Darum gehts
- SP-Nationalrätin will digitale ID für ausländische Unternehmensgründer in der Schweiz einführen
- Programm könnte Innovationslandschaft stärken und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber USA verbessern
- Estlands e-Residency-Programm brachte 2023 rund 67,5 Millionen Euro ein
Die Schweiz soll digitaler werden – davon ist SP-Nationalrätin Estelle Revaz (36, GE) überzeugt. Die Firma in der Schweiz, die Gründerinnen und Gründer im Ausland: Das will sie ermöglichen. Mit einer digitalen ID könnten ausländische Unternehmer hierzulande eine Firma gründen – ohne je ein Visum beantragen zu müssen.
In Estland ist dieses Modell längst Realität. Dort können Menschen aus aller Welt online eine Firma registrieren. Mit der sogenannten «e-Residency» erhalten Gründer Zugang zu E-Services wie Banking, Steuern und digitalen Signaturen. Allein 2023 brachte das dem Land rund 67,5 Millionen Euro ein.
Schweizer Unabhängigkeit von US-Techfirmen
«Warum haben wir das nicht?», fragt sich Revaz. Die Schweiz biete solide Voraussetzungen, um ein Start-up zu gründen: ein attraktives Steuersystem, ein guter internationaler Ruf, ein sicherer Finanzplatz. Mit einem ähnlichen Programm könne die Schweiz zusätzliche Einnahmen erzielen, die Digitalisierung vorantreiben und sich als Zentrum für Innovation etablieren.
Ausserdem könne sich die Schweiz so von US-Techfirmen unabhängig machen, sagt Revaz. Es werde viel Geld in Bildung und Forschung investiert. Aber die jungen Firmen würden hier nicht wachsen, sondern billig in die USA verkauft. «Wir ernten die Früchte unserer Arbeit nicht.» Dabei sei vor allem das Gründen am Anfang riskant.
Besonders ausserhalb der EU attraktiv
Besonders attraktiv ist das Modell für Unternehmer ausserhalb der EU oder für digitale Nomaden. Denn mit der digitalen ID lässt sich ein Unternehmen gründen, auch wenn man nie einen Fuss in die Schweiz setzt. «In Estland kann in 15 Minuten eine Firma gegründet werden», sagt Revaz. Mit dem Programm gibt es keine Staatsbürgerschaft. Die Nationalrätin betont: «Das sind zwei verschiedene Sachen.»
EU-Bürger können dank der Personenfreizügigkeit ohnehin in die Schweiz ziehen. Für sie lohnt sich das Gründen einer Firma ausserhalb der eigenen Grenzen nicht wirklich. Lokale Alternativen sind meist einfacher und günstiger.
Die grössten Hindernisse für Start-ups in der Schweiz sind Bürokratie und fehlendes Kapital. «Man bekommt das Geld selbst dann nicht zusammen, wenn man beispielsweise in eine kleinere Wohnung zieht», sagt Revaz. Es brauche Investoren, die bereit seien, das Risiko zu tragen. Indem die Schweiz ausländische Start-ups anlockt, könne sie die Innovationslandschaft stärken – und damit auch die eigene Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Amerika.
«Schweiz hat Angst davor, in die Zukunft zu investieren»
Doch die «Schweizer Befindlichkeit» stehe im Weg. «Die Schweiz hat Angst davor, in die Zukunft zu investieren.» Während die USA das Risiko als Chance sehen, blockiere hier die Vorsicht. Ein digitaler Sitz würde es ausländischen Firmen ermöglichen, sich in der Schweiz zu etablieren und dieser Befindlichkeit entgegenzuwirken.
Die «e-Residency» wäre, wie auch die E-ID, ein Teil der Digitalisierung der Behörden. Es handle sich um einen weiteren Schritt «hin zu mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit dank Digitalisierung», ist Revaz überzeugt.