Darum gehts
- FDP Zürich wehrt sich gegen günstigen Wohnraum für Gutbetuchte
- Linke Ideen finden Anklang bei bürgerlichen Wählern in Zürich
- Leerstandsquote in Zürich beträgt 0,1 Prozent, nur 235 Wohnungen stehen leer
Im stramm rot-grünen Zürich setzen auch die Bürgerlichen gerne auf staatliche Regulierungen. Kürzlich hat die FDP Zürich beschlossen, sich gegen günstigen Wohnraum für Gutbetuchte zu wehren. Der Stein des Anstosses: Ein Entscheid des Stadtparlaments, dass bei günstigen Wohnungen das Einkommen der Mieter nur noch zu Beginn abgefragt wird.
«Keine Mietzinsgeschenke für Vielverdiener!», kündigt die Stadtpartei ihr Referendum an. «Preisgünstiger Wohnraum soll nur an wirtschaftlich benachteiligte Menschen vergeben werden.» Es sind Sätze, die normalerweise eher im linken Lager ertönen. Vergrault die Partei damit nicht ihre eigene Wählerschaft?
Kritik am rot-grünen Zürich
«Wir stellen uns mit dem Referendum nicht gegen Vielverdienende in Zürich, sondern wollen lediglich, dass nur Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen preisgünstige Wohnungen erhalten», sagt Claudio Zihlmann (36), Kantonsrat und Präsident der FDP der Zürcher Kreise 7 und 8. «Ich bin mir sicher, dass vermögende Personen das genau gleich sehen wie wir.» Der Kampf gegen den Parlamentsbeschluss sei ein «No-Brainer», so Zihlmann. «Die ‹Alles oder nichts›-Mentalität der Linken ist auch für die Mehrheit der Zürcher Bevölkerung nicht nachvollziehbar.»
Der Wohnungsmarkt in Zürich ist ewiger Brennpunkt: Stand 1. Juli lag die Leerstandsquote in der Limmatstadt 0,1 Prozent. Das heisst: Es stehen gerade mal 235 Wohnungen leer. Die Mieten schiessen seit Jahren in die Höhe. Günstiger Wohnraum wird gleichzeitig durch teure Sanierungen verdrängt.
Die Chancen für das Referendum sind umso grösser, weil die Linke im Parlament nicht zum ersten Mal im Schilf steht: Im Frühling letzten Jahres, als das Gesetz das erste Mal im Gemeinderat war, kippte sie die Einkommenslimite für preisgünstige Wohnungen beinahe ganz aus dem städtischen Baugesetz.
Rot-Grüne macht sich angreifbar
Rot-Grün bekam dafür selbst vom eigenen Stadtrat Daniel Leupi (59, Grüne) aufs Dach. Zumindest die Alternative Linke schwenkte letztlich um – und setzte sich bei der Wohnpolitik plötzlich mit den Bürgerlichen ins Boot.
So ein Schulterschluss ist jedoch selten. Bisher versuchte die FDP, der Diskussion eher ihren eigenen liberalen Touch einzuhauchen: Statt Immobilien zu verstaatlichen oder Mietpreise zu regulieren, sollen stattdessen etwa Genehmigungen vereinfacht und Investoren bevorzugt werden, wenn sie günstige Wohnungen bauen.
Umfragen zeigen jedoch: Wo der Wohnraum knapp wird, kommen linke Ideen plötzlich auch bei bürgerlichen Wählern an. Am 30. November stimmt der Kanton Zürich etwa über eine Initiative ab, die Gemeinden ein Vorkaufsrecht auf Wohnraum geben will.
In Zürich haben linke Ideen Hochkonjunktur
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GFS Bern im Auftrag des Nein-Komitees kam dabei zu einem für die Gegner ernüchternden Resultat: 63 Prozent stimmen der Forderung aktuell zu.
Die linke Erzählung von den gierigen Spekulanten stösst dabei bis zur FDP auf Zustimmung. «Es fehlt ein bürgerliches Narrativ, das zu überzeugen vermag», sagte GFS-Politologin Cloé Jans (39) gegenüber der «NZZ». Muss die wirtschaftsliberale Partei in Zürich also dringend umschwenken?
«Ich glaube nicht, dass wir unsere Forderungen gleich ganz über den Haufen werfen müssen», sagt Zihlmann. «Aber es gibt durchaus Probleme, die auf kommunaler und kantonaler Ebene anders gewichtet werden.» Bei der periodischen Überprüfung der Einkommenslimite handle es sich zwar durchaus um eine Regulierung – ein üblicherweise von der FDP verpöntes Vorgehen. Sie ist laut Zihlmann jedoch minimal, unkompliziert und erlaubt es, zu überprüfen, ob die richtigen Personen in preisgünstigen Wohnungen wohnen.
Andere Kantone als Mahnmal
Linken Forderungen wie etwa einem Mietpreisdeckel oder Vorkaufsrechten will man aber weiterhin nicht Hand bieten. «Wir sehen aus anderen Kantonen, dass diese Instrumente ganz einfach nicht funktionieren.» Im Kanton Basel-Stadt wird der Mietzins nach Sanierungen etwa bereits seit drei Jahren kontrolliert – um Luxuswohnungen zu verhindern. «Die Baugesuche sind als Konsequenz um rund zwei Drittel eingebrochen», sagt Zihlmann.
Anreize für Bauherren stehen daher bei der Zürcher FDP auch zukünftig im Zentrum. Auf Stadtgebiet gehen die Bemühungen jedoch weiter in die andere Richtung: Letzten November nahm die Stimmbevölkerung die Gegenvorschläge zu einer SP-Initiative an, die forderte, dass die Stadt und ihre Wohnbaustiftungen mehr Liegenschaften und Grundstücke kaufen.
Eine FDP-Initiative, die die Aufstockung von Wohnhäusern fördern wollte, wurde dagegen von der Stadtregierung ohne Gegenvorschlag als ungültig erklärt.