Darum gehts
- Nationalrat diskutiert über kantonale Mindestlöhne
- Gastrosuisse-Präsident Beat Imhof verteidigt Gesamtarbeitsverträge vor kantonalen Mindestlöhnen
- Fünf Kantone haben Mindestlöhne zwischen 20 und 24.50 Franken pro Stunde
Linke und Gewerkschaften wetzen bereits die Messer, das Referendum liegt in der Luft. Nächste Woche diskutiert der Nationalrat über kantonale Mindestlöhne, eine hitzige Debatte ist vorprogrammiert. Fünf Kantone kennen bereits eigene Mindestlöhne. Diese variieren zwischen 20 Franken pro Stunde im Tessin und 24.50 Franken in Genf. Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien wollen diese nun einschränken.
So sollen vom Bundesrat als allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge (GAV) Vorrang vor kantonalen Mindestlöhnen haben. Auch wenn dort die Untergrenzen anders geregelt sind. In drei Kantonen ist dies bereits der Fall, in Neuenburg und Genf hingegen gehen die kantonalen Mindestlöhne vor.
Der Branchenverband Gastrosuisse kämpft an vorderster Front für die Anpassung. Beizer-Präsident Beat Imhof (53) erklärt im Blick-Interview, weshalb.
Blick: Herr Imhof, Arbeitgeber-Direktor Roland Müller sorgt mit der Aussage für Aufregung, wonach Löhne nicht zwingend zur Existenzsicherung reichen müssen. Sehen Sie das ebenso?
Beat Imhof: Nein, das sehen wir nicht so. Jemand, der 100 Prozent arbeitet, soll davon leben können. Wir wollen keine Working Poor. Wenn wir es als Branche nicht schaffen, anständige Löhne zu bezahlen, haben wir auf dem Markt keine Zukunft. Allerdings muss man schon sehen, dass die Arbeitgeber nicht für die stetig steigenden Krankenkassenprämien und die Mieten verantwortlich sind.
Sie teilen damit ja die Zielsetzung kantonaler Mindestlöhne. Trotzdem wehren Sie sich dagegen!
Wir sind nicht per se gegen kantonale Mindestlöhne. Gibt es aber einen von den Sozialpartnern ausgehandelten und vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärten GAV, soll dieser Vorrang haben. Ein GAV ist ein Gesamtpaket, der nicht nur Mindestlöhne enthält, sondern viele weitere Regelungen zugunsten der Mitarbeitenden – wie zusätzliche Ferien, 13. Monatslohn oder Aus- und Weiterbildung. Dieses Gesamtsystem gerät in Gefahr, wenn man nur einzelne Elemente herauspickt.
Bloss, der tiefste Grundlohn liegt im Gastrobereich zumindest während einer Einführungszeit bei rund 18 Franken Stundenlohn, mit Zuschlägen sind es gut 21 Franken. Davon kann doch niemand leben.
Der tiefste Lohn ohne Ausbildung bei einer 42-Stunden-Woche ist 20.36 Franken. Dies ohne den vorgegebenen 13. Monatslohn, und ohne die fünfte Woche Ferien eingerechnet zu haben. Bereits nach 5 Wochen Progresso-Kurs ist der Lohn bei 21.62 Franken. Das sind Einstiegslöhne für Ungelernte. Dabei handelt es sich oft um Angestellte, die unsere Sprache kaum können. Oder solche, die ein Rüebli noch nicht von einer Tomate unterscheiden können und wirklich keine Erfahrung mitbringen. Wir bieten diesen Leuten niederschwellige und finanzierte Weiterbildung an, damit sie rasch auf höhere Löhne kommen. Weiterbildung soll sich lohnen! Die Gastrobranche ist ein wichtiger Integrationsmotor.
Wer den kantonalen Mindestlohn nicht zahlt, ist ein «mieser Unternehmer oder hinterlistiger Ausbeuter», sagt SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (63). Von welchen hat es in der Gastrobranche mehr?
Weder noch! Oft ist der Unterschied zu den kantonalen Mindestlöhnen klein, und zum Beispiel in Neuenburg liegt der tiefste Gastrolohn sogar höher. Erst recht, wenn man die weiteren Leistungen im allgemeinverbindlich erklärten GAV mit einkalkuliert. In der Realität sind die Löhne oft jetzt schon höher, weil wir sonst gar keine Fach- und Arbeitskräfte mehr bekommen würden. Bei Grenzgängern sind Mindestlöhne noch eher Realität. Diese haben jedoch auch tiefere Lebenshaltungskosten. Aber wie gesagt: Wer sich weiterbildet, verdient rasch mehr. Da muss sich die Politik nicht einmischen.
Das Stimmvolk hat eingegriffen, weil es in gewissen Branchen Missstände sieht. Nun wollen Sie diese Entscheide kippen. Respektieren Sie den Volkswillen nicht?
Das Gegenteil ist der Fall. In drei von fünf Kantonen gilt bereits der Vorrang der Gesamtarbeitsverträge, so wie wir das nun auf Bundesebene fordern. Das Stimmvolk hat allen Vorschlägen, die dies abgefragt haben, explizit zugestimmt. Das verschweigen Linke und Gewerkschaften gerne. Also, wer respektiert hier den Volkswillen nicht?
Nur in zwei Kantonen, Genf und Neuenburg, gehen derzeit die höheren kantonalen Mindestlöhne vor. Diese mit einem Bundesgesetz zu kippen, ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
In weiteren Kantonen sind ähnliche Initiativen hängig. Wir wollen verhindern, dass die Sozialpartnerschaft durch solche Partikularinteressen weiter zerstört wird. Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften ein Gesamtpaket verhandeln, kann man doch nicht ein einzelnes Element herausnehmen und einseitig neu regeln. Die Gewerkschaften werden damit vertragsbrüchig. Das ist eine populistische, linke Zwängerei. Wir wollen ein gutes Gesamtpaket mit einem starken Lohnschutz für alle Mitarbeitenden.