«Das ist eine empörende Aussage»
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Kantonale Mindestlöhne unter Beschuss
Sozialdirektoren befürchten zusätzliche Sozialhilfe

Arbeitgeber-Direktor Roland A. Müller befeuert mit einer brisanten Aussage die Debatte über kantonale Mindestlöhne. Nun wehren sich die Sozialdirektoren der betroffenen Kantone Genf und Neuenburg sowie der Stadtzürcher Sozialvorsteher.
Publiziert: 16.06.2025 um 18:46 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2025 um 22:48 Uhr
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Die Debatte über kantonale Mindestlöhne bewegt die Gemüter.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Arbeitgeber-Direktor löst Debatte über existenzsichernde Löhne aus
  • Sozialdirektoren kritisieren Haltung des Arbeitgeberverbands in offenem Brief
  • 17'000 Arbeitnehmende in Zürich ohne existenzsichernden Lohn
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

«Man kann von den Arbeitgebern oder von der Wirtschaft nicht verlangen, dass sie Existenzsicherung betreiben. Irgendwo hört es auf», sagte Arbeitgeber-Direktor Roland A. Müller (62) Ende März in einer Anhörung der Wirtschaftskommission, wie Blick publik machte. Und weiter: «Da muss dann schlussendlich die Sozialhilfe einspringen.»

Mit dieser Haltung sticht er in ein Wespennest. Just vor der Debatte über kantonale Mindestlöhne, über die der Nationalrat am Dienstag entscheidet, gehen die Wogen hoch.

In einem offenen Brief an den Arbeitgeberverband melden sich nun auch die Sozialdirektoren der betroffenen Kantone Neuenburg und Genf, Florence Nater (56) und Thierry Apothéloz (54), zu Wort. Flankiert vom Stadtzürcher Sozialvorsteher Raphael Golta (49), in dessen Stadt ein kommunaler Mindestlohn vor Gericht hängig ist.

Sozialchefs zeigen sich «befremdet»

Die drei SP-Politiker zeigen sich «befremdet» über die Haltung des Arbeitgeberverbands. «Die sozialen Netze und der soziale Zusammenhalt sind in unserem Land zwingend darauf angewiesen, dass Arbeitgebende existenzsichernde Löhne ausbezahlen», machen sie in ihrem Schreiben deutlich. Die Sozialhilfe solle als letztes Netz der sozialen Sicherung dienen und nicht zur Subventionierung von Tieflöhnen durch die Steuerzahler. 

Aus sozialpolitischer Sicht seien moderate Mindestlöhne ein geeignetes Mittel zur Armutsbekämpfung, insbesondere der Working-Poor-Problematik. Wie hoch existenzsichernde Löhne sein sollten, hänge dabei von den regionalen Lebenshaltungskosten ab. Genau hier würden kantonale und kommunale Mindestlöhne ansetzen, die mit dem neuen Bundesgesetz aber ausgehebelt würden, monieren sie.

Wieder mehr Sozialhilfe

Die Sozialchefs warnen nun, dass mit dem neuen Gesetz in den Kantonen Neuenburg und Genf Zehntausende Arbeitnehmende «wieder von der Sozialhilfe abhängig zu werden drohen». In der Stadt Zürich wiederum gehe es um rund 17'000 Arbeitnehmende ohne existenzsichernden Lohn, die heute teils mit Sozialhilfe unterstützt würden. «Der von den Stimmberechtigten beschlossene Mindestlohn könnte das verhindern.»

Der Arbeitgeberverband wollte sich auf Anfrage nicht zum Schreiben der drei Sozialchefs äussern.

In einem früheren Gespräch mit Blick verteidigte Müller aber seine Aussagen: «Natürlich ist es das Ziel, dass man vom eigenen Lohn leben kann – das ist völlig unbestritten», erklärte er. Die Realität zeichne aber ein anderes Bild. Es gebe gewisse Tätigkeiten oder Branchen, in denen höhere Löhne nicht möglich seien, weil die Unternehmen die entsprechende Wirtschaftsleistung nicht erbringen könnten. «Zu hohe Mindestlöhne führen dort dazu, dass diese Jobs verschwinden. Damit ist den Betroffenen auch nicht geholfen.»

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