Darum gehts
- Ignazio Cassis klaute 1989 im Tessin zwei Videokassetten
- Er ist heute Mitglied des Bundesrats
- Heute steht er zum Vorfall, in der «Weltwoche» entschuldigt er sich
Wir schreiben das Jahr 1989 in der Tessiner Gemeinde Morbio Inferiore. Kurz vor halb vier fällt in einer Migros-Filiale auf, dass ein Kunde zwei Videokassetten einsteckt. Darauf bezahlt er andere Waren an der Kasse und verlässt das Geschäft, ohne für die Kassetten aufzukommen. Der Geschäftsführer alarmiert daraufhin die Polizei, diese vernimmt den jungen Mann, der sich als Student ausgibt. So die Geschichte, die der ehemalige SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli (64) in der «Weltwoche» erzählt.
Klingt nach einem Kavaliersdelikt? Ist es vielleicht auch. Doch hinter der Tat steckt kein gewöhnlicher Bürger, sondern der heutige Bundesrat Ignazio Cassis (64), wie die «Weltwoche» und die Tessiner Zeitung «Mattino della Domenica» nun enthüllt haben.
Fälschlicherweise als Student ausgegeben
Cassis war damals 27 Jahre alt, lebte in der Tessiner Gemeinde Sessa und gab sich bei der Vernehmung durch die Polizei als Student aus. Letzteres, obwohl er damals das medizinische Staatsexamen bereits absolviert hatte und als Assistenzarzt arbeitete.
Für Mörgeli steht damit fest, dass die Tat von Cassis nicht als Jugendsünde abgetan werden kann. Ignazio Cassis sei bereits ein «ausgebildeter Akademiker gewesen, dem am Kantonsspital in Lugano eine verantwortungsvolle ärztliche Tätigkeit anvertraut war», schreibt Mörgeli.
Und was sagt der betroffene Bundesrat selbst? Cassis nimmt Stellung. Er hat sich offenbar nicht juristisch gegen die Berichterstattung gewehrt, obwohl er gewisse Chancen gehabt haben dürfte, diese mit Verweis auf das «Recht auf Vergessen» einzuschränken. Stattdessen hat er sich für eine Vorwärtsstrategie entschieden.
Der Vorfall, den er sehr bedaure, betreffe sein Privatleben vor 36 Jahren, als er 27 Jahre alt gewesen sei, so Cassis gegenüber der «Weltwoche». Und weiter: «Es war ein Fehler, für den ich mich damals beim Geschäftsführer entschuldigt habe. Leider macht man im Leben Fehler – auch ich bin davon nicht ausgenommen.» Gegenüber Blick bestätigt Cassis' Aussendepartement die Stellungnahme.
Übrigens: Der 27-jährige Cassis hat in der Folge für die Kassetten bezahlt. Der Vorfall ist von der Polizei protokolliert worden. Ob es zu einer Strafanzeige gekommen ist, ist nicht bekannt.