem gleichen Dach wohnen.

Was ist die Heiratsstrafe?

Das ist das eingängige Schlagwort dafür – auch wenn es so gar nicht stimmt. Bei Ehepaaren kommt einfach ein anderer Tarif zur Anwendung. Sie müssen nicht automatisch mehr Steuern zahlen. Es kommt darauf an, ob beide Ehepartner ungefähr gleich viel verdienen oder nicht.

Heute ist es so, dass Ehepaare, die im traditionellen Rollenmodell leben, steuerlich besser fahren als Konkubinatspaare. Das gilt, wenn hauptsächlich ein Ehepartner verdient. Paare, bei denen beide ungefähr gleich viel verdienen, zahlen hingegen tendenziell mehr Steuern, wenn sie verheiratet sind.

Worüber genau entscheidet das Parlament?

Nach langen Debatten und vielen Kompromissvorschlägen steht jetzt folgende Variante im Vordergrund: Alle Personen werden unabhängig von ihrem Zivilstand individuell besteuert.

Damit Ehepaare entlastet werden, wird der Kinderabzug von heute 6700 auf neu 10’700 (Vorschlag Ständerat) oder gar 12’000 Franken (Vorschlag Bundesrat und Nationalrat) erhöht und je zur Hälfte auf die beiden Ehepartner aufgeteilt. Zudem wird der Steuertarif so verändert, dass tiefe und mittlere Einkommen weniger bezahlen, höhere hingegen mehr.

Strittig sind die Details, etwa die Höhe des Kinderabzugs. Für Diskussionen sorgt zudem die Frage, was mit dem Kinderabzug passiert, wenn einer der Partner nichts oder fast nichts verdient.

Diesem Partner nützt ein halber Kinderabzug nichts, die Steuerrechnung ist ja schon null. Sein halber Kinderabzug bringt nur dann eine Steuererleichterung, wenn er auf den Hauptverdiener oder die Hauptverdienerin übertragen werden könnte. Das würde Paare mit klassischem Familienmodell bevorzugen.

Wer ist dafür, wer dagegen?

Die bisherigen Beratungen zeigen: Die FDP ist klar für die Individualbesteuerung, die SP und die Grünen tendenziell auch, sofern die Reform nicht zu hohen Steuerausfällen führt.

Deshalb dreht sich das Seilziehen auch um die Frage, wie hoch die Steuertarife und die Abzüge sein sollen. Denn dies hat einen direkten Einfluss auf die Höhe der Steuereinnahmen des Bundes.

Die Mitte und die SVP hingegen setzen sich weiterhin für eine Lösung ein, bei der Ehepaare zusammen besteuert werden.

Wie stehen die Chancen?

Es wird wahrscheinlich knapp werden, beide Lager haben ungefähr gleich viele Stimmen. Ohne die Linken gibt es für die von der FDP favorisierte Individualbesteuerung sicher keine Mehrheit. Deshalb wird wohl bis zuletzt um die Höhe der Abzüge gerungen und gefeilscht.

Wie geht es weiter?

Im Nationalrat steht das Geschäft auf der Traktandenliste der Sondersession, die am 5. Mai beginnt, im Juni ist dann nochmals der Ständerat an der Reihe. Selbst wenn sich im Parlament eine Mehrheit für den Systemwechsel ausspricht, kommt die Individualbesteuerung aber noch lange nicht.

Zuerst braucht es eine Volksabstimmung, und danach wird es noch viele Jahre dauern, bis der Entscheid umgesetzt ist. Denn im Detail ist die Vorlage kompliziert. Ausserdem müssten alle Kantone ihre eigenen Steuergesetze anpassen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?