Bund greift durch
Polizei darf bei Fahndungen die Hautfarbe nicht mehr angeben

Der Bund hat den Kantonspolizeien untersagt, Hautfarbe im nationalen Fahndungssystem zu verwenden. Auslöser war eine Beschwerde. In Bern beschwichtigt man: Das Merkmal werde ohnehin nur selten eingetragen. In Polizeikreisen gibt es aber auch Missmut.
Publiziert: 08.09.2025 um 20:14 Uhr
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Aktualisiert: vor 51 Minuten
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Bei Fahndungen dürfen die Schweizer Polizeikorps nicht mehr die Hautfarbe angeben.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Schweizer Polizei entfernt Hautfarbe aus nationalem Fahndungssystem Ripol
  • Fedpol begründet Änderung mit unpräziser Wahrnehmung und internationaler Praxis
  • Hautfarbe werde in weniger als einem Prozent der Ripol-Einträge als Angabe genutzt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Das Schreiben aus Bern flatterte kurz vor dem Wochenende in die Postfächer der Polizeikorps: Seit Freitag ist es Schweizer Polizistinnen und Polizisten nicht mehr möglich, die Hautfarbe einer gesuchten Person in das nationale Fahndungssystem Ripol einzutragen. Das teilte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) den Polizeikorps mit. Eine «offizielle Beschwerde» habe den Bund dazu genötigt, das Merkmal zu entfernen, heisst es im Schreiben, das Blick vorliegt.

Der Entscheid sei sorgfältig geprüft worden. Laut dem Schreiben müsse die Hautfarbe «in der heutigen vielschichtigen Gesellschaft kritisch hinterfragt werden». Sie gelte als unterschiedlich wahrgenommenes und daher nicht eindeutig definierbares Merkmal. Gegenüber Blick bestätigt das Fedpol die Änderung.

International wird die Hautfarbe nicht genannt

In Polizeikreisen sorgt der Entscheid auch für Missmut, wie Blick erfahren hat. Die Ermittler würden dadurch unnötig bei den Fahndungen eingeschränkt, so die Sorge. Der Bund selbst beschwichtigt: Die Angabe würde bei Personenbeschreibungen sowieso kaum genutzt. «Die Hautfarbe als Bestandteil eines Signalements in der Ausschreibung wurde schon einige Zeit reflektiert», erklärt das Fedpol auf Anfrage weiter. Sie diene nur in weniger als einem Prozent der Ripol-Einträge überhaupt als Angabe.

Ebenfalls habe sich im Erfahrungsaustausch mit ausländischen Partnerbehörden gezeigt, dass das Element in den internationalen Fahndungssystemen gar nicht genutzt werde und als unpräzise gelte – «insbesondere angesichts immer häufiger vorhandener Bildaufnahmen von Täterschaften», so das Fedpol.

Und was ist mit der offiziellen Beschwerde, die im Schreiben an die Polizeien genannt wird? Sie sei vonseiten einer ausländischen Behörde erfolgt, teilt das Fedpol gegenüber Blick mit. Der Bund versichert jedoch: Man habe bereits vor der Rüge aus dem Ausland geprüft, ob die Praxis noch zeitgemäss sei.

Die kantonalen Polizeikorps zeigen sich derweil schmallippig. Die Kantonspolizei Zürich bestätigt auf Anfrage einzig, sie sei am letzten Freitag über die Neuerungen orientiert worden. «Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.»

Auch die Aargauer und Berner Polizeien bestätigen die Neuerung. Die Kantonspolizei Bern hält fest, es könne noch nicht beurteilt werden, inwiefern und ob der Entscheid überhaupt einen Einfluss auf die Arbeit der Polizei haben werde.

Racial Profiling schon lange im Fokus

Ob beim Entscheid, der laut Fedpol bereits im Sommer getätigt wurde, auch die Kantone einbezogen wurden, bleibt ebenfalls unbeantwortet. Wie der Bund schreibt, gebe es zwar einen «fortwährenden Austausch» mit den Kantonspolizeien. So müsste auch noch geklärt werden, ob es durch die Abschaffung nun ein alternatives oder ergänzendes Element brauche.

Über mögliches Racial Profiling durch Polizeibehörden wird in der Schweiz seit längerem diskutiert. Gemeint sind dabei Kontrollen und Personenbeschreibungen, die sich vor allem auf Merkmale wie Hautfarbe, Religion oder Nationalität stützen. Bereits 2017 hielt das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte in einer von der Stadt Zürich in Auftrag gegebenen Studie fest, dass sich Fahndungs- oder Personenbeschreibungen nicht ausschliesslich auf Hautfarbe oder eine zugeschriebene ethnische Zugehörigkeit abstützen dürften.

Auslöser für die Studie war unter anderem die Personenkontrolle des Schweiz-Kenianers Mohamed Wa Baile (50) am Zürcher Hauptbahnhof, die zwei Jahre zuvor eine Welle der Entrüstung ausgelöst hatte. 2021 bemängelte zudem eine Uno-Arbeitsgruppe, die Ausbildung der Schweizer Polizisten reiche nicht aus, um Racial Profiling wirksam zu verhindern.

Im Fall Wa Baile kassierte die Schweiz schliesslich auch eine Rüge des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Die Gerichte hätten zu wenig geprüft, ob bei der Kontrolle diskriminierende Gründe eine Rolle gespielt haben könnten.

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