Waffen, Geld, Einfluss – in Gaza braucht es mehr als ein Machtwort
Warum Trumps Plan zur Entwaffnung der Hamas kaum realistisch ist

Donald Trump will die Hamas entwaffnen – notfalls mit Gewalt. Sein Plan klingt entschlossen, doch die Realität im Gazastreifen ist komplizierter: Ohne politische Perspektive, wirtschaftliche Alternativen und internationale Geduld bleibt die Entwaffnung reine Illusion.
Publiziert: 17:32 Uhr
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Donald Trump will die Hamas entmachten – doch im Gazastreifen spricht die Realität eine andere Sprache.
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Donald Trump (79) legt die Latte hoch: «Wenn sie nicht abrüsten, werden wir sie entwaffnen. Und das wird schnell und vielleicht gewaltsam geschehen.» Das Versprechen stellt die politische Realität auf die Probe.

Kann die Hamas im Gazastreifen wirklich entwaffnet werden, bloss weil ein US-Präsident es anordnet? Die kurze Antwort: sehr unwahrscheinlich – und das aus mehreren, handfesten Gründen.

Wer oder was folgt auf die Hamas?

Zuerst: Die Hamas ist mehr als eine Terrormiliz. Sie ist Herrscherin eines dicht besiedelten Küstenstreifens, Verwaltungsmacht, Sozialnetz und ideologische Bewegung in einem. Ihre Waffen sind nicht nur Kriegsgerät, sie sind politisches Kapital und Identität. «Solange die Hamas als Idee existiert, kann sie jederzeit zurückkehren – bewaffnet oder nicht», warnt Islamwissenschaftler Simon Wolfgang Fuchs gegenüber Deutscher Welle.

Solange keine glaubwürdige Alternative vorhanden ist, die Lohn, Sicherheit und Grundversorgung bietet, bleibt die Versuchung für Teile der Bevölkerung bestehen, sich an bewaffneten Strukturen zu orientieren. Das haben vergleichbare Entwaffnungsversuche in Afghanistan und im Kosovo gezeigt: Formale Abrüstung kann schnell ausgehöhlt werden, wenn Macht, Geld und Ankerpersonen unverändert bleiben.

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US-Präsident Donald Trump fordert in seinem 20-Punkte-Plan zur Nahostpolitik die vollständige Entwaffnung der Hamas – notfalls mit Gewalt.
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Was uns zum zweiten Problem bringt: Wer soll die Verantwortung in Gaza übernehmen? Trump skizziert in seinem 20-Punkte-Plan eine Übergangslösung mit internationaler Beteiligung. Angenommen, Israel zieht sich tatsächlich formell zurück, müssten arabische Nachbarn, Uno oder eine hybride Truppe einspringen. Doch jede dieser Optionen hat ihre Schattenseiten: Eine Uno-Mission braucht ein robustes Mandat – und Jahre, Milliarden und Zehntausende Soldaten; arabische Truppen könnten regionalpolitisch parteiisch wirken; eine rein internationale Truppe findet wohl weder genügend israelisches noch palästinensisches Vertrauen. Ohne eine glaubhafte Sicherheitsarchitektur bleibt jede Entwaffnung theoretisch.

Waffen bedeuten Kontrolle

Drittens: Kontrolle über Waffen bedeutet auch Kontrolle über Geldflüsse und Logistik. Solange Geld aus dem Ausland, Schmuggelrouten und lokale Patronagen nicht beendet werden, lassen sich Waffenbestände kaum dauerhaft vernichten. Entscheidend wäre eine koordinierte internationale Strategie, die nicht nur Gewehre einsammelt, sondern auch die finanziellen Netzwerke kappt — inklusive Sanktionen, Grenzüberwachung und Alternativangeboten für jene, die jetzt von Hamas-Gehaltschecks leben. Solch ein Szenario ist technisch möglich, politisch aber extrem anspruchsvoll.

Viertens: Die Hamas selbst ist nicht ohne Optionen. Sie redet ungern von Entwaffnung, vorgeschlagen wurde stattdessen bereits ein «Einfrieren» der Waffen für mehrere Jahre oder deren Verwahrung unter arabischer Aufsicht. Damit wäre die sichtbare Bedrohung reduziert, aber die Kampfkraft und das Netzwerk blieben bestehen — eine Art latent schlafender Organismus. Ob die internationale Gemeinschaft das als Erfolg akzeptiert, ist offen; für Israel wäre das nicht unbedingt beruhigend.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Was also wäre das realistischste Szenario? Am wahrscheinlichsten ist laut Experten des US-Thinktanks Atlantic Council eine gestufte, langwierige Entwaffnung — gekoppelt an starke internationale Präsenz, massive Aufbauhilfen und eine politische Perspektive für die Palästinenser. Eine reine militärische Zerschlagung würde enorme Kosten haben, zivile Opfer bringen und die Wahrscheinlichkeit eines späteren Wiederaufstehens bewaffneter Strukturen nicht beseitigen. Erfahrungen aus Ländern wie Sierra Leone zeigen, dass Uno-Mandate funktionieren können – aber sie sind selten schnell, billig oder dauerhaft populär. 

Trumps Duktus ist einfach: Entwaffnung – oder Gewalt. Die Welt aber operiert komplizierter. Entwaffnung lässt sich nicht per Dekret erzwingen; sie braucht ein Paket aus Sicherheit, politischer Partizipation, wirtschaftlicher Perspektive und langfristiger internationaler Verpflichtung. Ohne all das droht jede schöne Ankündigung zurückzufallen in die harte Logik der Macht: Waffen verschwinden nicht, weil man es sagt — sie verschwinden, wenn die Leute keinen Grund mehr sehen, sie zu behalten. Und diesen Grund in Gaza nachhaltig zu beseitigen, wird weit mehr verlangen als rhetorisches Sprücheklopfen.

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