Es ist der Zankapfel im Schweizer Klubfussball: das Kaskadenmodell, mit dem Politik und Polizeibehörden seit dieser Saison auf Gewalt im Umfeld von Matches reagieren. Erst auf diese Saison hin ist es eingeführt worden. Jetzt zeigen Recherchen: Das Modell in seiner jetzigen Form hat wohl keine Zukunft.
Blick hat kurz vor Saisonende mit Vertretern von Politik, Polizeibehörden, Klubs und Liga geredet. Dabei hat sich herausgestellt: Praktisch niemand ist mit der aktuellen Situation zufrieden. Die Umsetzung der ausgesprochenen Kurvensperren wird in den meisten Fällen als missglückt bis dilettantisch bezeichnet. Und eine gewichtige personelle Veränderung könnte den Weg für eine Neuaushandlung frei machen.
Alle müssen das Gesicht wahren
Die Frage scheint bloss zu sein, ob ein Weg gefunden wird, mit dem alle Beteiligten das Gesicht wahren können. Diese heikle Ausgangslage ist der Grund, warum die meisten Gesprächspartner nicht zitiert werden wollen.
Seit März 2024 herrscht Eiszeit zwischen Politik und Fussball. Damals erklärte die Swiss Football League (SFL) als Vertreterin des Profifussballs, sie lehne das Kaskadenmodell ab. Und das ausgerechnet an jener Medienkonferenz, an der die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen (KKJPD) das Modell der Öffentlichkeit präsentierte.
Danach blieben die Fronten verhärtet. Unter anderem, weil in der KKJPD mit dem Walliser Staatsrat Frédéric Favre ein absoluter Hardliner für das Thema zuständig war. Favre hatte einst – wenn auch recht erfolglos – dem FC Sion kurzzeitig verschärfte Sicherheitskontrollen und personalisierte Tickets aufgezwungen. Mit ihm schien eine Annäherung an die Liga undenkbar. Als «blockiert» bezeichnen mehrere Quellen die Situation.
Hardliner kümmert sich jetzt um Olympische Spiele
Das könnte sich jetzt ändern. Seit dem 1. Mai ist Favre nicht mehr in der KKJPD tätig. Er kümmert sich nun als CEO um die Schweizer Kandidatur für Olympische Winterspiele 2038. Die Hoffnung vieler Insider: Ohne den Walliser kommen die Gespräche wieder in Gang. Und dass es Gespräche braucht, wissen alle Seiten.
Gelöst werden muss vor allem der Streit um Stufe drei des Modells. Bei dieser werden nach Gewalttaten Teile von Stadien gesperrt. Dabei kann es sich auch um Vorfälle ausserhalb der Stadien handeln. Die Behörden nennen das eine präventive Massnahme, um weitere Gewalt zu verhindern. Fans, Klubs und Liga sehen darin eine Kollektivstrafe, bei der viele für die Verfehlungen weniger geradestehen müssen.
Ob die Massnahme Wirkung zeigt, ist umstritten. Eine fundierte Auswertung fehlt. Es gibt Polizeikorps, die von einer beruhigten Lage nach einer Kurvensperre berichten. Und es gibt Beispiele wie das Auswärtsspiel des FC Luzern in Lausanne, als die Partie kurz vor dem Abbruch stand. Dort reisten Luzerner Fans trotz Kurvensperre an und wurden von der Polizei ins Stadion gelassen, wo sie sich kurzzeitig in andere Sektoren als die Gästekurve begaben.
Politischer Widerstand in Basel und Bern
Der Widerstand gegen die Sperrungen kommt nicht allein aus Fankreisen. Zuletzt musste nach Ausschreitungen vor dem Stadion in Zürich ein Teil des Basler Stadions leer bleiben. Das ging dann sogar dem Vertreter einer Partei zu weit, sie sich sonst sehr für die harte Hand des Gesetzes ausspricht: Der Präsident der lokalen SVP verlangte, dass Basel-Stadt auf alle Massnahmen des Kaskadenmodells verzichtet.
Basel ist kein Einzelfall. In Bern hat der Stadtrat eine Motion überwiesen, die Sektorsperren sogar verbieten will. Auch an Spielorten wie St. Gallen oder Winterthur soll sich die Begeisterung über das Kaskadenmodell bei den politischen Entscheidungsträgern in Grenzen halten. In Luzern ist zuletzt die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Klub und Fanarbeit gestärkt worden.
Die Gewalt rund um Schweizer Stadien nimmt ab
Vielleicht kommt das Ende der Kurvensperren auch durch einen Richterspruch. In Zürich, Lausanne und Basel sind die Klubs rechtlich gegen die Teilschliessung ihrer Stadien vorgegangen. Alle Fälle sind hängig. Alle könnten das Kaskadenmodell in seiner jetzigen Form zu Fall bringen.
Positiv ist, dass Gewalt rund um Spiele der Super League seit Jahren abnimmt. Das war schon in den zwei Saisons vor Einführung des Kaskadenmodells der Fall. Und auch in dieser Saison sieht es bislang so aus, dass die Zahl der Partien mit schweren Gewalttaten noch einmal zurückgeht.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | FC Basel | 34 | 44 | 64 | |
2 | Servette FC | 34 | 5 | 55 | |
3 | BSC Young Boys | 34 | 6 | 53 | |
4 | FC Lugano | 34 | 3 | 52 | |
5 | FC Luzern | 34 | 8 | 51 | |
6 | FC Lausanne-Sport | 34 | 9 | 50 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC St. Gallen | 34 | 3 | 48 | |
2 | FC Zürich | 34 | -5 | 47 | |
3 | FC Sion | 34 | -9 | 39 | |
4 | Yverdon Sport FC | 34 | -24 | 34 | |
5 | Grasshopper Club Zürich | 34 | -13 | 33 | |
6 | FC Winterthur | 34 | -27 | 33 |