Darum gehts
- SVP-Kantonsrat vor Gericht wegen Rassendiskriminierung nach Medienmitteilung über Eritreer
- Fall berührt Grenze zwischen freier Meinungsäusserung und strafbarer Diskriminierung
- Staatsanwaltschaft fordert bedingte Geldstrafe von 8400 Franken und Busse von 800 Franken
«Adressat waren Medienschaffenden»
Die Medienmitteilung sei zwar für alle einsehbar gewesen, Adressat seien aber die Medienschaffenden gewesen. «Die Mitteilung war gezielt an die Medien gerichtet, um ihnen die Möglichkeit zu geben, über den Fall zu berichten und unsere Stellungnahme dazu aufzunehmen», so Walder.
«Kann mich nicht erinnern»
«Als Parteipräsident sehe ich mich selbstverständlich in der Verantwortung.» Er glaube jedoch nicht, dass der Inhalt der Meldung strafrechtlich relevant sei und er dafür beschuldigt werden könne. Das Parteisekretariat habe bestätigt, dass Walder die Mitteilung freigegeben habe. Er selbst widerspricht dieser Aussage. «Das kann ich so nicht bestätigen, da ich mich nicht erinnern kann, ob ich den genauen Inhalt der Medienmitteilung gesehen habe.» Er glaube aber nicht.
«Ich war zum Zeitpunkt des Versands abwesend»
Als nächstes ist Patrick Walder, ehemaliger Präsident der SVP Zürich und Beschuldigter im Prozess, an der Reihe. Zuerst fragt der Richter nach den generellen Abläufen des Versands bei Medienmitteilungen bei der SVP Zürich. Bei Abwesenheit von Personen könne man von den Abläufen abweisen, so Walder. Zur konkreten Medienmitteilung im Juli 2019 sagt er: «Ich war zum Zeitpunkt des Versands der Medienmitteilung abwesend.» In den erwähnten Tagen sei er auf einem Campingplatz in Österreich gewesen. Er sei mit dem Sekretariat telefonisch in Kontakt gewesen.
«Wir sind zum Sammelbecken für Emotionen geworden»
Nach der Medienmitteilung hätten sie beim Eritreischen Medienbund Schweiz vermehrt Hass-Mails erhalten, unter anderem auch mit einer Morddrohung, einem Sensenmann oder Hunden mit aufgerissenen Mündern. Reaktionen hätten sie auch auf Social Media erhalten und es gab einen anonymen Anruf, der ihn persönlich verängstigt habe, wie Fischer erzählt. «Wir sind zum Sammelbecken für die Emotionen und Reaktionen der Leute geworden», so Fischer weiter. Ihnen seien darauf auch vermehrt rassistische Vorfälle gemeldet worden.
«Da wird eine Gruppe pauschalisiert als Gewalttäter bezeichnet»
Als nächstes wird Christian Fischer, Co-Geschäftsleiter des Eritreischen Medienbunds, angehört. Sie seien damals schockiert gewesen über die Medienmitteilung der SVP. Er erzählt von anderen Fällen, die zu dieser Zeit Schlagzeilen gemacht haben, wie etwa ein Eritreer, der in Deutschland von einem Rechtsextremen angegriffen wurde. «In dieser Lage so Stimmung zu machen von einer mächtigen Partei in der Schweiz, das hat uns sehr verunsichert und auch Angst gemacht.»
«Ich habe mich noch nie so unerwünscht gefühlt»
Semira Abebe (23) wird als erstes befragt. Sie ist eine von drei Privatklägern im Prozess. Als sie auf die Medienmitteilung der SVP gestossen sei, sei sie fassungslos gewesen, sagt sie vor Gericht. «Ich habe mich noch nie so unerwünscht in der Schweiz gefühlt, wie in diesem Moment.» Danach habe sie vermehrt Rassismus erlebt, etwa in ihrer Lehre. Zwar gab es diesen schon zuvor, jedoch eher aufgrund der Hautfarbe oder der Haare gewesen. Nach der Medienmitteilung sei es vor allem vorgekommen, als sie sagte, dass sie aus Eritrea sei.
Sie fährt fort: Wenn öffentlich rassistische Hetze verbreitet werde, habe dies Folgen auf ihr Leben, so Abebe. Etwa auf dem Wohnungsmarkt oder ihren Beruf. Das erlebe sie bis heute, wie sie auf Rückfrage bestätigt.
