Darum gehts
- FDP-Delegiertenversammlung entscheidet über EU-Verträge
- Alt Bundesräte liefern sich Schlagabtausch
- Nationalrat Simon Michel kritisiert Einmischung ehemaliger Magistraten
Grosses Seilziehen in der FDP. Am Samstag trifft sich die Partei in Bern zur Delegiertenversammlung – der Richtungsentscheid zu den EU-Verträgen wird mit Spannung erwartet. In der Partei gibt es zwei Lager: EU-Enthusiasten und EU-Skeptiker.
Kurz vorher liegen die Nerven blank. Sogar alt Bundesräte der FDP liefern sich einen öffentlichen Schlagabtausch. Am Montag meldete sich zuerst Johann Schneider-Ammann (73) in der NZZ in einem Gastkommentar zu Wort und argumentierte gegen die EU-Verträge. Darauf reagierte Pascal Couchepin (83) bei CH-Media-Publikationen. Er befürworte die Verträge ganz klar. Und bei einer Ja-Parole werde er gar die Parteispende erhöhen.
«Ich werde mich persönlich entschuldigen»
Als flammender Befürworter der EU-Verträge enervierte sich FDP-Nationalrat und Unternehmer Simon Michel (48, SO) über den NZZ-Artikel von Schneider-Ammann. In einem Linkedin-Kommentar schrieb er: «Wer Johann Schneider-Ammann kennt, weiss, dass er a) nicht so denkt und b) aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr so schreiben kann.»
Eine explosive Aussage: Will Michel damit sagen, dass Schneider-Ammann nicht mehr zurechnungsfähig ist?
Auf Anfrage macht der Solothurner Nationalrat einen Rückzieher. Der Kommentar sei in dieser Form unnötig gewesen. «Ich werde mich bei Johann Schneider-Ammann an der Delegiertenversammlung persönlich entschuldigen», erklärt der Solothurner.
Schneider-Ammann reagierte bisher nicht auf Michels Vorwürfe. Eine Blick-Anfrage blieb unbeantwortet.
Kritik an offensiven Ex-Magistraten
Mit grundsätzlicher Kritik an den vorpreschenden alt Bundesräten spart Michel allerdings nicht. «Ich halte es generell für problematisch, wenn sich alt Bundesräte jetzt in die Debatte einmischen», sagt Michel. «Das gilt für beide Seiten.» Also auch für EU-Befürworter Couchepin.
«Ehemalige Magistraten tragen ein besonderes Gewicht, und ich bin mir nicht sicher, ob sie sich dessen bewusst sind. Das macht ihre öffentlichen Äusserungen heikel, besonders so kurz vor der Delegiertenversammlung. Sie waren weder in den parteiinternen Gremien noch in Arbeitsgruppen oder Ausschüssen in die Behandlung der EU-Verträge eingebunden.»
Es bleibt abzuwarten, ob sich das angriffige Klima nach der Delegiertenversammlung beruhigt. Michel hofft jedenfalls, dass sich alle Parteimitglieder an die Parolenfassung halten werden. «Natürlich dürfen alle ihre Meinung sagen. Aber die Fronten verhärten sich dadurch, und für die Parteileitung wird es damit nicht einfacher.» Er selbst werde sich an den Entscheid halten. «So funktioniert das auch in der Wirtschaft, ich bin daran gewohnt.»