Darum gehts
- EU plant Reduzierung zollfreier Stahlimporte und Erhöhung der Zölle
- Schweiz erhält keine Ausnahme von neuen EU-Stahlimportregeln
- Zollfreie Stahlimporte sollen um 47 Prozent auf 18,3 Millionen Tonnen reduziert werden
In der EU sollen künftig jährlich noch 18,3 Millionen Tonnen Stahl zollfrei importiert werden können, wie die Europäische Kommission am Mittwoch in Strassburg forderte. Damit würden die heutigen zollfreien Mengen von insgesamt 30,5 Millionen Tonnen um 47 Prozent reduziert.
Zusätzlich schlägt die Brüsseler Behörde vor, Stahlimporte ausserhalb der Kontingente mit einem 50-Prozent-Zollsatz zu belegen. Derzeit liegt dieser Zollsatz bei 25 Prozent.
Die Kommission will mit den Massnahmen die Stahlindustrie in der EU vor weltweiten Stahlüberkapazitäten schützen. Gemäss eigenen Angaben betragen diese derzeit 620 Millionen Tonnen und würden zunehmen.
Nach Ansicht der Kommission sind die Massnahmen mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform. Der Kommissionsvorschlag soll die bestehenden Schutzmassnahmen, die Ende Juni 2026 auslaufen, ersetzen.
Keine Ausnahme für die Schweiz
Die neuen Regeln sollen weltweit gelten und länderspezifische Kontingente seien derzeit nicht vorgesehen, wie ein EU-Beamter in Brüssel sagte. Ausnahmen gebe es für die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) - Norwegen, Island und Liechtenstein - sowie Beitrittskandidaten, die sich in einer «aussergewöhnlichen und unmittelbaren Sicherheitslage» befänden - sprich die Ukraine.
Die EWR-Staaten seien aufgrund ihrer «engen und einzigartigen» Integration ausgenommen. Für die Schweiz gelte dies nicht, da sie nicht das gleiche Niveau an Integration wie die Staaten des EWR erreiche, sagte der Beamte.
Unter den heutigen Schutzmassnahmen profitieren Schweizer Stahlproduzenten für spezifische Stahlprodukte von Kontingenten. Diese gewährte die EU-Kommission der Schweiz nach Verhandlungen mit dem Bund.
Stahl-Verbände besorgt
Die angekündigten Massnahmen der Europäischen Kommission auf Stahl kommen gemäss dem Dachverband Metal Suisse ohne länderspezifische Kontingente für die Schweizer Produzenten einem Exportverbot gleich. Auch der Maschinen- und Metallverband Swissmem nahm die Ankündigung mit Sorge zur Kenntnis. Swissmem erwarte nun, dass die Schweiz von der EU zumindest angemessene länderspezifische Kontingente erhalte, sagte ein Sprecher des Verbands der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage. Das Ziel bleibe, dass die Schweiz von den geplanten Massnahmen ausgenommen werde.
Mit Kontingenten in der Grösse wie bis anhin oder nur minim reduziert, würden sich die Folgen für die Schweizer Stahlindustrie in Grenzen halten. Wenn nicht, würde ein weiterer Teil des europäischen Stahlmarktes für Schweizer Firmen wegbrechen, wie der Sprecher weiter sagte.
Der Zoll von 50 Prozent, der nach dem Ausschöpfen des zollfreien Kontingentes anfallen wird, sei dabei irrelevant. Gemäss Swissmem hätten Exporteure schon beim heutigen Zoll von 25 Prozent auf dem EU-Markt keine Chancen mehr.
Auch der Dachverband des Werkstoffkreislaufs Metalle «Metal Suisse» hofft auf einen konstruktiven Dialog zwischen den schweizerischen und europäischen Behörden, wie sein Geschäftsführer, Andreas Steffes, auf Anfrage sagte. Ohne eine Lösung werde eine Produktion in der Schweiz «undenkbar».
Ohne länderspezifische Quote würde das Prinzip «first come, first serve» gelten. Dieses sei für die Schweizer Recyclingwerke keine Option, da jeweils nur Stahl produziert werde, wenn es auch Bedarf gebe. Daher tragen aus Sicht von Metal Suisse die Schweizer Werke nicht zum Problem der weltweiten Überproduktion bei, gegen welches sich die EU schützen möchte.
Rat und Parlament entscheiden
Die Brüsseler Behörde verzichtete diesmal auf länderspezifische Kontingente. Ihrer Ansicht nach besteht ein globales Problem, welches eine globale Lösung erfordert. Deshalb wolle sie «so rasch wie möglich» mit gleichgesinnten Wirtschaftspartner Gespräche aufnehmen, um Lösungen zu finden, sagte der Beamte weiter. Es bestehe aber keine Garantie, dass etablierte Handelsströme erhalten bleiben.
Der Vorschlag der Kommission werde nun dem Rat der EU, in welchem die Mitgliedstaaten vertreten sind, und dem Europäischen Parlament unterbreitet. Die neuen Handelshürden sollen spätestens im Sommer 2026 in Kraft treten und die heutigen Schutzmassnahmen ersetzen.
Letztere gelten seit dem Juni 2018 und wurde als Reaktion auf die damaligen US-Zölle auf Stahl und Aluminium eingeführt. Die EU-Schutzmassnahmen wurden mehrmals verlängert. Allerdings dürfen sie gemäss WTO-Regeln nicht über acht Jahre hinweg gelten.