Die drei Stationen ergeben auf der Landkarte ein Dreieck – oder, je nach Lesart, einen Halbmond. Gleich nach der Bundesratssitzung am nächsten Mittwoch wird Bundesrat Ignazio Cassis (64) zu einer viertägigen Reise aufbrechen. Sie führt ihn von Jordanien über den Irak bis nach Kuwait. Ein EDA-Sprecher bestätigt die Informationen von Blick.
Der Trip gilt offiziell als eine diplomatische Standardvisite des Aussenministers wie viele andere. Auf dem Programm steht auch eine Botschaftseröffnung – Courant normal. Tatsächlich aber befindet sich der EDA-Vorsteher auf ziemlich delikater Mission.
Verräterisch ist alleine schon das Timing. Nach dem Waffenstillstand in Gaza schaut die Welt erst recht auf den Nahen Osten und auf US-Präsident Donald Trump (79) mit seinem Friedensplan. Wer im ganzen Drama nicht einmal mehr eine Statistenrolle spielt, ist die Schweiz. Bezeichnend ist, dass man am sogenannten Friedensgipfel im ägyptischen Sharm el-Sheikh nicht einmal eingeladen war. Neben den grossen europäischen Nationen sonnten sich gar Staatsvertreter wie Ungarns Viktor Orbán (62) im Licht der Weltpolitik.
Schweiz verzichtete auf Völkerrechtskonferenz
Der einzige Schweizer Vertreter an der Seite Trumps und der arabischen und israelischen Führer war Fifa-Präsident Gianni Infantino (55). Das ist bitter für die Eidgenossenschaft, die sich die Politik der Guten Dienste wie kaum eine andere Nation auf die Fahne geschrieben hat.
Trotz des Trumpfs als Depositarstaat der Genfer Konvention und des amerikanischen Schutzmachtmandats im Iran – die Schweiz hat ihren Marktwert als diplomatische Vermittlungskraft im Nahen Osten zu einem grossen Teil verloren. Die Musik spielt heute woanders, von Katar über Riad bis Ankara.
Vielsagend ist eine Episode von diesem Frühling: Die Uno-Vollversammlung formulierte im März den Wunsch an die Schweiz, in Genf eine internationale Konferenz zu möglichen Völkerrechtsverletzungen in Gaza durchzuführen. EDA-Vorsteher Cassis war im Dilemma – beide möglichen Entscheide bargen Risiken. Auf diplomatischen Druck aus Israel und den USA hin verzichtete der Bund schliesslich darauf.
Fact Finding Mission des Sonderbotschafters
Mit dem Manöver hat sich die Schweiz laut Beobachtern viel Zuspruch in der arabischen Welt verspielt. Cassis’ Reise in den Orient kann vor diesem Hintergrund auch als diplomatischer Bussgang betrachtet werden. Cassis wird sich bewusst sein, dass es kaum ein anderes aussenpolitisches Feld gibt, das derart vermint ist. Die Debatte um die Anerkennung Palästinas ist ein aktuelles Beispiel.
Parallel dazu laufen die Bemühungen des Aussendepartements auf Hochtouren, im Gazakonflikt humanitär einen Beitrag zu leisten. Cassis’ Sonderbotschafter Wolfgang Amadeus Brülhart begab sich hierzu in den vergangenen Tagen auf eine Recherchereise ins Heilige Land. Es galt auszuloten, wo die Schweiz substanziell helfen kann. Das bleibt die DNA des Landes, das mit IKRK-Gründer Henry Dunant (1828–1910) den ersten Friedensnobelpreisträger hervorgebracht hat.