«Gewerkschaften spielen eine unfaire Doppelrolle»
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SVP-Gutjahr über Löhne:«Gewerkschaften spielen eine unfaire Doppelrolle»

Brisanter Nationalrats-Entscheid steht an
Sind 4000 Franken Lohn zu viel?

Sollen kantonale Mindestlöhne gelten oder die Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern? Darüber berät diese Woche der Nationalrat. Für Personen im Tieflohnbereich kann das mehrere Hundert Franken pro Monat ausmachen.
Publiziert: 15.06.2025 um 14:52 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2025 um 15:53 Uhr
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Es sei nicht zwingend Aufgabe von Firmen, existenzsichernde Löhne zu zahlen, sagt Arbeitgeber-Direktor Roland A. Müller und ernt dafür Empörung.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Nationalrat entscheidet über Umgehung kantonaler Mindestlöhne durch Gesamtarbeitsverträge
  • Arbeitgeber-Direktor sorgt für Empörung mit Aussage zu existenzsicherndem Lohn
  • Fünf Kantone haben Mindestlöhne von rund 4000 Franken eingeführt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Wie viel Lohn ist genug zum Leben? Die Debatte dreht, seit Blick eine brisante Aussage von Roland A. Müller (62), dem Direktor des Arbeitgeberverbandes, publik gemacht hat: «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber», hatte Müller in einer Anhörung der nationalrätlichen Wirtschaftskommission gesagt.

Reiche der Lohn nicht, könne auch die Sozialhilfe einspringen, so Müller. Das sei immer noch besser und günstiger, als wenn jemand keinen Job habe. Damit sorgte der Arbeitgeber-Direktor für Empörung.

Nationalrat trifft folgenschweren Entscheid

Wie viel Lohn ist genug zum Leben? Diese Woche trifft der Nationalrat hier einen ersten wichtigen Entscheid. Die grosse Parlamentskammer entscheidet nämlich, ob künftig kantonale Mindestlöhne umgangen werden können. Dies soll laut einem Vorstoss der Fall sein können, wenn in einer Branche ein Gesamtarbeitsvertrag vorliegt. Dann sollen die Löhne tiefer sein als die kantonalen Mindestlöhne.

In Zahlen heisst dies: Sind rund 4000 Franken genug oder reichen 3650 Franken? Denn fünf Kantone kennen Mindestlöhne, drei Städte wollen sie noch einführen. Diese Mindestlöhne liegen bei rund 4000 Franken. Etwas tiefer sind in verschiedenen Branchen die in den Gesamtarbeitsverträgen festgeschriebenen Mindestsaläre. Bei den Coiffeusen liegen die tiefsten Löhne bei 3650 Franken, im Gastgewerbe erhalten Ungelernte rund 3700 Franken.

Weniger Lohn oder weniger Jobs?

Käme die Vorlage nach dem National- auch noch im Ständerat durch, würden «würden Tausende Leute in den Grenzgebieten und in den Städten bis zu 600 Franken weniger Lohn» haben, warnt in einem Streitgespräch in der SonntagsZeitung der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, Daniel Lampart (57). «Solange man Unternehmer nicht zwingt, mehr als 4000 Franken zu zahlen, wird es immer solche geben, die weniger zahlen.»

Arbeitgeber-Direktor Müller, betont dagegen, er habe nie dazu aufgerufen, tiefe Löhne zu zahlen. Es gebe aber einfach Branchen, «wo die Firmen in Gottes Namen nicht genug verdienen, um höhere Löhne zu zahlen.» Textilreinigungen, Wellness-Einrichtungen oder das Bestattungswesen seien solche Branchen. «Wenn es diese Jobs nicht mehr gibt, ist niemandem gedient. Aber natürlich bleibt das Ziel, dass dies eine sehr kleine Minderheit betrifft und die Löhne insgesamt steigen.»

Betroffen seien etwa zwei Prozent aller Beschäftigten. Wo die Gesamtarbeitsverträge von kantonalen Mindestlöhnen übersteuert würden, drohe der Verlust von Ausbildungsplätzen wie Praktika, sagt Müller gegenüber der Zeitung.

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