Richter eröffnet den Prozess
Der zuständige Richter Gregor Mercier eröffnet den Prozess. «Uns ist klar, dass der Prozess für viele der Anwesenden eine Belastung darstellt», so der Richter. Trotzdem bittet er um Ruhe und die Anwesenden aussprechen zu lassen, damit ein fairer und geordneter Prozess entstehen könne. Die anwesenden Polizisten in den Übertragungsräumen würden dafür sorgen und falls nötig Personen aus den Sälen verweisen. Der Prozess basiert auf der Anklageschrift vom 10. Januar 2025.
Verhandlung beginnt
Mit einigen Minuten Verspätung – wohl auch auf aufgrund des grossen Andrangs im Bezirksgericht Uster ZH – beginnt der Prozess.
Zufall: Busse für SVP-Schweiz
Ein Zufall: Just am Mittwoch wurde bekannt, dass die SVP Schweiz juristisches Ungemach hinnehmen muss. Ende Dezember protestierten SVP-Spitzenpolitiker mit Hellebarden und Kerzen auf dem Bundesplatz gegen das EU-Vertragspaket – ohne Bewilligung, weshalb sie nun eine Busse in dreistelliger Höhe zahlen musste. Das berichtet «20 Minuten». Wie Blick publik machte, hatte sich die Partei zunächst geweigert zu zahlen.
In Kürze beginnt der Prozess
Bereits vor Ort ist der Eritreische Medienbund, darunter Sprecherin Semira Abebe (23), die später auch vor Gericht aussagen wird, sowie Unterstützerinnen und Unterstützer des Anliegens. Sie haben Transparente und Plakate mitgebracht. Ebenfalls bereits eingetroffen ist Partick Walder, ehemaliger Präsident der Zürcher SVP. Er wird vor Gericht vertreten vom ehemaligen Zürcher SVP-Kantonsrat und Milieu-Anwalt Valentin Landmann.
Am Mittwoch steht der Zürcher SVP-Kantonsrat Patrick Walder (38) vor dem Bezirksgericht Uster. Der Vorwurf: Rassendiskriminierung. Auslöser ist eine Medienmitteilung der Zürcher SVP vom Juli 2019, in der sich die Partei nach einem tödlichen Angriff in Frankfurt pauschal zur Gefährlichkeit eritreischer Asylsuchender äusserte.
Damals hatte ein 40-jähriger Mann am Frankfurter Hauptbahnhof eine Mutter und ihren achtjährigen Sohn vor einen einfahrenden Intercity-Express gestossen – der Bub wurde überrollt und starb noch am Tatort. Der Täter, ein in der Schweiz lebender Eritreer, wurde später wegen paranoider Schizophrenie als schuldunfähig eingestuft und dauerhaft in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
In der SVP-Mitteilung, verschickt einen Tag nach der Tat, war unter anderem von «nicht integrierbaren Gewalttätern» die Rede. Wörtlich hiess es: «Die abscheuliche Tat zeigt einmal mehr auf, dass es sich bei solchen Personen um nicht integrierbare Gewalttäter handelt, die in der Schweiz nichts verloren haben.»
Walder wurde damals als Ansprechpartner genannt – er war zu jener Zeit interimistischer Präsident der Partei. Der Fall berührt eine grundsätzliche Frage: Wo endet freie politische Meinungsäusserung – und wo beginnt strafbarer Rassismus?
Eritrea-Vertreter reichten Anzeige ein
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Politiker vor, mit der Mitteilung eine feindselige Stimmung gegenüber Eritreern geschürt und deren Menschenwürde verletzt zu haben. Sie fordert eine bedingte Geldstrafe von 8400 Franken sowie eine Busse von 800 Franken.
Walder weist die Vorwürfe zurück. Wer genau damals die Medienmitteilung verfasst und verschickt habe, wisse er nicht mehr, erklärte er der «NZZ». Politisch und moralisch übernehme er die Verantwortung für alles, was während seiner Amtszeit in der Partei passiert sei, sagte er der Zeitung weiter. «Das heisst aber noch lange nicht, dass ich juristisch zu belangen bin.»
Der Eritreische Medienbund Schweiz und zwei Einzelpersonen haben Strafanzeige eingereicht und treten im Verfahren als Privatkläger auf. Sie sehen in der umstrittenen Medienmitteilung eine gezielte Stimmungsmache gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe – mit gefährlichen Folgen für Rechtsstaat und Demokratie. Es gilt die Unschuldsvermutung. Blick berichtet live aus dem Bezirksgericht.