Eklat in Militärmusik
Armeemusiker verweigert Auftritt – wegen Nazi-Komponist

Das Soldatenlied «Lili Marleen» ist eigentlich harmlos. Geschrieben wurde es aber von einem umstrittenen Nazi-Komponisten. Ein Orchestermitglied der Schweizer Militärmusik protestierte deshalb dagegen, es zu spielen.
Publiziert: 08:18 Uhr
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Aktualisiert: 09:15 Uhr
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Vor Auftritten im solothurnischen Riedholz kam es in der Schweizer Militärmusik zum Eklat. (Archivbild)
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Schweizer Militärmusiker verweigert Aufführung von «Lili Marleen» wegen Nazi-Verbindung
  • Komponist Norbert Schultze war Mitglied der NSDAP und schrieb Propagandalieder für Goebbels
  • Die Armee führt «Lili Marleen» regelmässig auf, trotz kontroverser Vergangenheit
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Viel Lärm bei der Schweizer Militärmusik: Vor einem Auftritt des Armeeorchesters im Kanton Solothurn kam es zum Protest. Ein Mitglied weigerte sich, an der Aufführung teilzunehmen. Grund: das Lied «Lili Marleen».

Norbert Schultze (1911–2002), der Komponist des beliebten Soldatenliedes, war während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der NSDAP – und komponierte im Auftrag von Joseph Goebbels (1897–1945) nationalsozialistische Propagandalieder. Der Text von «Lili Marleen», der von einem durch den Krieg getrennten Liebespaar handelt, ist zwar harmlos. Dennoch stellt sich die Frage: Darf man das noch?

Maulkorb für Armeemusiker?

Ein Armeemusiker hat da eine klare Meinung: Laut CH Media weigerte er sich vergangene Woche an zwei Konzerten in Riedholz SO, das Stück zu spielen. Nachdem er erst wenige Tage vor dem Auftritt die Noten erhalten hatte, habe er auf dem Heimweg von der Probe den Namen des Komponisten gegoogelt – und sei erschrocken.

Der Musiker meldete seine Bedenken dem Kommandanten. Dieser zeigte für die Bedenken des Armeemitglieds Verständnis und sorgte für einen Ersatz. Trotzdem: Laut dem Musiker kam es danach zum Maulkorb. Zwar habe sich anschliessend auch der Oberst verständnisvoll gezeigt. Er habe ihn jedoch dazu angehalten, davon nichts seinen Bandkollegen zu erzählen.

Die Armee widerspricht gegenüber CH Media dieser Darstellung. Stattdessen habe man versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden, um den Fokus auf das Konzert zu behalten. Man habe «innerhalb des Orchesters offen darüber gesprochen, und alle trugen diesen Entscheid mit». Ein anderer an den Konzerten anwesender Militärmusiker stellt die Darstellung jedoch infrage: Er habe nichts von solchen Diskussionen mitbekommen.

Komponist rechtfertigte Kriegspropaganda

Laut Armee wird «Lili Marleen» regelmässig von Militärorchestern aufgeführt. «Die Militärmusik ist sich bewusst, dass es durchaus Werke gibt, die beispielsweise aufgrund ihres Bezugs zum Zweiten Weltkrieg kontrovers sind», teilt eine Sprecherin gegenüber CH Media mit. Man achte bei der Programmgestaltung darauf und kläre Unklarheiten sorgfältig ab.

Komponist Schultze versuchte nach dem Zweiten Weltkrieg, sich für sein Mitwirken im Nazi-Regime reinzuwaschen: Er rechtfertigte seine Auftragsarbeiten damit, dass die Alternative gewesen wäre, an der Front zu sterben. Und in seinem Testament verfügte er, dass die Urheberrechtsgebühren für seine Kriegskompositionen – einschliesslich «Lili Marleen» – an das Deutsche Rote Kreuz gehen sollten.

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