Endet der Milliardenauftrag vor Gericht?
Stadler Rail gegen SBB – heute kommts zum Knatsch-Gipfel

Die Nerven sind auf beiden Seiten angespannt. Stadler-Rail-Boss Peter Spuhler schiesst gegen seinen wichtigsten Kunden SBB. Und die SBB stehen nach ihrem Milliardenauftrag nach Deutschland im Kreuzfeuer. Heute Donnerstag treffen sich die Streitparteien nun.
Publiziert: 00:29 Uhr
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Grossauftrag aus Bern: SBB-Chef Vincent Ducrot informierte letzte Woche über die Vergabe für die Produktion von 116 Doppelstockzügen.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Siemens erhält den Milliardenauftrag der SBB für neue Doppelstockzüge – Stadler Rail geht leer aus
  • Nach heftiger Kritik treffen sich die SBB mit Stadler zu einem Gespräch
  • SBB erklären Hintergründe und äussern sich zu Verfahren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Ein Milliardenauftrag geht nach Deutschland – und die halbe Schweiz wähnt sich auf dem Abstellgleis. Siemens bekommt den SBB-Auftrag für 116 neue Doppelstockzüge, nicht Stadler Rail aus dem Thurgau. Das Unternehmen von Peter Spuhler (66) geht leer aus, obwohl sein Angebot nur 0,6 Prozent teurer war.

Die zentrale Frage: Warum fiel die Wahl auf Siemens? Laut SBB schnitten die Deutschen nicht nur beim Preis, sondern auch bei Nachhaltigkeit und Instandhaltung besser ab. «Zero Points» für Stadler Rail. Details nannten die SBB keine. Stadler tobt: Die Bewertung sei unfair.

«Die ganze Wahrheit muss auf den Tisch», kommentierte Blick. Wer mit Steuergeld wirtschaftet, schulde der Öffentlichkeit Rechenschaft. Auch aus dem Bundeshaus wächst der Druck: Politiker fordern eine Prüfung durch die Geschäftsprüfungskommission.

SBB und Stadler treffen sich

Und die SBB? Will das Unternehmen Transparenz schaffen und die Bewertung offenlegen? Erfährt die Öffentlichkeit bald mehr über die vollständigen Punktewertungen und Gewichtung der Kriterien?

Blick weiss aus zuverlässigen Quellen: Heute Donnerstag treffen sich die beiden Streitparteien. Stadler Rail will wissen, warum sie deutlich schlechter abgeschnitten hat als Konkurrent Siemens. Spuhlers Firma erhielt bisher nur einen dreiseitigen Bescheid mit Punktzahlen – ohne Begründung.

Ohne auf das konkrete Treffen einzugehen, erklärt ein SBB-Sprecher: Man werde «alle Anbieter wie üblich bei Ausschreibungen transparent darüber informieren, wie die Bewertungsergebnisse zustande gekommen sind». Nach Blick-Informationen treten beide Seiten taktisch auf. Stadler schickt eine hochrangige Delegation, aber nicht Spuhler selbst. Die SBB lassen sich nur von Projektverantwortlichen vertreten.

Die SBB scheinen sich ihrer Sache allerdings sicher zu sein: Rund 100 Fachspezialisten und Fachspezialistinnen hätten «die Kriterien sachlich und unabhängig bewertet», hält das Unternehmen fest. Im sogenannten Debriefing-Gespräch werde man die Punktezahlen «transparent erläutern».

«Haben den Auftrag an Siemens erteilt»
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CEO Ducrot zu SBB-Entscheid:«Haben den Auftrag an Siemens erteilt»

«Kein Kopf-an-Kopf-Rennen»

Der SBB-Sprecher betont: «Es war kein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den verschiedenen Angeboten, der Entscheid fiel klar zugunsten von Siemens Mobility aus.»

Dass jetzt massive Kritik auf die Bundesbahnen einprasselt? «Wir verstehen sehr gut, dass die Vergabe in der Öffentlichkeit Fragen aufgeworfen hat und emotionale Reaktionen hervorruft.» Konkret zu Stadler äussern sich die SBB nicht, man spricht konsequent von «Anbietern». Ebenso kommentiere man keine Details zur Vergabe.

Transparenz sei der SBB sehr wichtig, sagt der Sprecher. Doch als Vergabestelle sei man an die Beschaffungsgesetze gebunden und müsse Vertraulichkeit wahren – auch wegen der börsenkotierten Firmen.

Zudem, so die SBB, hätten die Bewertungen auf den vorgängig publizierten Kriterien und dem bekannten Bewertungssystem basiert, das allen Anbietern bekannt gewesen sei. «Mit anderen Worten», so der Sprecher: «Alle Anbieter haben diese Ausschreibungsbedingungen und Kriterien akzeptiert.»

Zoffen sie sich bald vor Gericht?

Ob Stadler nach den Gesprächen mit den SBB einlenkt, wird sich zeigen. Allerdings hat Patron Spuhler bereits offensiv angekündigt, einen Rekurs zu prüfen.

Für Branchenkenner ist klar: Für Stadler gibt es nun kaum ein Zurück. «Wer sich öffentlich so weit aus dem Fenster gelehnt hat, muss das jetzt auch durchziehen», sagt ein Insider.

Die Zeit drängt. Innerhalb von 20 Tagen müsste Stadler eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichen – und darlegen, warum der Zuschlag an Siemens aus ihrer Sicht rechtswidrig war. Ein Aufeinandertreffen vor Gericht wäre brisant: Zum ersten Mal würde sich Stadler offen gegen seinen wichtigsten Kunden stellen – das Vertrauen zwischen dem Zugbauer und den SBB stünde auf dem Spiel.

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