Es hat schon wieder gebrannt in Zürich
Fans liefern weiter Randale – trotz harter Massnahmen

Neue Strategien gegen Fussballchaoten zeigen beschränkt Wirkung. In Zürich kam es zum Saisonstart erneut zu Ausschreitungen, während die Zukunft des Kaskadenmodells infrage gestellt wird. Behörden, Politik und Klubs suchen weiter nach Lösungen.
Publiziert: 29.07.2025 um 11:53 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2025 um 12:20 Uhr
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Mutmassliche Fussballfans haben am Wochenende am Albisriederplatz in Zürich Gegenstände auf einer Tramhaltestelle angezündet.
Foto: Stadtpolizei Zürich

Darum gehts

  • Trotz Massnahmen keine spürbare Verbesserung der Fangewalt im Schweizer Fussball
  • Task-Force Sport in Zürich aufgelöst, Arbeit in Regelbetrieb überführt
  • 37 Partien der Super League mit gewalttätigen Ereignissen besonderer Schwere registriert
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Brennende Pyros, Schlägereien, Angriffe auf die Polizei: Ausschreitungen im Umfeld von Fussballspielen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Politik und Bewilligungsbehörden versuchten in der vergangenen Saison, mit scharfen Massnahmen und markigen Worten gegen die sogenannten Fussballchaoten vorzugehen.

So kündigte der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (66, parteilos) vergangenen Herbst eine neue Task-Force Sport bei der Polizei an und sagte an die Adresse der Chaoten: «In meinen Augen sind diese Gewalttäter keine Fans, sondern gewöhnliche Kriminelle, denen es darum geht, andere einzuschüchtern und einen rechtsfreien Raum zu schaffen.»

Zusätzlich führten die Behörden entgegen dem Willen des Fussballverbandes, der Klubs und der Fanvertreter das sogenannte Kaskadenmodell ein. Anlässlich der neuen Saison stellt sich die Frage: Hat das Ganze etwas gebracht?

Schon wieder Gewalt in Zürich

Pünktlich zum Saisonbeginn kam es am Wochenende schon wieder zu Ausschreitungen in Zürich: Die Stadtpolizei hat am späten Freitagabend gegen mutmassliche Fans des FC Zürich Gummischrot eingesetzt. Eine Fangruppe habe zuvor eine Patrouille bedrängt, schrieb die Polizei in einer Mitteilung.

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Letzte Saison registrierte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bei 37 Partien der Super League «gewalttätige Ereignisse von besonderer Schwere». Diese Einstufung erfolgt etwa bei Körperverletzungen vor Spielbeginn, Angriffen auf Polizeikräfte oder dem Werfen von Böllern. Solche Vorfälle betrafen 16 Prozent aller Spiele.

In der Saison 2023/24 waren es 40 Spiele der Super League, die in diese Kategorie fielen. Eine spürbare Verbesserung der Lage ist damit statistisch nicht zu erkennen.

Task-Force Sport schon wieder aufgelöst

Die Kantonspolizei Zürich hat kürzlich darüber informiert, was für Erfolge die Task-Force Sport in acht Monaten Arbeit verbuchen konnte. 

48 Vorfälle wurden gemäss einer Medienmitteilung behandelt, wobei das Spektrum von einer Sprayerin bis hin zu tätlichen Angriffen reicht. Besonders oft hatten es die Mitarbeitenden der Polizei mit Anhängern des FC Zürich zu tun. Ermittlungen hätten zu 38 Verhaftungen geführt, heisst es in der Mitteilung weiter.

15 von ihnen sind wegen Raubdelikten festgenommen worden – ein Tatbestand, der beim Fedpol in der Statistik zur Fangewalt nicht auftaucht. Dort ist nach wie vor das Abbrennen von Pyros das mit Abstand am häufigsten erfasste Delikt.

Kürzlich berichtete die «NZZ», dass die Task-Force nun aufgelöst werde. Warum tut man das, wenn sie erfolgreich ist? Bei der Polizei konkretisiert man auf Anfrage von Blick, dass die Arbeit der Sondergruppe in den Regelbetrieb übergeführt werde.

Vielerorts heisst es in Zürich hinter vorgehaltener Hand, es dürfte sich bei der Task-Force Sport um geschicktes Politmarketing des Zürcher Sicherheitsdirektors und FCZ-Fans Fehr handeln. Allerdings gibt es auch Positives aus den Fankurven zur Task-Force zu hören. So schaffe sie es, Einzeltäter zu ermitteln – und setze eben nicht auf Kollektivstrafen.

Polizeidirektoren halten an Kaskadenmodell fest

Ein rosiges Bild malt die Swiss Football League, die Vereinigung der Profiklubs. Sie teilte Anfang Juli mit, die Sicherheitslage habe sich verbessert – stützend auf die Zahlen des Fedpol. Auch die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) ist dieser Ansicht. «Die Sicherheitslage rund um die Spiele der Super League hat sich in der vergangenen Saison entspannt», schrieb sie letzte Woche in einer Medienmitteilung. Statistisch lässt sich dies aber vor allem bei Spielen der Challenge League belegen.

Dort sank die Zahl der Partien mit gewalttätigen Ereignissen von besonderer Schwere in der Saison 2024/25 auf sechs – in der Saison 2023/24 waren es noch 17. Bei Cup-Spielen oder der Super League lässt sich über die letzten drei Jahre hingegen keine grosse Verbesserung erkennen.

Neben einer gestiegenen Sensibilität für Gewalt im Sport habe auch das «viel gescholtene» Kaskadenmodell zum «Rückgang der Gewalt» beigetragen, ist man sich bei der KKJPD sicher. Dieses war in der abgelaufenen Saison erstmals zur Anwendung gekommen.

Das Kaskadenmodell habe einen verstärkten Dialog zwischen Behörden, Klubs und Fans eingefordert, so Karin Kayser-Frutschi (58), Präsidentin der KKJPD und Regierungsrätin in Nidwalden, gegenüber Blick. Zudem habe das Modell disziplinierend gewirkt, wenn einem Klub die Kurvensperre gedroht habe, argumentiert sie.

Wie weiter mit Kollektivstrafen?

Allerdings musste die KKJPD hier einen Dämpfer erleben. Das Zürcher Statthalteramt stellte im Juni fest: Die Sperrung der Zürcher Südkurve durch das Zürcher Sicherheitsdepartement im Januar 2024 war nicht verhältnismässig und darum rechtswidrig. Tausende friedfertige Matchbesucher seien kollektiv bestraft worden. Das Urteil bringt das Kaskadenmodell ins Wanken. Der Stadtrat zog den Entscheid des Statthalteramts allerdings ans Verwaltungsgericht weiter. Die Klubs, die stark von ihrer Fanbasis abhängig sind, wehren sich weiter. Liga-CEO Claudius Schäfer hält das Kaskadenmodell für «weder zielführend noch rechtsstaatlich fundiert – wenn nicht sogar rechtswidrig».

Nach den Sommerferien hat die KKJPD erneut Gespräche zwischen Politik und Fussballvertretern geplant. Weil sich die Klubs weiterhin mit der Einführung personalisierter Tickets schwertun, hofft die KKJPD, dass das Parlament in Bern die rechtliche Grundlage dafür schafft. «Die Swiss Football League und die Klubs der Super League sind eingeladen, sich an dieser Diskussion zu beteiligen», so Kayser-Frutschi.

Auch hier zeichnet sich ein harter Kampf neben dem Spielfeld ab – eine einfache Lösung ist nicht in Sicht.

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