Darum gehts
- Juso Biel löschte umstrittene Beiträge nach Krawall-Demo in Bern
- Bieler Stadträtin verteidigt Juso-Aussagen, kritisiert einseitige Medienberichterstattung
- 40 Kollektive unterzeichneten Schreiben mit Vorwürfen gegen Polizei
Die Krawall-Demo vom Samstag sorgt weiterhin für scharfe Reaktionen – auf beiden Seiten. Besonders in die Nesseln setzte sich nach den Ausschreitungen die Bieler Juso: In einem Beitrag auf den sozialen Medien warf die Stadt-Sektion dem Staat vor, «Imperialismus, Apartheid und Genozid zu schützen». In einem weiteren Beitrag bezeichnete sie die Polizei als «gewaltbefugten Arm der Bourgeoisie», der «bekämpft gehört».
Eine Distanzierung von der aus dem Ruder gelaufenen Demo klingt anders. Selbst in der Juso steht die Bieler Abteilung damit etwas schräg in der Landschaft: Juso-Schweiz-Präsidentin Mirjam Hostetmann (25) kritisierte zwar das Vorgehen der Polizei, verurteilte gegenüber Blick aber auch die Gewaltausschreitungen entschieden.
Kein Wunder löschte die Juso Biel ihre Beiträge kurze Zeit später wieder – unter anderem auch weil das «Bieler Tagblatt» die städtische SP mit den Aussagen konfrontierte.
Mehrheit der Teilnehmer sei friedlich gewesen
Die Juso-Stadtparlamentarierin Nina Schlup giesst nun aber weiter Öl ins Feuer. «Es ist sicher schade, dass es eskaliert ist. Aber: Wenn über zwei Jahre hinweg friedliche Demonstrationen ignoriert wurden, dann ist es leider eine Folge davon, dass die Menschen frustriert werden», sagt Schlup im Interview mit dem «Bieler Tagblatt».
Rechtfertigt die Jungpolitikerin damit also die Gewalt? Auf die Frage zeigt sich Schlup plötzlich wortkarg: «Ich kann nicht für diejenigen Personen sprechen, die Gewalt angewendet haben.» Die Mehrheit der Teilnehmenden habe sich zudem friedlich und familienfreundlich verhalten, so Schlup.
Bezüglich der umstrittenen Posts betont Schlup, dass nicht nur Polizisten, sondern auch Demonstrierende und Unbeteiligte verletzt worden seien. Sie kritisiert die einseitige Berichterstattung in den Medien. Die anschliessende Löschung der Beiträge sei erfolgt, da die Juso darauf mehr Reaktionen erhalten hätte als erwartet. «Es ist ein Thema, bei dem einem jedes Wort im Mund umgedreht wird», sagt die Bieler Stadträtin. «Wir wollten uns Zeit nehmen, das zu überarbeiten, damit weniger Interpretationsspielraum vorhanden ist.»
Auch Palästina-Bewegung erhebt Vorwürfe an Polizei
Schlup betont, dass die Juso weiterhin hinter dem Inhalt stehe, räumt jedoch ein, dass der Ton «etwas aggressiv» gewesen sei. «Nach einer Demonstration ist man immer etwas emotional.» Mittlerweile sind die Beiträge in abgeschwächter Form aufgeschaltet – der Aufruf zur Bekämpfung von Polizisten ist verschwunden.
Mit den Vorwürfen an die Polizei ist die Juso nicht alleine: Auch die Bewegung Solidarität mit Palästina kritisierte am Mittwoch in einer Mitteilung Polizeigewalt. 30 Kollektive und Aktivistengruppierungen unterzeichneten das Schreiben der Bewegung, so etwa Sektionen von Students for Palestine, der Partei der Arbeit oder die Vereinigung BDS für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel. Die Behörden seien «mit ungezügelter Brutalität vorgegangen» und hätten damit die Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt, hiess es. Die Bewegung nannte dabei mindestens 326 Verletzte – die Polizei sprach dagegen am Wochenende von bloss zwei verletzten Demonstrierenden.
Löschung der Beiträge nicht wegen SP-Druck
Mit ihren Aussagen stellt sich Schlup auch gegen die Ansichten der Mutterpartei: Die SP Kanton Bern forderte, dass die Demo-Organisatoren sich für Schäden und Verletzte verantworten müssten. «Das ist eine Pauschalisierung. Die Ansicht, dass nur die Organisatorinnen und Organisatoren Verantwortung tragen, ist stark vereinfacht», entgegnet Schlup.
Auch die Bieler SP machte nach dem Krawalltag deutlich, dass sie nicht hinter den Aussagen ihrer Jungpartei stehe. Davon, dass die Löschung nur unter Druck vonseiten der SP passiert sei, will Schlup aber nichts wissen: «Wir sind grundsätzlich im Austausch mit ihnen. Aber wir haben unsere eigene Meinung und es ist unsere Entscheidung, was wir posten und in welcher Form.»