Deutsche sind hässig wegen Mautplänen für Gotthard
«Als Dank sollte die EU jeden Schweizer zur Kasse bitten»

Schweizer Politiker erwägen eine Tunnelgebühr für Ausländer am Gotthard. Darauf reagieren deutsche Autofahrer verärgert. Einige fordern Gegenmassnahmen. Eine besondere Idee: «Startgebühren» für Schweizer Raser auf deutschen Autobahnen.
Publiziert: 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 14:03 Uhr
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Am Gotthard staut sich der Verkehr regelmässig. Viele Urnerinnen und Urner fordern Massnahmen gegen die Verkehrsüberlastung.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Einige Schweizer Politiker möchten eine Tunnelgebühr für Durchreisende am Gotthard
  • Deutsche Reaktionen: Kritik an Gebühr, Forderungen nach Gegenmassnahmen
  • 90 Nationalräte unterstützen Vorstoss, Experten schlagen 30 bis 60 Franken vor
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Die Urner haben genug vom Verkehr. Und das schlägt Wellen bis ins Bundeshaus. Gleich mehrere Vorstösse, die den Verkehr am Gotthard eindämmen wollen, waren in letzter Zeit Thema im Parlament.

Die letzte Idee brachte nun der Urner Nationalrat Simon Stadler (37, Mitte) ein: eine Tunnelgebühr. Zahlen soll, wer nur durch die Schweiz fährt und sich nicht länger im Land aufhält. Je nach Verkehr am Gotthard wäre der Preis höher oder tiefer. 90 Nationalrätinnen und Nationalräte aus allen grösseren Parteien haben den Vorstoss unterschrieben. Experten sagten in der «Sonntagszeitung», die Durchfahrt müsse zu Stosszeiten zwischen 30 und 60 Franken kosten, damit sie wirke.

Vignette kostet schon genug

Niederländer und Deutsche wären wohl am stärksten betroffen, wenn der Vorschlag im Parlament eine Mehrheit fände. Schliesslich nutzen sie das Nadelöhr in den Schweizer Alpen für ihre Italienreisen. Kein Wunder, erregt das Thema gerade jetzt zur Ferienzeit die Gemüter im Ausland. Anfang Woche berichtete das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» über die Schweizer Ideen. Zumindest bei den Leserinnen und Lesern des Magazins kommen sie nicht gut an, wie Facebook-Kommentare zum Artikel zeigen.

Klar ist: Die Deutschen haben keine Lust, eine zusätzliche Gebühr für die Fahrt durch die Schweiz zu zahlen. «Früher nannte man das Wegelagerei», schreibt ein Nutzer. Mehrfach zu lesen ist das Argument, dass die Schweizer Autobahnvignette bereits teuer genug sei. «Der Tourist, der nur für zwei Durchfahrten im Jahr die Vignette für das ganze Jahr bezahlen muss, ist schon genug gestraft», schreibt eine Facebook-Userin.

Manche Deutsche fordern deshalb auch Gegenmassnahmen wie eine Ausländermaut für deutsche Strassen. «Die EU sollte jetzt als Dank jeden Schweizer beim Grenzübertritt zur Kasse bitten.»

«Startgebühr» für Schweizer Autobahnraser?

Besonders ins Visier nehmen die Kommentierenden Schweizer Schnellfahrer auf deutschen Autobahnen. «Ich finde, Schweizer könnten für ihre Autorennen auf der A81 auch mal eine angemessene Startgebühr zahlen», schreibt ein Nutzer. Ein anderer fügt hinzu: «Für Schweizer Autos sollten auf deutschen Autobahnen die Schweizer Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten.»

Und auch die Einkaufstouristen geraten ins Visier. Die Vorschläge reichen von der Abschaffung der Mehrwertsteuer-Rückerstattung bis zur Gebühr für Einkaufstouristen, die am Wochenende grenznahe Städte belagerten.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die eine Gebühr gutheissen. «Verbrenner fahren kann gar nicht teuer genug sein», schreibt jemand mit Blick auf den Klimaschutz. Andere erwähnen, dass die Autobahngebühren in gewissen Ländern höher seien und man auch für die Fahrt durch den Arlberg- oder Mont-Blanc-Tunnel Gebühren zahle.

Probleme mit EU vorprogrammiert?

Tatsächlich ist unter Juristen umstritten, ob eine rein auf Ausländer beschränkte Gebühr durchsetzbar wäre, oder ob die Schweiz dadurch Probleme mit der EU bekäme. Alex Erath, Professor für Verkehr und Mobilität an der Fachhochschule Nordwestschweiz, warnte in der «Sonntagszeitung», eine Maut wäre «diskriminierend gegenüber EU-Bürgern». Er könne sich «nicht vorstellen, dass die EU eine solche Lösung akzeptieren würde». Zudem ist er überzeugt: «Wenn weniger EU-Bürger durch den Gotthard fahren, würden stattdessen einfach mehr Schweizerinnen und Schweizer den Tunnel nutzen.»

Als effektiver bewertet der Experte eine Gebühr für alle Nutzer, auch solche aus der Schweiz. Erst im Mai allerdings scheiterte eine allgemeine Tunnelgebühr im Nationalrat – mit nur einer Stimme Unterschied. Insbesondere der Tourismuskanton Tessin wehrte sich dagegen.

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